Protokoll der Sitzung vom 10.12.2008

Zu der Lösung der strukturellen Probleme will ich nur einen Hinweis geben. Ich finde, dass wir den Menschen reinen Wein einschenken müssen und keine Scheinlösungen vorgaukeln dürfen. Die Straffung der Verwaltungsstrukturen und die Straffung von Verwaltungsprozessen ist unabdingbar. Hier haben wir in der Tat nicht alles erreicht, was notwendig oder möglich wäre. Hier ist nachzusteuern.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist sehr milde ausgedrückt!)

Einige erwecken aber den Eindruck, das strukturelle Defizit könne man sehr leicht dadurch beseitigen, dass man ein bisschen Verwaltungsstruktur nachsteuert. Davor warne ich erheblich. Ein strukturelles Defizit von 600 Millionen € wegzusparen, würde bedeuten, sich von 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu trennen. So viele haben wir überhaupt nicht in der Verwaltung. So viel Geld wird für Verwaltung überhaupt nicht ausgegeben. Deswegen müssen wir vorsichtig sein.

(Minister Rainer Wiegard)

Das strukturelle Defizit Schleswig-Holsteins beseitigen wir nur, indem wir - auch das eben Genannte ist zu tun; ohne Zweifel, keine Frage, und zwar mit deutlich größerer Intensität als bisher - die Einnahmen auf einem relativ hohen Niveau stabilisieren und gleichzeitig eine wirksame Begrenzung bei Leistungsausgaben durchführen. Wenn wir dies nicht tun, werden wir es nicht schaffen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb muss unser Haushaltsziel sein, immer über eine Periode hinweg die konsumtiven Ausgaben deutlich weniger zu steigern, als die regelmäßigen Einnahmen ohne Vermögenserlöse ausfallen. Dies muss unser Haushaltsziel sein.

Wir haben in dieser Wahlperiode eine durchschnittliche Steigerung von 1,4 % pro Jahr bei den konsumtiven Ausgaben, 7 % über die Strecke. In der vorherigen Wahlperiode waren das doppelt so viel, 15 % über die ganze Strecke, über 3 % im Durchschnitt. Deshalb ist eines unserer wesentlichen Ziele, die konsumtiven Ausgaben deutlich unterhalb der - so nenne ich sie einmal - konsumtiven Einnahmen zu halten. Nur so erreichen wir, erarbeiten wir uns den Spielraum erstens für Investitionen und zweitens für die Rückführung von Verschuldung.

Die Rückführung der Verschuldung schaffen wir nicht allein, schaffen wir nur mithilfe des Bundes und der Unterstützung der Länder. Ich sage ausdrücklich nicht „Hilfe der Länder“, sondern Unterstützung der Länder. Wir müssen darauf hinwirken, dass Föderalismus II ein Erfolg wird, dass wir zu einer Schuldengrenze kommen, die Ausnahmen in Krisenzeiten und in konjunkturell schwierigen Zeiten ermöglicht und die eine Konsolidierungshilfe für die Länder ermöglicht, die es aus eigener Kraft nicht schaffen. Nur so können wir weiterkommen. Wir müssen ein Interesse daran haben, dass es wirksame Schuldengrenzen gibt.

(Beifall bei der CDU)

Ich bedanke mich für die Arbeit an diesem Haushalt. Fast ein Jahr haben wir miteinander darüber verhandelt, miteinander gerungen. Ich bedanke mich bei den Mitgliedern im Kabinett, bei den Fraktionen, insbesondere den FAKs, für die Zusammenarbeit über alle Fraktionen hinweg. Ich bedanke mich, Günter Neugebauer, für die Zusammenarbeit mit dem Finanzausschuss und ganz besonders bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Haushaltsabteilung in meinem Ressort, Frau Dr. Rumpf, Herrn Milkereit, und bei den übrigen Kollegen in den Ressorts.

