Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

Darüber hinausgehende Vorschläge können wir gerne im Ausschuss diskutieren. Ich beantrage für die CDU-Fraktion, die vorliegenden Anträge in den Bildungsausschuss zu überweisen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat jetzt für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Martin Habersaat. Ich ergänze gern: Auch dies ist die Jungfernrede.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Zuruf: Mikrofon!)

- Die Zeit läuft hier schon!

(Heiterkeit)

Die kriegen Sie nachher obendrauf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was wir hier eben erlebt haben, ist teilweise symptoma

(Heike Franzen)

tisch für die Debatte, die wir gerade führen. Deswegen möchte ich das gern noch einmal kurz verdeutlichen.

Der Abgeordnete Andresen stellt im Namen der Fraktion der Grünen berüchtigte Forderungen aus der Perspektive von Schülern und Studenten, und die CDU stellt sich hier hin und sagt: Das ist ja toll, dass sich junge Leute engagieren, herzlichen Glückwunsch. Dann wird die Welt erklärt, ohne dass irgendwie auf die Forderung eingegangen wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das ist genau das, was die Schüler und Studenten gerade draußen, auch mir, vorgeworfen haben für den Umgang mit der Politik.

80.000 Schülerinnen und Schüler und Studierende waren gestern auf der Straße. Heute in Kiel, so hat es mir die Polizei erzählt, waren es zunächst 4.000, mit zunehmendem Regen dann ein paar weniger. Aber die stehen ja nicht ohne Grund auf der Straße. Die stehen da - das müssen wir auch selbstkritisch einräumen -, weil sie bisher keine oder zumindest nicht genug konkrete Reaktionen auf ihre Aktion wahrnehmen konnten.

Hier - das kann ich nur wiederholen - passiert das Gleiche. Gestern aus allen Fraktionen, auch von mir, wohlfeile Grußadressen an die Studenten, Solidaritätsbekundungen, alle stimmen irgendwie zu. Und nun?

Der Herr Ministerpräsident sagt: Ja, es gibt Fehler im System. Und nun?

(Heike Franzen [CDU]: Sie vergleichen Äp- fel mit Birnen!)

Wir halten nicht jede Forderung, die bei dieser Aktion erhoben wird, für richtig, aber wir unterstützen es, dass die Studierenden und Schüler für ihre Interessen aktiv werden. An dieser Stelle will ich nur mal sagen: Größere Probleme haben wir mit denen, die das nicht mehr tun. Auch solche wurden ja in den letzten Tagen an Schulen und an Universitäten reichlich interviewt, die sagten: Wir wollen lieber studieren und setzen uns nicht mehr ein. Das führt in eine Richtung, die über kurz oder lang betrüblicher wäre.

(Beifall bei der SPD)

Schleswig-Holstein ist übrigens unter der Verantwortung von vier sozialdemokratischen Kultusministerinnen bundesweit ein Vorreiter der Mitbe

stimmungsrechte auf allen Ebenen, gerade auch im Bildungssystem, geworden.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, ich hatte mich schon gefragt, ob Sie bei meiner Jungfernrede darauf verzichten oder ob Sie bei mir auch schon das Koreferat simultan halten. Ich beglückwünsche Sie zu der Schnelligkeit, mit der Ihnen das gelingt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Es gibt in unserem Land starke Schülerinnen- und Schülervertretungen auf Landes-, Kreisund Schulebene. Es gibt Schülervertreter im Landesschulbeirat. Über die Drittelparität haben wir eben schon gesprochen.

Anders als in mehreren unionsgeführten Bundesländern wurde in Schleswig-Holstein die Existenz der verfassten Studierendenschaft mit weitgehenden Kompetenzen nie infrage gestellt, einschließlich der Beitragshoheit. Auch die Vertretung der Studierenden in den Kollegialorganen geht sehr weit.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Jetzt wird die Welt erklärt! - Heiterkeit bei der CDU)

Hoffen wir, dass es so bleibt.

(Werner Kalinka [CDU]: Wissen Sie eigent- lich, wer das Selbstbestimmungsrecht einge- führt hat?)

- Das können Sie mir hinterher erklären.

