Sie wollen es nicht hier, und sie wollen es nicht anderswo in Deutschland. Gerade weil wir uns in Schleswig-Holstein so intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt haben, hat unsere Landesregierung nun eine besondere Verpflichtung, dafür zu kämpfen, dass in ganz Deutschland
Denn es geht nicht um Verhinderungspolitik nach dem Sankt-Florians-Prinzip. Die protestierenden Bürgerinnen und Bürger sind Mitstreiter für eine moderne Energiepolitik. Sie sind nicht nur gegen die Verlängerung der Kohlekraft, sondern für die Ausweitung neuer Energieformen.
Die Kreativität und das Engagement dieser Menschen sind ein Gewinn für unser Land. Die Bürgerbewegung könnte das Fundament für eine Vorreiterrolle Schleswig-Holsteins in der Energie- und Klimapolitik sein. Die schwarz-gelbe Koalition hat in diesem Bereich alles andere als einen Aufbruch vor. Zum Klimaschutz fallen CDU und FDP nur ein, dass der Aktionsplan Klimaschutz weitergeführt wird und dass eine Modellregion zur dezentralen Energieversorgung gefördert werden soll. Wer sich im Jahr 2009 Koalition des Aufbruchs nennt und dürre drei Sätze zur Klimapolitik findet, der hat entweder die Zeichen der Zeit verpennt, oder er gibt anderen Interessen den Vorrang.
Nicht nur in der Energiepolitik, auch im Umweltbereich werden CDU und FDP in der Praxis ihrem Image als Parteien gerecht werden, die im Zweifel wirtschaftliche Interessen bevorzugt bedienen. Wir hören zwar die weihevollen Worte des Ministerpräsidenten zur Bewahrung der Schöpfung, und auch die entsprechenden Passagen im Koalitionsvertrag klingen wohlfeil. Allein, angesichts der bisherigen Erfahrungen und angesichts des Mangels an konkreten Zielen fehlt uns hier der Glaube.
Der jüngste Bericht zum Artensterben hat deutlich gemacht, dass dringend gehandelt werden muss. Unser Vertrauen in die Umsetzung dessen, was wir gerade gehört haben, ist aber noch schwächer als die Population der Feldhamster in Schleswig-Holstein.
Eine andere Frage der Gewichtung bereitet mir bei dieser Koalition besonders große Sorgen. In Zukunft soll nur noch das finanziert werden, was dem Land und der Wirtschaft nachhaltig nützt, wie der Ministerpräsident es vor den Wirtschaftsvertretern in Berlin formulierte. Heute haben wir es gehört: Die wesentlichen Prioritäten liegen bei Bildung und Wirtschaftsförderung. Alles andere steht zur Disposition.
Wir stimmen völlig darin überein, dass Bildung, Arbeitsplätze und Wachstum die zentralen Zukunftsthemen sind. Das heißt aber nicht, dass alles andere vernachlässigt werden kann. Der Koalitionsvertrag und die Regierungserklärung erwecken den Eindruck, dass die Koalition das wirtschaftspolitische Konzept der Leuchtturmprojekte auf die gesamte Gesellschaft übertragen will und dass man sich voll und ganz auf einige wenige Bereiche konzentrieren kann, den Rest liegen lassen kann und so allen hilft. Dabei wird mutwillig übersehen, dass wir auch Menschen in unserem Land haben, denen nicht durch Bildung und Wirtschaftsförderung geholfen ist. Peter Harry Carstensen ist nicht nur der Ministerpräsident der Wirtschaft in Schleswig-Holstein. Peter Harry Carstensen ist auch der Ministerpräsident jener Menschen, die nicht mehr die Chance haben, eine gute grundständige Bildung zu bekommen oder einen auskömmlichen Arbeitsplatz zu finden. Er ist auch Landesvater der HIV-Positiven, der Obdachlosen, der Drogenabhängigen oder der psychisch Kranken, um nur einige der Schwächsten in unserer Gemeinschaft zu nennen. Sie haben nichts davon, dass die CDU und die FDP dafür kämpfen, dass sie „in Freiheit und Eigenverantwortung ohne Bevormundung leben können“. Sie brauchen unsere Solidarität und unsere Unterstützung.
Eine Sozialpolitik der Chancen, die durch Bildung und durch mehr Arbeitsplätze Perspektiven und soziale Aufstiegsmöglichkeiten eröffnet, erreicht
nicht alle Menschen, die Hilfe benötigen. Deshalb muss es auch weiterhin eine Politik geben, die sich um die anderen in unserer Gesellschaft kümmert. Alles andere wäre unsolidarisch. Ebenso wäre es auch extrem unsozial, die sozialen Hilfen, die in unserem Land nun einmal vielfach von Dritten erbracht werden, durch Projektförderung auf ein wackeliges, unstetes Fundament zu stellen oder gar der Selbsthilfe zu überlassen.
Viele der vom Land geförderten Aufgaben oder Angebote, die jetzt infrage gestellt werden, brauchen wir dauerhaft. Deshalb bereitet es uns allergrößte Sorgen, wenn der Ministerpräsident den Unternehmern verspricht: Abgesehen von dem, was sie brauchen, wird alles andere auf den Prüfstand gestellt. Das nährt unsere Befürchtung, dass Schwarz-Gelb in Ermangelung eines Konzepts zu Kürzungen mit dem Rasenmäher quer durch Gesellschaft und soziale Hilfen ansetzt. Ich bin mir sicher, dass eine solche soziale Kälte den Urhebern derart eisig zurück ins Gesicht wehen wird, dass auch die Koalition brüchig wird. Wir werden auf jeden Fall das Unserige dafür tun, und ich bin mir sicher, dass wir in der Opposition engagierte Mitstreiter finden.