Ich bedanke mich an dieser Stelle aber auch bei den Beschäftigten, insbesondere bei den Beamtinnen und Beamten des Landes und der Kommunen, die täglich einen hervorragenden Dienst leisten. Sie verdienen hierfür unseren Respekt. Wir haben ihnen seit 2007 harte Einschnitte zumuten müssen. Bei aller Anerkennung für die Leistungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen wir Kurs halten. Das Land bedarf dieses Beitrags unserer Beschäftigten. Umgekehrt besteht auch kein Anlass, diesen beachtlichen Beitrag der Beamtinnen und Beamten kleinzureden. Er verdient allerhöchsten Respekt. Dafür meinen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir haben zwei enorm schwere Jahre vor uns. Die letzten Jahre waren auch nicht so ganz einfach, aber sicherlich nichts im Vergleich zu dem, was vor uns liegt. Schleswig-Holstein lebt schon ohne Konjunkturbremse und ohne Finanzmarktkrise wegen der Altlasten an der Schwelle der Überlebensfähigkeit. Unser Haushalt ist nach wie vor nicht krisenresistent. Wir werden die Wirkung der Finanzmarktkrise und die konjunkturellen Wirkungen und insbesondere die Wirkungen der eingeleiteten Maßnahmen durch Bund und Länder sehr genau beobachten und zielgenau reagieren müssen und dabei insbesondere die Investitionen in die Infrastruktur stärken.

Ich habe mich über manche Verhaltensweise bei Ihrer Fraktion, Herr Hentschel, geärgert, wenn es darum geht, dass wir den Ausbau der Infrastruktur vorantreiben. Schleswig-Holstein hat einen schweren Stand, wenn Lieferungen aus Singapur schneller in Stuttgart ankommen als aus Nordfriesland. Deshalb ist es dringend notwendig, dass wir unsere Infrastruktur stärken, damit von hier aus der Warenfluss, der Verkehrsfluss für Dienstleistungen ausgebaut werden können.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht noch weiter von der Entwicklung in den anderen westdeutschen Ländern abgehängt werden, als wir es in Ihrer Regierungszeit geworden sind, weil Sie sämtliche Infrastrukturentwicklungsprojekte schlicht und ergreifend verhindert haben.

(Beifall bei CDU und FDP - Widerspruch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden deshalb bei allen Schwierigkeiten, die in den nächsten zwei Jahren anstehen - da brauchen wir uns nichts vorzumachen -

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Minister Rainer Wiegard)

- Wir können zum Beispiel über den Ausbau der B 404 reden, den Sie aus dem Bundesverkehrswegeplan herausgenommen haben, und darüber, welche Schwierigkeiten wir heute dadurch haben. Darüber können wir gern reden, wenn Sie das unbedingt möchten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb sage ich Ihnen - ich bin für Ihren Zwischenruf geradezu dankbar -: Wir werden nicht den Fehler vorheriger Regierungen machen - damit meine ich nicht nur Regierungen hier in SchleswigHolstein, sondern auch im Bund und überall - und in schwachen Konjunkturphasen gerade Zukunftsinvestitionen kürzen. Im Gegenteil. Maßhalten beim Konsum und zulegen bei Investitionen, das wird unsere Devise sein.

(Anhaltender Beifall bei CDU und SPD)

Die angemeldete Redezeit der Regierung ist um mehr als 50 % überschritten worden. Es stehen allen weitere 16 Minuten zu den verbliebenen Redezeiten zur Verfügung. Ich frage die finanzpolitischen Sprecher: Kollege Sauter? - Keine Meldung. - Dann hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Finanzminister, ich will Ihren Versuch, hier den Eindruck zu erwecken, es gebe eine seriöse und sparsame Haushaltspolitik, für meine Fraktion so nicht stehen lassen. Ich erinnere daran: Die CDU ist angetreten und hat gesagt: Wir sparen jährlich 50 Millionen € Ausgaben des Landes ein. Sie wollten jährlich 50 Millionen € einsparen. Was haben Sie getan? - Sie geben jährlich im Schnitt 200 Millionen € mehr aus. Die Ausgabensteigerung von 2004 bis 2010 beträgt 1,2 Milliarden €. Sie haben eine Ausgabensteigerung von 2008 auf 2009 von 6,5 %. Das hat es zum letzten Mal 1992 gegeben, wenn wir das Jahr 2005 herausnehmen, wo man sich immer fragt, wer diese exorbitanten Ausgabensteigerungen verursacht hat.

(Zurufe von der CDU)

- Auch Sie mit dem Nachtragshaushalt, den Sie gemacht haben!

