Protokoll der Sitzung vom 17.03.2010

Auch keine des Herrn Abgeordneten Kubicki. Weitere Anträge auf Dreiminutenbeiträge liegen nicht vor. - Ich erteile somit Herrn Minister Schlie das Wort.

(Günther Hildebrand)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, mit dem Landesentwicklungsplan die Rahmenbedingungen für mehr Wirtschaftswachstum im Land wesentlich zu verbessern, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen unseres Landes zu ermöglichen, die kommunale Ebene durch Entscheidungs- und Verantwortungsübertragung zu stärken und damit die richtigen Weichen für die Bewältigung der Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte zu stellen. Mit dem Landesentwicklungsplan gestalten wir eine wesentliche Planungsgrundlage für unsere Politik des Aufbruchs. Er ist die Basis für die Zukunftsfähigkeit des Landes Schleswig-Holstein.

(Lachen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

- Hören Sie doch erst einmal zu!

Ich kann Ihnen versichern: Wir sind dabei auf einem guten Weg. Die Vorschläge in dem Antrag der Fraktionen von CDU und FDP werden Sie im überarbeiteten Landesentwicklungsplan wiederfinden. Wir werden uns von überflüssigen Vorgaben verabschieden und uns auf das konzentrieren, was Landesplanung ausmacht: Entwicklung zu unterstützen. Wir werden nur dort steuernd eingreifen, wo Entwicklung in die völlig falsche Richtung geht, wo Interessen- und Nutzungskonflikte bestehen, wo es um den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen geht und wo wir Zukunftschancen für unser Land ungenutzt lassen.

Der Antrag der Regierungsfraktionen bietet dafür eine hervorragende Grundlage. Er verdeutlicht, dass es um Freiheit, Verantwortung vor Ort, Flexibilität und Chancengerechtigkeit bei der Entwicklung aller Regionen des Landes geht. Gerade die heutige Diskussion ist doch Ausdruck dessen, dass die Landesregierung die breite parlamentarische Beteiligung will und auch sicherstellt. Kollege Hay hatte das angekündigt; es wird von uns umgesetzt.

Wir greifen die deutliche Kritik auf, die - nicht nur, aber vor allem - viele Gemeinden aus dem ländlichen Raum an dem Planentwurf geäußert haben. Weit über 2.000 Stellungnahmen sind zu dem ersten Entwurf des Landesentwicklungsplans eingegangen. Dieser Entwurf war untauglich, die Zukunft des Landes planerisch zu gestalten, weil die politischen Vorgaben falsch waren. Lassen Sie mich an einigen Beispielen verdeutlichen, warum vor allen Dingen aufgrund der erfolgten Abwägung im laufenden Verfahren der Ursprungsentwurf

grundlegend weiterentwickelt werden musste. Insoweit ist das, was Sie von der Opposition hier erzählt haben, völlig widersinnig. Wir befinden uns in einem laufenden Verfahren und müssen diesen Entwurf weiterentwickeln. Was reden Sie hier eigentlich?

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn wir die eingegangenen Stellungnahmen nicht berücksichtigt hätten beziehungsweise im weiteren Verfahren nicht mehr berücksichtigen würden, dann begingen wir einen Abwägungsfehler und hätten ein Problem. Aber wir berücksichtigen doch die Stellungnahmen.

Schleswig-Holstein ist ein Tourismusland. Das gilt nicht nur für seine Küsten. Auch das Binnenland hat großes Potenzial. Ich denke zum Beispiel an die Naturparks Holsteinische Schweiz und Lauenburgische Seen oder an die Schlei-Region.

(Wortmeldung des Abgeordneten Jürgen We- ber [SPD])

Herr Schlie, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Es tut mir leid. Ich möchte das zunächst einmal darstellen. Ich komme im Laufe meiner Ausführungen sicherlich noch dazu, Fragen zu beantworten.

Es gilt die planerischen Voraussetzungen und Freiräume zu schaffen, um diese Potenziale nutzen zu können. Grundsätzlich ist in allen Teilräumen des Landes eine touristische Entwicklung möglich. Viele Teile des Landes können sich jetzt auch als Entwicklungsräume für Tourismus und Erholung darstellen. Das ist ein klares Signal in die Regionen. Hier entstehen neue Chancen für Tourismus und wirtschaftliche Entwicklung und damit natürlich auch für Arbeitsplätze vor Ort.

Der Tourismus ist aber auch ein Beispiel dafür, dass man an der einen oder anderen Stelle steuernd eingreifen muss. Warum kommen die Menschen nach Schleswig-Holstein? - Sie wollen unsere bezaubernde Landschaft mit ihrer intakten Umwelt erleben und an den Küsten den unverbauten Blick und den freien Zugang zum Wasser genießen.

