(Widerspruch bei CDU und FDP - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das galt doch nur vor der Wahl! - Christopher Vogt [FDP]: Guten Morgen! - Zurufe von der Regierungsbank - Glocke des Präsidenten)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Gitta Trauernicht. Bemerkungen von der Regierungsbank sind nicht erlaubt, Wortmeldungen nachher selbstverständlich. Jetzt hat Frau Dr. Gitta Trauernicht das Wort.
Ich wiederhole: Wollen Sie denn wirklich behaupten, Sie hätten im letzten Jahr die Haushaltslage nicht erkannt?
Und waren Sie es nicht, Herr Ministerpräsident, der noch im März 2010 öffentlichkeitswirksam die Kindergelderhöhung problematisiert und sein Herz für arme Kinder entdeckt hat? Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten. Herr Carstensen, Sie haben gesagt:
„Wir stellen fest, dass wir in unseren Kindergärten immer noch viele Kinder haben, die ungefrühstückt kommen, die sich das Mit
tagessen nicht leisten und viele Dinge nicht kaufen können, die für andere selbstverständlich sind. Und das sind keinesfalls alles Hartz-IV-Kinder. Wir müssen unsere alte konservative Familienpolitik auch in diesem Bereich ein Stück zur Seite schieben. Wir müssen die Lebenswirklichkeit sehen und für die Kinder arbeiten.“
Ja, genauso ist es richtig. Dann lassen Sie doch Ihren Worten auch Taten folgen! Investieren Sie in eine qualitativ hochwertige, in eine kostenfreie Infrastruktur für Kinder, und nehmen Sie nicht noch den Ärmsten das warme Mittagessen weg, sondern verstetigen Sie das Programm „Kein Kind ohne Mahlzeit“!
Liebe Abgeordnete, für die Zukunft sorgen heißt, heute kein Kind mehr zurückzulassen, jedem Kind die Chance zu geben, sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu entwickeln. Inzwischen weiß es doch eigentlich jeder: Auf den Anfang kommt es an, auf frühkindliche Bildung, verbunden mit Gesundheitsförderung, Kinderschutz und Familienbildung. Deshalb fordere ich die Landesregierung auf: Gehen Sie den bereits in der letzten Legislaturperiode beschrittenen Weg weiter! Er ist angesichts der Haushaltslage schwierig. Aber es gibt keine Alternative.
Keine Streichung des beitragsfreien Jahres, sondern schrittweiser Ausbau. Keine Öffnung der Kita-Standards, sondern gleiche Chancen für alle Kinder im Land. Kein Auslaufen des Programms „Kein Kind ohne Mahlzeit“, sondern seine strukturelle Verankerung. Kümmern Sie sich um strukturelle Ausbildung von genügend Fachkräften und deren Arbeitsbedingungen sowie eine angemessene Entlohnung! Stützen Sie die Sprachförderung, und sichern Sie die Umsetzung des präventiv auf Kinder und Familien ausgerichteten Kinderschutzgesetzes! Nicht zuletzt: Setzen Sie sich mit den Beteiligten zusammen, mit den Eltern, mit den Erziehern und Verbänden, und sagen Sie nicht länger, Sie hielten die Proteste schon aus! Lassen Sie sich berühren von den Protesten, und merken Sie endlich, dass es die Kinder und ihre Eltern sind, die die Folgen Ihrer Sparpolitik letztlich aushalten müssen und dies nicht können!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Stunde zum aktuellen Anlass. Draußen demonstriert das Aktionsbündnis unter dem Motto „Kürzt den Kindern nicht die Zukunft“.
Ich kann Ihnen hier und heute versichern: Natürlich wollen und werden wir, die FDP-Fraktion, in die Bildung unserer Kinder investieren und nicht kürzen,
(Beifall des Abgeordneten Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Christopher Vogt [FDP]: Alte Reflexe, Herr Fürter!)