(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der verkorksten letzten Wahlperiode hätten diese Koalitionsbildung und dieser Koalitionsvertrag sowie diese Regierungserklärung eigentlich ein fulminanter Neustart werden müssen. Dass dem nicht so ist, liegt vor allem an den Altlasten der CDU. Die Probleme der Großen Koalition waren eben nicht nur die Probleme der Union mit der SPD und ihrem Landesvorsitzenden. Den heutigen Versuch Peter Harry Carstensens, sich selbst als Turbo und Ralf Stegner als Bremse darzustellen, kauft ihm niemand ab.
Die CDU hat seit 2005 ebenso versagt und dafür bei der Landtagswahl auch die Quittung bekommen. Der Ministerpräsident und seine Mannschaft tragen eine große Verantwortung für das Scheitern seiner ersten Regierung. Die Unfähigkeit, dieses aufzuarbeiten und die Konsequenzen daraus zu zie
hen, hat die Flitterwochen von CDU und FDP zu einem eher unspektakulären Ereignis gemacht, das nicht nur politisch, sondern auch personell nichts mit der versprochenen Koalition des Aufbruchs zu tun hat.
Die neuen politischen Impulse und die neuen Köpfe kommen nahezu ausschließlich von der FDP. Erst nach langem Hickhack und nach öffentlichem Druck gelang es der Koalition, noch eine einzige Ministerin zu finden. Das ist und bleibt ein Armutszeugnis sondergleichen.
Vieles wird davon abhängen, ob die CDU es schafft, das kulturelle Erbe der Großen Koalition abzustreifen. Wenn die Arroganz der Macht weiterhin waltet, dann wird es schwierig. Wenn diese Landesregierung es aber lernt, die Opposition ernst zu nehmen und einen starken Landtag als Bereicherung zu sehen, dann hat dieses Bündnis durchaus eine Chance, neue Wege zu gehen und auch jenseits der Koalition sachbezogen für Mehrheiten zu werben. Das wäre wirklich mutig.
Der SSW steht für eine solche konstruktive Zusammenarbeit von Fall zu Fall bereit. Wir werden kritische Oppositionsarbeit leisten, uns aber nicht verschließen. Wir werden zuhören und unsere eigenen Argumente vortragen. Wenn diese gehört werden, dann werden wir auch Entscheidungen der Mehrheit mit unseren Stimmen mittragen. Das ist gute SSW-Tradition, und das bleibt so. In diesem Sinne hoffe ich auf eine gute Zusammenarbeit mit allen in diesem Hause.
Erst einmal muss die Koalition aber den Beweis antreten, dass sie all das in überzeugende Konzepte gießen kann, was der Ministerpräsident heute angekündigt und versprochen hat. Wenn der Alltag beginnt und die verdrängten Konflikte zu Tage treten, dann wird sich zeigen, ob beide Partner wirklich dasselbe gemeint haben, als sie in Sektlaune den Koalitionsvertrag verfassten. Die gemeinsame Regierungsgrundlage ist in den entscheidenden Konfliktthemen vage und ohne politischen Tiefgang formuliert. Nur so war eine schnelle Einigkeit möglich.
Der Konflikt über die Deutungshoheit des Koalitionsvertrags, der in Berlin schon zwischen der CDU und der FDP entbrannt ist, steht uns noch bevor. Auch in Schleswig-Holstein bleibt die Koalition
den Nachweis schuldig, dass sie sich bei den wichtigen Zukunftsthemen wirklich auf konkrete Konzepte und Maßnahmen verständigen kann. Dass CDU und FDP damit seit der Verabschiedung des Koalitionsvertrages keinen Millimeter weitergekommen sind, hat die Regierungserklärung von Peter Harry Carstensen heute jedenfalls eindrucksvoll belegt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit erkläre ich den Tagesordnungspunkt Regierungserklärung für erledigt. Bevor ich zu einem weiteren Tagesordnungspunkt, Tagesordnungspunkt 6, erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes, komme, bitte ich, dass wir gemeinsam auf der Tribüne unsere Besucherinnen und Besucher begrüßen. Es sind Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis Pinneberg Nord. Herzlich willkommen!
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 17/42 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, der, soweit ich informiert bin, morgen Mittag tagen wird. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Damit ist die erste Lesung beendet und die Überweisung einstimmig beschlossen.
Mir wurde eben gesagt, dass sich die Fraktionen, weil wir in der Zeit ein bisschen fortgeschritten sind, darauf verständigt haben, dass die Tagesordnungspunkte 17, Schließung von Bundesbankfilialen in Schleswig-Holstein, und 19, Keine Landesmittel für den Ausbau des Flughafens Lübeck-Blankensee, heute nicht mehr aufgerufen werden, sondern morgen nach Tagesordnungspunkt 2. Ich bitte alle, dass Sie sich darauf einstellen, und unterbreche die Sitzung jetzt bis 16 Uhr. Um 16 Uhr fahren
Meine Damen und Herren! Wir setzen unsere Sitzung fort. Ich möchte zu Beginn zunächst die Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Marlene Löhr, begrüßen. - Herzlich willkommen!