- Herr Kubicki, Sie sehen, das ist mir schon so in Fleisch und Blut übergegangen mit dieser Koalition, dass ich fast gar nichts anderes mehr über die Lippen bringe.
- Das ist das persönliche Problem der Kolleginnen und Kollegen, wenn man so denken würde; das habe ich sicherlich nicht zu verantworten. - Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen der SPD und auch an alle anderen, dieser Änderung zuzustimmen.
Damit möchte ich dem, was der Minister schon ausgeführt hat, dem ich mich voll anschließen kann, nichts mehr hinzufügen. Wir werden im Ausschuss die Beratung vornehmen und dann im Laufe der Plenartagung das Ganze hoffentlich auf den Weg bringen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Juli 2009, der Beschlussfassung über die neuen Regelungen des Medizinproduktegesetzes des Bundes, ist zumindest den Ministern von Boetticher und Garg bekannt gewesen, dass wir in Schleswig-Holstein ab Ende März 2010 eine nach Landesrecht gebildete Ethikkommission für Stellungnahmen zur klinischen Prüfung oder Leistungsbewertung von Medizinprodukten zwingend benötigen. Das hätte mal Ministerin Trauernicht passieren sollen, meine Damen und Herren!
Unter „Verschiedenes“ wurde uns in der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses mal eben mitgeteilt, dass das nun mal so sei, wir hätten ja bei der Ärztekammer eine derartige Kommission, die im Übrigen schon im Dezember zur Übernahme der Verantwortung bereit war. Dann nehmen wir nun diese auch noch für diese gesetzliche Aufgabe. Null problemo, quasi auf Zuruf. Ist die Landesregierung wirklich von der Realität so weit weg, dass derart
Die Bedeutung ist aber deutlich mehr als nur erheblich, denn die Zusammensetzung und die Fachmeinung der in dieser Kommission Vertretenen reicht sehr weit. Sie hat elementare Bedeutung sowohl für die mit neuen zum Beispiel implantierten Medizinprodukten Behandelnden als auch und vor allem für Behandelte selbst. Die Frage ist noch offen, ob vielleicht sogar für Grundwerte und ethisch-moralische Wertvorstellungen in unserem Land hier im hohen Norden generell oder für den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein eine Ethikkommission Bedeutung bekommt. Vielleicht können wir hier sogar mit Herrn Habeck gemeinsam ansetzen, Heimat neu zu definieren, denn da wird einiges auf uns zukommen, wenn Entscheidungen zu implantierten Datenchips und Minicomputern im Körper zu fällen sind, die den Menschen vom Wesen her verändern können.
Das Mindeste, was wir verlangen müssen - das sind wir den Menschen im Land schuldig -, ist doch die Prüfung der Frage, wer da mit welcher Motivation heute oder in Zukunft in so eine Ethikkommission und vielleicht auch andere Ethikkommissionen unseres Landes hineingehört.
Wenn wir keine Fragen an Experten stellen, hängen Stellungnahmen einer Ethikkommission in Schleswig-Holstein vom guten Willen ab. Von wessen gutem Willen? Wer entscheidet das? Mit welchem Motiv?
Eile kann hier nicht das Argument sein, sondern Gründlichkeit. Medizinprodukte, deren Prüfung vor dem 20. März begonnen worden sind, sind übrigens gar nicht betroffen. Sie werden nach dem alten Verfahren bewertet.
Die meisten von uns hier im Hohen Haus wollen selbstverständlich Forschung ermöglichen. Umso wichtiger aber sind medizinisch-ethische Grundmuster genauso wie rechtliche, theologische oder pharmakologische Überlegungen, wenn es um die Anwendung von Transplantaten oder ähnlichen im Körper angewandten Medizinprodukten im Körper geht.
Herr Heinemann, stellen Sie denn die bisherige Arbeit und die Zusammensetzung der Ethikkommission der Ärztekammer damit infrage?
Sowohl die EU als auch der Bundesgesetzgeber sehen bei der klinischen Prüfung von Medizinprodukten den optimalen Probanden- und Patientenschutz im Vordergrund. Meine Damen und Herren, genau das sollten wir auch tun.