Was wir nicht wollen - das lassen Sie mich an dieser Stelle sagen -, sind Experimentierklauseln, die es den Hochschulen freistellen würden, unter dem Deckmantel einer effizienten Verwaltung mit schnellen Entscheidungen Mitbestimmungsregelungen außer Kraft zu setzen. Das gilt nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die wissenschaftlichen und nicht wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Mit Recht betont der Antrag der Grünen, dass gesellschaftliches Engagement auch zeitintensiv ist. Die Studienorganisation nach Bologna hat die Möglichkeiten für eine längerfristige Arbeit im AStA sicher erschwert. Hier wäre eine Bestandsaufnahme hilfreich, mit der wir aus dem Bildungsausschuss heraus bei den Studierendenvertretungen abfragen und erörtern, wie die Lage aussieht und wie sie gegebenenfalls so modifiziert werden kann, dass sich die Möglichkeit Engagement nicht

(Martin Habersaat)

am Geldbeutel der Eltern oder an großzügigen Stipendien ablesen lässt.

Einige weitere Fragen sollten wir sorgfältig klären. Sehen wir Bildung primär als ökonomisches Gut oder als Menschenrecht? Sind übervolle Stundenpläne an unseren Schulen und starre Stundenpläne an den Universitäten wirklich das, was wir uns wünschen? Reicht ein Bachelorabschluss heutiger Prägung, wenn man damit weder weiter studieren noch einen Job finden kann? Und falls nein - davon gehe ich aus -, wie entwickeln wir diesen Abschluss mit Studierenden und Lehrenden weiter? Letztlich stellt sich aber auch die Frage: Warum werfen die Grünen die finanziell eigentlich gut ausgestatteten ASten in ihrem Antrag mit den Schülervertretungen in einen Topf?

Darüber und über die Möglichkeit, gemeinsame Formulierungen zu finden, würde ich gern im Bildungsausschuss weiter reden. Deshalb beantragen auch wir die Überweisung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei CDU, FDP und SSW)

Das Wort hat jetzt für die FDP-Fraktion Frau Abgeordnete Christina Musculus-Stahnke. Auch das ist eine Jungfernrede.

(Beifall bei FDP und CDU)

Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern an Schulen und von Studentinnen und Studenten an Hochschulen ist auch für die FDP ein hohes Gut. Die Überweisung in den Ausschuss ist bereits beantragt worden..Dazu kann ich sagen, wir sind ergebnisoffen für eine Debatte im Ausschuss, in welchen Punkten wir die Mitbestimmung an den Schulen und Hochschulen verbessern können.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns ist auch bewusst, dass insbesondere die Schülerinnen und Schüler nach den Jahren der Führung des Bildungsministeriums durch die SPD dem Ministerium gegenüber ein gewisses Misstrauen entwickelt haben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Dort ist einfach zu oft und zu schlicht aus dem Ministerbüro direkt in die Schulen „durchregiert“ worden. Sie werden einen ganz anderen offenen, vertrauensvollen Stil unter dem liberalen Bildungsminister Dr. Klug erleben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Und wo es Vertrauen in die Verhandlungspartner gibt, da werden die Rufe nach zwingend mehr Mitbestimmung dann auch etwas leiser werden.

Ich bin bei beiden vorgelegten Anträgen - insbesondere nach eifrigem Durchlesen der Begründung nicht sicher, ob Sie durch die Anträge wirklich die Ziele erreichen, die Sie laut Begründung vorgeben erreichen zu wollen. In der Begründung ist nicht umsonst Ziel beider Anträge, unter anderem dem Prüfungsstress zu begegnen, der durch die Verkürzung der Schulzeit an den Schulen entstanden ist.

Auch wir kennen die Proteste aus den Universitäten. Auch uns sind die Schwierigkeiten bekannt, die manche Studentinnen und Studenten mit der Einführung von Bachelor und Master sowie den damit verkürzten Studienzeiten haben. Uns sind ebenfalls die Schwierigkeiten bekannt, die mit der Umsetzung von G8 an den Gymnasien in der Schülerschaft eingetreten sind. Deshalb haben wir ja im Koalitionsvertrag - und darauf hat der Ministerpräsident heute in seiner Regierungserklärung bereits hingewiesen - vereinbart, dass CDU und FDP den Gymnasien die Wahlfreiheit zwischen verkürzter Schulzeit, G8, und einem neunjährigen gymnasialen Bildungsgang einräumen oder auch eine Kombination beider Modelle ermöglichen werden.

(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Gibt es nicht noch ein paar mehr Möglichkeiten?)

Deshalb werden wir als Koalition gemeinsam mit den Hochschulen darauf hinwirken, dass die zum Teil in massivem Widerspruch zu diesen Zielen stehenden Probleme bei der Einführung der zweistufigen Studienstruktur möglichst rasch beseitigt werden.