Das Gleiche gilt für die Idee einer Kompensation durch Beteiligung der Länder an der Mehrwertsteuer. Deren Mittel sind doch längst alle gebunden. Das würde unweigerlich zu einer Mehrwertsteuererhöhung führen, wie sie Kollege Kubicki ja auch schon bei „Was erlauben Strunz“ angekündigt hat. Das war immerhin ehrlich, Herr Kubicki.
Wieso aber nun ausgerechnet für die Gastwirte diese Steuer gesenkt wird, damit Unternehmer in die Hotels kommen, die die Steuer doch sowieso absetzen können, das soll mir einmal einer erklären. Das ist doch Lobbyismus und Flickschusterei! Solche Wirtschaftskompetenz ist Gastwirtschaftskompetenz.
Als Antwort darauf sollen „Kompensation“ und „fairer Ausgleich“ kommen. Sie hätten heute erklären können, welche Kompensationen das sein sollen. Eine weitere Betonstraße?
Durch die falsche Politik in Berlin gehen dem Land und den Kommunen 130 Millionen € flöten, und Sie reden von Kompensation und verteilen hier Beruhigungspillen. Das ist nicht Aufbruch, das ist Sand-in-die-Augen-schmeißen!
Sehr geehrte Damen und Herren - ich komme jetzt zu dem besinnlichen Teil, von Herrn von Boetticher; es tut mir leid, aber es muss einmal angemahnt werden -, Schleswig-Holstein war einmal ein Land des politischen Aufbruchs. Wir waren das Windland Nummer 1. Hier wurden Steuerkonzepte vorgedacht und Bildungspolitik erfunden. Eine Frau war Ministerpräsidentin, Kultur wurde gelebt.
Dennis Snower verlegt das Global Economic Symposium, das schleswig-holsteinische Davos, nach Istanbul. Die Leuchttürme werden abgewrackt. Fehlt nur noch, dass die Weinreben am Deich nicht anwachsen. Dann wäre Ihre Politik endgültig gescheitert.
Sehr geehrte Damen und Herren, Die Ausgangslage wäre für jede Regierung schwierig. Tatsächlich ist sie widersprüchlich, wenn man sie mit den Kriterien des alten Denkens versucht zu analysieren. Wir müssen investieren und sparen, wir müssen umsteuern und uns einschränken, und zwar ökologisch radikal. Und gleichzeitig müssen wir das Bruttosozialprodukt steigern.
Wir brauchen andere und bessere Bildung, und die Schulen ächzen unter Reformen. Das aber ist alles nicht neu, das war bekannt. Es war sozusagen die Stellenausschreibung für die Regierung in dieser 17. Legislatur. Wer sich für sie beworben hat, hätte doch mindestens eine Idee vom Umfang der Probleme haben müssen, ein paar Antworten in der Schublade.
Unsere sind - dass ich Ihnen die nicht schuldig bleibe -: Bildungssoli, Hochschullastenausgleich, Altschuldenfonds, Verwaltungsstrukturreform, Green New Deal und weg von Öl, Uran und Kohle.
Ja, wir brauchen einen neuen Aufbruch, einen neuen demokratischen Anlauf - wir werden ja noch über das Wahlrecht reden -, ein anderes Investitionskriterium, ein anderes Nachhaltigkeitsverständnis. Ja, wir brauchen auch wieder Umverteilung. Sie muss zwingend mit jedem Sparbeschluss einhergehen, damit die Gesellschaft nicht immer weiter gespalten wird.
Was wir nicht brauchen, ist eine weitere Aushöhlung des Gemeinwohls durch weitere Steuersenkungen. Ich spreche da - Sie haben es ja angemahnt sehr selbstkritisch aus rot-grüner Erfahrung. Steuersenkungen schaffen keinen Aufschwung. Das tun nur Investitionen, wie Herr von Boetticher richtig ausführte, und die muss sich die öffentliche Hand leisten können.
Für uns und mich beschränkt sich Opposition in diesem Parlament in dieser Grenzsituation des Landes Schleswig-Holstein nicht auf trotziges Nein-Sagen, sondern im Aufzeigen von alternativen Wegen. Deshalb möchte ich für meine Fraktion nochmals betonen, dass wir gern bereit sind, konstruktiv mitzuarbeiten, und dass wir mit unseren Anträgen heute, morgen und übermorgen genau das tun, Anträge, die auch gut aus Ihren Reihen hätten kommen können.