Schauen wir uns einmal die Bedingungen an. Herr Wiegard, Sie sagen immer: „Schauen Sie einmal

zurück! Was haben Sie geschaffen? Was haben wir geschaffen?“ Wenn man das tut, muss man sich auch die Bedingungen, die Höhe der Steuereinnahmen, angucken. Von 2000 bis 2005 hatten wir ein Steuerminus von 340 Millionen €. Im Vergleich: Von 2005 bis 2010 arbeiten Sie mit Steuermehreinnahmen von 1,7 Milliarden €. Trotz dieser hohen Steuereinnahmen ist der Haushalt 2009 und 2010 auf Kante gestrickt; das haben wir heute auch bei den Nachbesserungen gesehen. Die mittelfristige Finanzplanung macht deutlich, dass Sie die Zukunft nicht meistern. Weil die Lücken so groß sind, haben Sie für die Jahre 2011 und 2012 in der mittelfristigen Finanzplanung eine globale Minderausgabe von 1 Milliarde €.

Frau Kollegin Heinold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rainer Wiegard?

Frau Kollegin, ist Ihnen nicht mehr geläufig, dass es in jedem Jahr der 90er-Jahre überdurchschnittliche Steuereinnahmen gegeben hat, dass Sie zusätzlich zu den überdurchschnittlichen Steuereinnahmen überdurchschnittlich hohe Verschuldungen eingegangen sind und dazu noch das gesamte Landesvermögen veräußert haben?

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Wiegard, ich habe einen Vergleich zwischen den Jahren 2000 bis 2005 und 2005 bis 2010 gezogen. Von 2000 bis 2005 gab es ein Steuerminus von 340 Millionen €, an dem auch Sie mit Schuld tragen, weil Sie, weil Ihre Partei, die CDU, diese Steuerreform im Bundesrat noch verschärft hat und immer gesagt hat, wir brauchen noch mehr Steuerentlastungen.

(Lachen bei der CDU - Zuruf der Abgeord- neten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Herr Wiegard, Sie loben sich immer selbst, wenn Sie sagen, die Nettokreditaufnahme liegt unter den Zinsausgaben. Auch das war von 1996 bis 2001 normaler Standard. Gekippt ist das mit der Steuerreform, die tatsächlich ein hohes Defizit erzeugt hat.

(Minister Rainer Wiegard)

Herr Wiegard, ich wundere mich über Ihre Aussage zur Pendlerpauschale, bei der Sie heute sagen, dass die Vorsorge nicht ausreicht. Ich weiß nicht, wie ehrlich Sie mit dem Finanzausschuss umgehen, aber Sie haben im Finanzausschuss auf unsere Frage hin gesagt, dass Sie die Pendlerpauschale nicht berücksichtigt haben. Das heißt, Sie hätten heute das komplette Defizit neu einstellen müssen, da Ihre Vorsorge, die Sie getroffen haben, mit Sicherheit - so haben Sie es neulich zumindest noch begründet - auch für die unsicheren Wirtschaftsjahre 2009 und 2010 greifen muss. Stattdessen werden heute nur 10 Millionen € für 2010 eingestellt und nicht die 30 Millionen €. Wenn Sie die Pendlerpauschale - wie Sie es uns gesagt haben - bei den Steuereinnahmen nicht berücksichtigt haben, dann hätten Sie dies jetzt in voller Höhe tun müssen, und zwar - ehrlicherweise - zulasten der Verschuldung. Da können Sie uns doch nicht mit einer globalen Minderausgabe kommen!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf der Abgeordneten Birgit Herdejürgen [SPD])

- Entschuldigung, dieser Vorwurf geht an die Fraktionen, aber der Finanzminister hat dem auch nicht widersprochen.

Herr Stegner hat heute groß verkündet, es dürfe nur gefördert werden, was auch förderungsfähig ist. Das ist aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit. Es ist bitter, dass dies erst nach drei Jahren Großer Koalition umgesetzt werden soll. Wir stellen nachher den Antrag, die 17 Millionen €, die im Jahr 2009 noch frei im Schleswig-Holstein-Fonds schweben, herauszunehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit hätten Sie eine gute Chance, die Nettoneuverschuldung zu senken.

Herr Wiegard, es mag sein, dass wir in unserer Finanzpolitik nicht gut genug waren. Aber ich sage Ihnen, in jedem Fall haben wir es besser gemacht, als Sie es jetzt machen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das kann ich jetzt nicht bestätigen, sonst kann ich fast alles be- stätigen!)

- Das müssen Sie auch nicht bestätigen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich möchte noch etwas zum strukturellen Defizit sagen: Niemand - zumindest nicht meine Fraktion hat hier die These aufgestellt, dass wir das struktu

relle Defizit in exorbitanter Höhe mit der Verwaltungsreform ausgleichen sollen. Wer hat das denn behauptet? - Niemand!