Nicht ohne Sinn soll die Registrierung der diversen Ethikkommissionen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgeschafft werden, denn die bloße Registrierung ist kein Qualitätsnachweis und damit nicht länger ein Sicherheitsgewinn für die Patientinnen und Patienten. Ähnlich wie bei den Arzneimitteln soll durch die nach Landesrecht gebildeten Ethikkommissionen die Qualität der Arbeit eben dieser Ethikkommissionen verbessert und angeglichen werden, und dies möglichst nachhaltig.
Der Bundesgesetzgeber hat in seiner Gesetzesvorlage Drucksache 16/12258 ausdrücklich auf die extrem hohe Bedeutung der Ethikkommissionen neuer Art hingewiesen:
„Da für den Beginn einer klinischen Prüfung künftig eine positive Bewertung einer Ethikkommission zwingend erforderlich ist, stellen deren Entscheidungen hoheitliches Handeln dar. Die positive Bewertung ist somit ein Verwaltungsakt. Die Bildung von Ethikkommissionen muss daher auf eine stabile Rechtsgrundlage gestellt werden.“
Und nun kommt etwas ganz Spannendes. Dr. Günter Hopf, der Ethikreferent der Ärztekammer Nordrhein, hat politische Entscheidungen zu Ethikkommissionen im Landtag von Nordrhein-Westfalen schon einmal wie folgt kommentiert:
„Die politisch Verantwortlichen haben offensichtlich bewusst darauf verzichtet, im Rahmen der Anhörung von Sachverständigen im
Landtag diese Gesetzesänderung zur Diskussion zu stellen. Daher können sie bestenfalls Unwissen bei der Zustimmung zu diesem Gesetz als Ausrede geltend machen, wenn sich zukünftig eine Verschlechterung einstellt.“
Meine Damen und Herren, wollen wir das wirklich? Und ich füge die Frage hinzu: Was bedeuten uns Ethik, Moral und Gewissen denn noch, wenn wir Gesetze ein dreiviertel Jahr lang unter der Decke halten und zwei Minuten vor Inkrafttreten, vor Toresschluss also, quasi aus dem Stand, eine Entscheidung der Unwissenden über ein Landesgesetz herbeiführen, dessen Tragweite uns gar nicht bewusst sein kann?
Wer, wenn nicht wir Parlamentarier, sollten uns auf unser Gewissen berufen können? Wir alle haben eines, der eine oder die andere zumindest ein schlechtes.
Die SPD-Fraktion wird jedenfalls zu einem undemokratischen Verfahren von unbekannter Tragweite ihre Zustimmung nicht geben, und wir erwarten, gerade in diesem elementaren Feld ethischer Bewertungen, schlicht die Anhörung von Sachverstand zu diesen oder anderen beispielhaften Fragen der Zusammensetzung einer Ethikkommission: Macht Patientenbeteiligung mit Stimmrecht einen Sinn? Brauchen wir soziologischen Sachverstand? Ist theologischer Sachverstand dauerhaft gesetzlich gesichert? Wie ist welcher rechtsmedizinische Sachverstand dauerhaft erforderlich und sichergestellt? Welcher pharmakologische Sachverstand ist vorhanden, und wie wird er gesichert? Sind spezielle Medizinkenntnisse erforderlich? Wie werden Ethikkommissionen zukünftig Einfluss auf datengestützte Implantattechnik nehmen? Gibt es Auswirkungen auf den Gesundheitsstandort SchleswigHolstein? Und was kostet das alles, oder wie refinanziert sich das alles?
Sie merken, Geduld ist angesagt. Ich danke Ihnen für Ihre mit mir, und ich hoffe, Sie können meine Argumente und Fragen nachvollziehen. - Ich hoffe, ich habe die Frage beantwortet.