Es ist nicht so, dass wir uns vor Verantwortung drücken. Das haben wir nie getan. Im Finanzausschuss hat Monika Heinold für uns angeboten und beantragt, dass auch die Opposition an der angekündigten Haushaltsstrukturkommission beteiligt wird. Der Antrag wurde abgelehnt. Leider hat noch nicht einmal die Opposition geschlossen für ihn gestimmt. Auch das bedrückt mich.
Ich möchte dieses Angebot erneuern, auch für andere Politikbereiche: den Ausbau der erneuerbaren Energien, größere Autonomie von Schulen, Bildungsinvestitionen, richtige Wirtschaftsförderung, Haushaltskonsolidierung, Verwaltungsstrukturreformen.
Allerdings gilt das nur unter zwei Bedingungen: Erstens. Die Politik muss geleitet sein vom Bestreben, in einer auseinanderdriftenden Gesellschaft Zusammenhalt zu organisieren. Für einen Rückzug aus der Gemeinschaftsverantwortung dieser Gesellschaft werden wir nicht die Hand heben. Das Miteinander, der faire Ausgleich und die Verteilung der Lasten auf viele Schultern darf nicht der Priva
tisierung und Entsolidarisierung geopfert werden. Die bisher angedachten, beschlossenen oder umgesetzten Pläne zur Teilprivatisierung des UK S-H, die ÖPP-Träume oder manche Vorstellung, die sich hinter den Bildungsideen verstecken mag, die Kopfpauschalen in Gesundheit und Pflege, sie gehen in die falsche Richtung. Aber ich will versöhnlich schließen: Lieber Minister Garg, beim Kampf gegen Philip Rösler können Sie auf uns zählen.
Zweite Bedingung für eine konstruktive Mitarbeit unsererseits ist, dass es so etwas wie ein Konzept oder einen Plan geben muss, was wie getan wird. Genau den vorzustellen, wäre heute hier Ort und Zeit gewesen. Herr Carstensen, Sie haben Ihre Regierungserklärung und die Gunst der Stunde schlecht genutzt. Die letzte Regierung endete als Bettvorleger, die neue ist als solcher gestartet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktionen haben beschlossen, die Debatte über die Regierungserklärung vor der Mittagspause zu beenden. Dies bedeutet, dass die Debatte voraussichtlich bis 14:45 Uhr dauern wird, und dann wird bis 16 Uhr eine Mittagspause eingelegt werden.
Ich erteile nun das Wort der Abgeordneten Ellen Streitbörger, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, und weise darauf hin, dass es nach meiner Information ihre Jungfernrede ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin ja nun heute nicht die Erste, die ihre Gedanken zur Koalition des Aufbruchs, wie sie sich nennt, kundtut. Von außen betrachtet empfindet man diese Namensgebung vielleicht als mutig oder gar als vermessen, wenn man sich den Koalitionsvertrag betrachtet. Mutig insofern, als man sich viel Häme aussetzt bei einem derart hochtrabenden Titel, gemessen an den eher bescheidenen Inhalten. Aber diese Einschätzung trägt nur dann, wenn man von der üblichen Assoziation ausgeht, dass Aufbruch etwas in die Zukunft Gerichtetes wäre, wie zum Bei
spiel Aufbruch hin zu einem modernen und zukunftsfähigen Bildungssystem, oder Aufbruch hin zu einem Schleswig-Holstein der sozialen Gerechtigkeit, oder Aufbruch hin zu einer flächendeckenden Gesundheitsvorsorge mit allen Möglichkeiten der modernen Medizin, und das für alle.
So lese ich zwar in der Präambel des Koalitionsvertrags vom „Aufbruch in eine bessere Zukunft“ und „Wir sind Partner für eine bessere Zukunft“, aber was versteht die Koalition unter besserer Zukunft? In Wahrheit vertritt diese Regierung nur genau das, was wir von einer konservativ-neoliberalen Regierung auch erwartet haben, oder, besser formuliert, was wir befürchtet haben und wogegen wir gekämpft haben. Die Wählerinnen und Wähler haben mehrheitlich unsere Sorgen um die Zukunft Schleswig-Holsteins geteilt und haben dieser Regierung nicht die Mehrheit der Stimmen gegeben.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese Regierung nicht auf einer demokratischen Mehrheit der Wählerstimmen gegründet ist, sondern auf nur drei Stimmen, nämlich den beiden eigenen und der Stimme der Landeswahlleiterin im Landeswahlausschuss. Dadurch fehlt dieser Regierung in meinen Augen leider die demokratische Legitimation.