Aber was war in diesem Zusammenhang vor knapp einem Jahr eigentlich das Ziel, das dritte Kindergartenjahr gebührenfreien einzuführen? - Alle Kinder sollten hierdurch gleiche Startbedingungen erhalten, was die vorschulische Bildung betrifft, also einen chancengleichen Eintritt in die Grundschule. Man wollte die Quote der durch Kindertageseinrichtungen geförderten Kinder deutlich erhöhen. Im Fokus standen hierbei besonders die Kinder von ALG-II-Empfängern und von Eltern mit Migrationshintergrund. Die Erwartungen der Politik an diese kostenintensive Maßnahme waren hoch, aber das Ergebnis ist leider ernüchternd.
Wirft man einen Blick auf den Ländermonitor der Bertelsmann-Stiftung, zeigt sich, dass unser frühkindliches Bildungssystem bereits über 96 % der schleswig-holsteinischen Kinder erreicht und die Betreuungsquote durch die Beitragsfreiheit keine nennenswerte Erhöhung erfahren hat.
Meine Damen und Herren, wenn wir in Zeiten knapper Kassen wirklich erreichen wollen, dass Kinder beim Übergang in die Grundschule gleiche
Startchancen erhalten, muss das Geld dringend dort eingesetzt werden, wo es wirklich für unsere Kinder auch den effektiven Nutzen bringt.
Es ist sinnvoller, in die Verbesserung der Qualität zu investieren, als in das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr.
Schon im Februar wurden vom Minister für Bildung und Kultur zur Behebung des sozialpädagogischen Fachkräftemangels Sofortmaßnahmen auf den Weg gebracht, um eine kontinuierliche Qualitätssicherung der Kindertagesstätten zu gewährleisten. An den Fachschulen werden vom kommenden Schuljahr an neun zusätzliche Klassen und 13,5 Stellen eingerichtet. Außerdem werden in den Kitas die bisherige Gruppenstärke und der Personalschlüssel beibehalten.
Außerdem wollen wir die seit 2004 gedeckelte Kindergartengrundfinanzierung von 60 Millionen €, die seinerzeit unter rot-grüner Regierung beschlossen wurde, deutlich erhöhen.
Trotz enormen Spardrucks bleibt die frühkindliche Bildung weiterhin ein strategisches Schwergewicht dieser von der FDP mitgetragenen Landesregierung, die für eine fortschrittliche Politik steht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was für eine Debatte! - Die CDU sagt, auch im Bildungsbereich muss gespart werden. Die FDP sagt, im Bildungsbereich darf nicht gekürzt werden. Wir sind gespannt darauf, was am nächsten Mittwoch dabei herauskommen wird. Eines müssen wir feststellen:
- Dort sitzen vier Herren zusammen. Frau Loedige, es würde mich freuen, wenn Sie mit am Tisch sitzen dürften.
Das erste Sparsignal, das dabei herausgekommen ist, war, dass bei der Kindertagesbetreuung gekürzt werden soll. Warum haben Sie denn nicht angefangen, Straßenbau, Regionalflughäfen und Wirtschaftsförderung in den Vordergrund zu stellen?
Ich sage Ihnen: Wer derart plump versucht, im Bildungsbereich und bei der Zukunft unserer Kinder zu kürzen, der muss sich nicht wundern, wenn sich der geballte Protest vor dem Landeshaus sammelt.
Streuen Sie den Eltern keinen Sand in die Augen! Es war Ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das heute zum Elternbelastungsgesetz wird.
Als im Herbst 2008 das beitragsfreie Kindergartenjahr beschlossen wurde, war völlig klar: Schleswig-Holstein ist pleite, die Wirtschaftskrise droht, und die Schuldenbremse kommt. All das war klar, aber alle in diesem Haus haben ein Jahr vor der Wahl die Hand gehoben.
Ich sage Ihnen: Eltern brauchen Verlässlichkeit. Eltern dürfen nicht die Dummen sein, die vor der Wahl Geschenke bekommen, während die Politik nach der Wahl aufwacht und sagt: Huch, das habe ich gar nicht gewusst.