Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE hat uns diesen Gesetzentwurf beschert, der im Grunde genommen etwas Positives bezwecken will.
Sie möchte, so steht es zumindest in der Begründung, dass die schlechtergestellten Familien durch das Angebot einer freien, kostenlosen Mittagsversorgung in Kindergärten und Schulen entlastet werden. Zudem will sie die kostenlose Betreuung im dritten Kita-Jahr von bisher fünf auf acht Stunden täglich erweitern. Liebe linke Fraktion, die Begründung für Ihren Gesetzentwurf ist dabei noch viel dünner als das Eis draußen auf der Förde. Er suggeriert: Gebt den Kindern ein warmes Essen, und alles wird gut. Er verbessert auch nicht automatisch die Lebenschancen armer Kinder. Dazu gehört schon ein bisschen mehr.
Zugegeben, im Bereich der Kinderbetreuung ist noch viel zu tun. Insofern hat Ihr Gesetzentwurf vom Ansatz her durchaus eine gewisse Berechtigung. Allerdings - und hier liegt der Schwachpunkt - ist er nicht finanzierbar und somit rein populistisch und anscheinend auch mit heißer Nadel gestrickt, denn er weist einige gravierende handwerkliche Mängel auf. Am schlimmsten aber finde ich: Er ist sozial unausgewogen, um nicht zu sagen, er ist ungerecht.
Lassen Sie mich das begründen. Zu den Kosten: Die „Landeszeitung” hat in dieser Woche errechnet, dass das Projekt über 350 Millionen € verschlingen würde. Ihr Gesetzentwurf beanwortet leider nicht, wie das finanziert werden soll. Auffallend ist aus unserer Sicht auch, dass er keine Sozialklausel beinhaltet. Die Kinder reicher Eltern kommen bei Ihnen also ebenso in den Genuss einer kostenlosen Mahlzeit wie bedürftige Kinder. Halten Sie das für gerecht?
Abgesehen davon, muss ich Ihnen, verehrte Linksfraktion, eine kleine Lehrstunde in Sachen Gesetzgebung erteilen. Ihr Gesetzentwurf, der heute wohlgemerkt in der ersten Lesung ist, soll schon ab Montag Gesetz sein. Dort steht nämlich: Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Februar 2010 in Kraft. Wie Sie sich denken können, ist das kaum möglich, denn wie heißt es in der Geschäftsordnung des Landtages unter § 24 Abs. 1:
„Gesetzentwürfe, Haushaltsvorlagen und über den Bereich des Landes hinausgehende Vereinbarungen sind grundsätzlich in zwei Lesungen zu beraten.”
Entschuldigen Sie bitte, Frau Kollegin. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schippels?
Haben Sie die neueste Fassung unseres Gesetzentwurfs? - Dort ist der 1. Februar durch den 1. August ersetzt.
- Nein, ich habe ihn nicht vor mir liegen. Herr Kollege Schippels, ich möchte dies gern fortfahren. Unter § 27 Abs. 1 heißt es weiter:
„Die zweite Lesung kann frühestens am zweiten Tag nach dem Schluss der ersten Lesung stattfinden. Der Landtag kann diese Frist abkürzen, es sei denn, dass mindestens 18 Abgeordnete widersprechen.”
Fraktion der Linkspartei bekommt diese Mehrheit von 77 Abgeordneten und das Gesetz kommt in dieser Form durch, dann müssten - wohlgemerkt bis Montag - in jeder Schule in Schleswig-Holstein Mensen, Küchen und die notwendige Infrastruktur für das kostenfreie Mittagessen gebaut werden. Das ist wirklich ein ambitionierter Plan. Es ist aber schön, dass Ihnen das noch aufgefallen ist.
Bei einer so schlampigen Vorlage fragt man sich unweigerlich: Wie konnte das passieren? - Liebe linke Fraktion, sehen Sie einmal, was ich gefunden habe. Stellen Sie sich vor: Die Drucksache 4/12531 aus dem Sächsischen Landtag vom 10. Juni 2008 weist eine frappierende Ähnlichkeit mit Ihrem Gesetzentwurf auf.
Wenn Sie also das nächste Mal schon von Ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Sächsischen Landtag abschreiben, dann passen Sie dies doch wenigstens an die Gegebenenheiten von SchleswigHolstein an!
Niemand bezweifelt, dass die Gemeinschaft den Schwächsten, den bedürftigen Kindern auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben beistehen muss. Einen Spielraum für zusätzliche Ausgaben in der Größenordnung von über 350 Millionen € gibt es aus unserer Sicht derzeit aber nicht.