Das erklärt natürlich auch die Eile, mit der Koalitionsvertrag und Regierungsbildung durchgezogen wurden. Nur schnell Fakten schaffen, bevor jemand Einspruch einlegt. Die Hoffnung, dass Verfassungsrichter eine installierte Regierung nicht kippen werden, spielte dabei sicherlich auch eine große Rolle.
Dass unter dieser Eile die Qualität in mehrfacher Hinsicht gelitten hat, darüber sind sich auch alle Außenstehenden einig, egal ob sie aus den Oppositionsparteien, aus der Medienlandschaft oder aus der interessierten Öffentlichkeit kommen. Besonders befremdlich erscheint mir und offensichtlich nicht nur mir, sondern außer mir wahrscheinlich allen Frauen im Lande, dass es nur eine Frau in die Ministerriege geschafft hat.
Eines der großen und alle Wählerinnen und Wähler bewegenden Themen ist das Thema soziale Gerechtigkeit. Dieses Thema ist auch von der Regierung nicht völlig übersehen worden. Es taucht auf in der Leitlinie „Sozial ist, was Arbeit schafft“; wir haben das heute schon gehört. Jeder weiß, dass das in dieser Plattheit Unsinn ist. Jeder, der in einem oder
mehreren Minijobs arbeitet oder der in einem Vollzeitjob arbeitet und damit nicht einmal genug zum Leben verdient und zum Aufstocken gezwungen ist, kann bestätigen, dass diese Art Arbeitsplätze nichts mit „sozial“ oder „gerecht“ zu tun haben.
Die Regierung hat sich auch vorgenommen, für Gerechtigkeit zu sorgen, indem sie gleiche Startchancen für alle schaffen will. Wie naiv und weltfremd ist das denn? Wo sind denn in dieser Gesellschaft gleiche Startchancen für Kinder aus Hartz-IV-Familien oder Kinder aus Migrantenfamilien und Kindern aus Akademikerfamilien? Deutschkurse werden uns da nicht wirklich weiterhelfen.
Nun steht eine schwarz-gelbe Regierung in der öffentlichen Wahrnehmung für die versammelte Sachkompetenz in Fragen von Wirtschaft und Finanzen. Die spannende Frage ist nun - wir haben sie heute leider nicht beantwortet bekommen -: Wo konkret zeigt sich dieser Sachverstand bei unserer Landesregierung?
Sicherlich ist durch die Finanz- und Wirtschaftskrise mit fehlenden Steuereinnahmen und hohen Kosten durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig unvorstellbar hohen Krediten und Bürgschaften für Banken eine ganz schwierige Situation in Bund und Ländern entstanden. Die HSH Nordbank hat dadurch, dass sie im Wesentlichen frei von staatlicher Kontrolle agierte, das Ihre zur Verschlechterung der Finanzsituation in SchleswigHolstein beigetragen.
Wo sind also die Konzepte des schwarz-gelben Sachverstandes, um unser Land aus dieser schwierigen Situation zu führen? Da höre und lese ich nur vom Prinzip Hoffnung, Hoffnung auf Wirtschaftswachstum. Nur Wirtschaftswachstum kann Arbeitsplätze schaffen und Beschäftigung sichern und damit die Einnahmesituation des Landes verbessern. So lautet das Credo dieser Regierung.
Das Prinzip Hoffnung ist uns als Konzept aber zu wenig, zumal sogar unsere Bundeskanzlerin - das ist auch heute schon mehrfach zitiert worden - davor warnt, man müsse damit rechnen, dass die Situation am Arbeitsmarkt zunächst noch viel schlechter werden wird, bevor im nächsten Frühjahr vielleicht eine Tendenz zum Wirtschaftswachstum sichtbar werden könnte.
Unsere Landesregierung hat sich vorgenommen, deutschlandweit die wirtschaftsfreundlichsten Rahmenbedingungen zu schaffen, um das nötige Wachstum zu generieren. Da wirtschaftsfreundlich