Wenn es darum geht, den Begriff „Heimat“ neu zu definieren, dann lassen Sie uns hier damit anfangen. Lassen Sie uns unsere Heimat öffnen für alle, die hier Urlaub machen wollen, um unsere Vorzüge zu genießen und sich bei uns zu erholen. Öffnen wir

Schleswig-Holstein für die Menschen, die hier als Touristen Arbeitsplätze sichern!

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Schleswig-Holsteiner sind weltoffen, gastfreundlich und im besten Sinne heimatverbunden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb ist es so wichtig, dass wir in unseren attraktivsten Urlaubsregionen Freiräume sichern und zum Beispiel keine bandartige Entwicklung von Campingplätzen an Küsten und Seen zulassen. Es geht darum, die Chancen für Tourismus langfristig und nachhaltig zu sichern. Deshalb sollen beispielsweise Zugänge zu Stränden und Seen ermöglicht und gesichert werden.

Warum ist es notwendig, dass wir uns auch mit Camping beschäftigen? - Ganz einfach: Camping boomt und ist eine der familienfreundlichsten und naturnächsten Urlaubsformen. Das sollten doch zwischenzeitlich alle in Schleswig-Holstein begriffen haben.

An dem Entwurf des Landesentwicklungsplans wurde kritisiert, dass er gewerbliche Entwicklungen nur noch entlang der Landesentwicklungsachsen und in den Zentralen Orten zulasse. Das ist übrigens nicht nur eine Kritik des ländlichen Raums gewesen. Das wäre in der Tat das völlig falsche Signal. Wir wollen Entwicklung überall dort ermöglichen, wo dies für langfristige Perspektiven wichtig ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein hat eine klein- und mittelständisch strukturierte Wirtschaft. Viele Betriebe sind regional verankert. Doch es gibt auch zahlreiche überaus innovative und auf internationalen Märkten sehr erfolgreiche Unternehmen. Die meisten Betriebe in SchleswigHolstein sind in den Städten angesiedelt, doch viele haben ihren Sitz auch im ländlichen Raum, in kleinen Gemeinden. Das ist gut so, weil Arbeitsplätze vor Ort Pendlerverkehre minimieren und somit einen Beitrag zum notwendigen Klimaschutz leisten. Herr Habeck: Global denken - lokal handeln!

(Beifall bei CDU und FDP)

Der überarbeitete Landesentwicklungsplan wird deutlich machen: Grundsätzlich kann in allen Gemeinden eine gewerbliche Entwicklung stattfinden. Wir ermöglichen Betrieben ausdrücklich, sich vor Ort zu erweitern. Wer sich mit einem Betrieb in einer Gemeinde neu ansiedeln möchte, kann dies

ebenfalls tun, vorausgesetzt, der Betrieb passt dorthin.

Das heißt zum Beispiel, dass er sich von seinen baulichen Erfordernissen her in das Ortsbild einfügen muss und möglichst keine Konflikte mit anderen Nutzungen auftreten dürfen.

Mit den Landesentwicklungsachsen werden wir zusätzliche Möglichkeiten für neue gewerbliche Entwicklungsschwerpunkte - da geht es um Schwerpunkte - entlang unserer wichtigsten und überregional bedeutendsten Verkehrswege schaffen. Hier geht es vor allem um 1A-Lagen an unseren Autobahnen. Diese sind für viele Unternehmen - zum Beispiel aus der Logistikbranche - ein herausragender Standortfaktor, den wir zukünftig noch besser nutzen wollen. Wir werden daher auch die A 20 und die A 21 als weitere Landesentwicklungsachsen in den Landesentwicklungsplan aufnehmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Außerdem - um Ihre Neugier auch an dieser Stelle zu stillen - haben wir mit der Kategorie der Hauptverkehrsachsen, also der Verbindung und teilweisen Weiterführung der Landesentwicklungsachsen, auch die Verbindungen aufgenommen, an denen es übrigens bereits zahlreiche gewerbliche Schwerpunkte gibt und die vielfältige zusätzliche gewerbliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten.