Tut mir leid, liebe linke Fraktion, aber Sie verfahren uns einfach zu sehr nach dem Motto: Klappe zu, Mäuse tot. Da die Mäuse der Landesetat sind, lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Essen in Kitas und Schulen kostenfrei, Kita-Besuch kostenfrei, das wäre schön, aber - das haben Sie ja jetzt schon mehrfach gehört - realistisch ist Ihr Vorschlag nicht. Man kann ja Visionen haben - ich habe überhaupt nichts dagegen -, aber Sie wollen das
Gesetz ohne irgendeinen Umsetzungs- und Finanzierungsvorschlag noch in diesem Jahr, zum 1. August - das ist die neue Version -, in Kraft treten lassen. Für mich zeugt das weniger von visionärer Kraft als vielmehr von „Ich-wünsch-mir-was-istmir-doch-egal-wie-es-geht“-Mentalität. Das können wir bei einem so wichtigen Thema gar nicht gebrauchen. Sie sehen, dass Ihr Gesetzentwurf dazu geführt hat, dass sich die Reihen hier total gelichtet haben. So kommt es, wenn man komplett unseriöse Gesetzentwürfe einbringt.
Sie sagen nicht im Ansatz, woher das Geld kommen soll. Wir Grünen finden zudem, dass wir andere Baustellen im Kita-Bereich haben, die wichtiger sind. Für dieses Jahr stehen meiner Meinung nach vier Themen auf der Agenda; die zu erreichen wäre schon viel.
Erstens müssen wir der Koalition Paroli bieten, wenn es um die Streichvorschläge geht. Ziehen Sie sich warm an!
Zweitens brauchen wir eine Qualitätsoffensive für unsere Kitas. Allein einen Bildungsauftrag im Kindertagesstättengesetz zu verankern, wie es die letzte Landesregierung gemacht hat, ist zu wenig. Eigentlich - ich sage bewusst „eigentlich“ - müsste man den Betreuungsschlüssel senken, wie es in Berlin geschieht, die Ausbildung der Fachkräfte verbessern und die Übergänge zwischen Kita und Schule intensivieren. Zu allererst brauchen die Kitas aber Zeit und Geld für die Fort- und Weiterbildung ihrer Pädagoginnen.
Wir haben in unserem Programm „Clever Starten“ schon in der letzten Periode gesagt, wie das ungefähr gehen kann, und wir haben anders als Sie auch gesagt, wie man das finanzieren kann. Die Kosten hätten bei uns 10 Millionen € ausgemacht. Wir haben vorgeschlagen, dies mit einer Erhöhung der Grunderwerbsteuer gegenzufinanzieren. Lieber Herr Klug, da blieben sogar noch 35 Millionen € übrig, um das kostenfreie Kita-Jahr gegenzufinanzieren.
Drittens. Inzwischen hat der Städte- und Gemeindebund Alarm geschlagen, dass der Rechtsanspruch auf die Betreuung der unter Dreijährigen wackelt. Es wäre ein echter Hammer, wenn die Zielvorgabe, bis 2013 für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz anzubieten, aufgrund der schwarz-gelben Steuerträume ins Wanken geraten und kippen würde. Ich rede nicht vom letzten Jahr, sondern ich rede von den Plänen, die noch ausstehen. Das darf nicht wahr werden. Wenn das so kommt, werden wir mobilisieren, dass die Schwarte kracht.
Viertens brauchen wir eine einheitliche und im bundesweiten Vergleich akzeptable Sozialstaffel. Auch darüber haben wir heute schon einiges gehört. Das wäre eine notwendige Entlastung für Familien. Damit würden wir es wirklich schaffen, dass der KitaBesuch in den ersten Jahren nicht mehr am Geldbeutel der Eltern scheitert. Das würden Sie zwar auch erreichen, aber ich glaube, unser Ansatz wäre eine zielgenauere Variante.
Anders als alle anderen Fraktionen haben Sie Ihren Gesetzentwurf nicht durchgerechnet. Herr Schippels fragt immer: Wie kommt es dazu? Ich sage einmal, worauf ich komme. Ich habe total vorsichtig und linkenfreundlich gerechnet - nur damit Sie nicht erschrecken.
Mittagessen - von Frühstück rede ich gar nicht 2,50 €, 12 Ferienwochen, ich nehme die aktuellen Zahlen der Schülerinnen und Schüler und Kita-Kinder, dann komme ich auf 180 Millionen € im Jahr. Das ist schon total konservativ gerechnet. - Jetzt sage ich schon, ich rechne konservativ, egal.