- Entschuldigen Sie bitte, Frau Dr. Bohn. In der Tat. Die FDP legt Wert darauf, dass sie erst dran ist. Und sie ist auch erst dran. Vor diesem Hintergrund gebe ich nun der Frau Abgeordneten Klahn von der FDP das Wort.
(Christopher Vogt [FDP]: Sie können auch für die FDP reden! - Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Habt ihr noch mehr Man- date verloren?)
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat ist es misslich, dass der Gesetzentwurf so kurzfristig vorgelegt wurde. Wir haben in unserer Fraktion auch eine entsprechende Kritik daran geäußert. Trotzdem sehen wir als Liberale keinen Grund, in diesem Fall exemplarisch das Verfahren zu verzögern. Ganz im Gegenteil! Der vorliegende Gesetzentwurf zeugt von vorausschauendem und umsichtigem Handeln. Wenn Sie die zusätzliche Information des Sozialministeriums vom 8. März dieses Jahres aufmerksam lesen, dann finden Sie dort den Hinweis, dass seit Sommer letzten Jahres eine umfangreiche Änderung des Kammergesetzes geplant ist und dass innerhalb dieses Prozesses auch ursprünglich geplant war, die Änderung zu den medizinproduktrechtlichen Vorschriften auf den Weg zu bringen.
Die Herausnahme der jetzt zu verabschiedenden zusätzlichen Aufgabenübertragung an die Ethikkommission der Ärztekammer hat gute Gründe und erspart dem Land Schleswig-Holstein die Errichtung und Finanzierung einer eigenen Ethikkommission. Die bundesgesetzlichen Vorgaben werden so in einer effizienten und für das Land kostengünstigen Art und Weise umgesetzt.
Die entscheidende Frage ist doch, welche Konsequenzen entstehen würden, wenn wir das Gesetz nicht unter der Maßgabe der Fristwahrung verabschiedeten. Wenn wir im Sinne der Menschen des Landes Schleswig-Holstein handeln wollen und nicht eigene Eitelkeiten in den Vordergrund stellen, dann sollten wir jetzt darauf achten, dass wir mögliche Schadensersatzforderungen, die dann gleich in erheblicher Höhe anfallen würden, abwenden.
Die Konsequenzen bei nicht fristgerechtem Inkrafttreten sind deutlich im Schreiben des Ministeriums aufgezeigt: Von der Ärztekammer kann nicht erwartet werden, dass sie die zusätzlichen Aufgaben nach dem MPG wahrnehmen wird, bevor die landesrechtliche Regelung zur Haftungsfreistellung in Kraft getreten ist. Sollte die Bewertung einer kli
nischen Prüfung eines Medizinproduktes ab dem 21. März 2010 nicht fristgerecht erfolgen, dann können Schadenersatzforderungen an das Land nicht ausgeschlossen werden. Die Ärztekammer hat hierfür extra eine Haftpflichtversicherung über 10 Millionen € abgeschlossen. Es muss uns also klar sein, dass es hier um Millionenbeträge geht.
Selbstverständlich ist das nur eine hypothetische Gefahr. Gleichwohl ist die Frage zu stellen, ob man es darauf ankommen lassen muss, zumal Ergänzungen, wie sie vonseiten der SPD angeregt sind, noch bei der weiteren Novellierung dieses Gesetzes möglich sind und durch Anträge entsprechend eingebracht werden können. Das, was Sie im Moment versuchen, scheint mir nach dem Motto zu sein: Juchhu, ich habe eine Chance, ich versuche, das schnell durchzudrücken.
Wenn Sie eine umfangreiche Diskussion über die Besetzung der Ethikkommission fordern, dann machen Sie das bitte in Ruhe und mit einem ausreichenden zeitlichen Vorlauf. Machen Sie das nicht plötzlich und in einem Zusammenhang, der bei diesem Punkt gar nichts zu suchen hat. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass dieses Gesetz für den Bereich Gesundheitswirtschaft einen kleinen Baustein darstellt und dass hier ansässige Unternehmen, die im Bereich Medizinprodukte tätig sind, gegenüber Unternehmen in anderen Bundesländern keinen Nachteil erleiden sollten.