Ich halte nichts davon, jetzt jede Menge Bundesoder Landesstraßen - wie Sie das vorgeschlagen haben - als Landesentwicklungsachsen auszuweisen. Darum geht es auch gar nicht, weil das Schwerpunkte für die Bereiche sind, die ich genannt habe, und weil wir damit auch die Schwerpunktsetzung verwässern würden. Aber natürlich müssen wir in der Fläche auch Entwicklungsmöglichkeiten für gewerbliche Entwicklungen auch an den Hauptverkehrsachsen zusätzlich schaffen. Das ist doch völlig logisch. Wer will denn abstreiten, dass es so ist und auch bisher schon so gewesen ist! Wir beseitigen nur Hemmnisse und Barrieren, die bisher vorhanden waren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Natürlich müssen wir die Verkehrsverbindungen in vielen Teilräumen unseres Landes verbessern. Das ist leider 20 Jahre lang nicht so intensiv geschehen. Genauso selbstverständlich ist, dass entlang dieser Bundesstraßen natürlich auch zukünftig gewerbliche Entwicklung möglich sein wird. Es darf nicht unser Ziel sein - das hat auch niemand vor -, Betriebe aus Städten und Gemeinden herauszuziehen und ein Überangebot an siedlungsfernen,

(Minister Klaus Schlie)

splitterartigen Gewerbeflächen zu schaffen. Aber wenn wir neue Betriebe in Schleswig-Holstein ansiedeln wollen, wenn wir Wachstum generieren wollen und die Chance ermöglichen wollen, das ansiedlungsfreundlichste Land in der Bundesrepublik zu werden, dann müssen wir die Möglichkeit schaffen, dass sich Betriebe dort ansiedeln können, wo sie meinen, dass es ihre Standortfaktoren zulassen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir werden doch keinen Investor aus SchleswigHolstein heraustreiben. Das wäre doch in dieser wirtschaftlichen und Arbeitsmarktsituation, in der wir stecken, völlig fatal.

Besonders umstritten am Entwurf des Landesentwicklungsplans war der vorgegebene Rahmen für die wohnbauliche Entwicklung. Er wurde als zu restriktiv und als zu wenig flexibel kritisiert.

Herr Schlie, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Fürter?

Ja.

Herr Minister Schlie, da Sie von Wachstum sprechen: Teilen Sie die Auffassung des Fraktionsvorsitzenden der FDP, dass dieses Wachstum exzessiv zu sein habe?

- Ich teile die Auffassung des Fraktionsvorsitzenden der FDP. Er meint mit dem Begriff exzessiv, dass wir jede Chance nutzen müssen, hier in Schleswig-Holstein Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist die Übereinstimmung in unserer Politik.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich würde gern noch einmal auf den Part eingehen, den ich jetzt ansprechen wollte, nämlich die wohnbauliche Entwicklung. Der Rahmen wurde als zu restriktiv und zu wenig flexibel kritisiert. Wir werden ihn deshalb ändern und außerdem - hören Sie zu - der kommunalisierten Regionalplanung weitere Gestaltungsspielräume geben. Sie soll diesen Rahmen zukünftig festlegen. Der jetzt festgelegte Rahmen im Landesentwicklungsplan ist nur eine Übergangslösung, bis die Regionalplanung kommunalisiert ist. Ziel ist es, dies binnen Jahresfrist zu erreichen.

Wir werden diesen Rahmen allerdings für die Übergangszeit erhöhen, wie das der Kollege Hay ja vernünftigerweise schon gemacht hatte: auf 15 % in den Ordnungsräumen, auf 10 % in den ländlichen Räumen und den Stichtag für den Wohnungsbestand auf den 31. Dezember 2009 verschieben. Damit werden alle Wohnungen, die in den letzten drei Jahren gebaut wurden, nicht mehr auf den Rahmen angerechnet, der in der Übergangszeit gilt. Gemeinden, die keine Siedlungsschwerpunkte sind, erhalten damit schon jetzt deutlich mehr Entwicklungsmöglichkeiten.

Bei der kommunalisierten Regionalplanung soll dann die Siedlungsentwicklung von Städten und Gemeinden gemeinsam in partnerschaftlicher und gleichberechtigter interkommunaler Zusammenarbeit festgelegt werden. Dass gerade bei der Ansiedlung von Einzelhandelseinrichtungen die Beibehaltung des Kongruenzgebots auch im Antrag von CDU und FDP betont worden ist, ist Ausdruck dieser gleichberechtigten interkommunalen Zusammenarbeit. Herr Abgeordneter Vogt hat das hier deutlich ausgeführt.

Das Prinzip der dezentralen Konzentration bleibt erhalten. Stabile Zentrale Orte sind die beste Absicherung - auch für eine nachhaltige Entwicklung gerade auch für die benachbarten Dörfer. Von den Städten und Zentralen Orten gehen wichtige Impulse für die Entwicklung des Umlandes aus. Sie sichern übrigens auch die Daseinsvorsorge in vielen Teilbereichen für die Menschen in den ländlichen Räumen. Deshalb wird das Zentralörtliche System überall in Deutschland angewandt, und es hat sich auch bewährt. Natürlich muss es auch weiterentwickelt werden.