Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

Die zweite wichtige Säule der präventiven Sozialpolitik ist die Bildung. Ich freue mich, dass mit dem neuen Bildungsminister Dr. Ekkehard Klug ein Mann in das Bildungsministerium eingezogen ist, der dafür sorgen wird, dass Bildungspolitik ein zentrales Anliegen dieser Regierung wird. Herr Dr. Stegner, vielleicht erweitern Sie einmal Ihren Horizont und fragen in den Schulen bei den Lehrerinnen und Lehrern nach. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Lehrerinnen und Lehrer das, was wir beschlossen haben, begrüßt haben, nämlich die größere pädagogische Freiheit, die ihnen unter Ihrer Führung versagt worden ist.

(Beifall bei FDP und CDU)

Bildung ist die Schlüsselqualifikation für ein selbstbestimmtes Leben und für gesellschaftliche Anerkennung. Doch Bildung ist nicht nur für die Lebenschancen jedes Einzelnen von überragender Bedeutung. Sie ist auch für die Zukunft unseres Landes und für die Sicherung unseres Wohlstandes von elementarer Bedeutung. Entscheidend ist, dass die Bildungspolitik so früh es irgend geht ansetzt, denn für die Bildungschancen junger Menschen werden bereits im Vorschulalter wesentliche Grundlagen geschaffen. CDU und FDP werden den Bildungsauftrag der Kindergärten stärken, aber ebenso den Ausbau der Tagesbetreuung. Der Ausbau der Ganztagsangebote ist eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung der Bildungschancen gerade auch von Kindern und Jugendlichen in sozial schwieriger Umgebung. Von daher ist es ein gutes Signal für Schleswig-Holstein, dass das Bundesprogramm zur Unterstützung von Ganztagsschulen um fünf Jahre verlängert wird und dass damit auch die Arbeit der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ in unserem Land fortgeführt werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang kurz auf die Bemerkungen des Herrn Dr. Stegner zu den Äußerungen des Justizministers im Innen- und Rechtsausschuss eingehen, der auch für Gleichstellung zuständig ist. Es wird das letzte Mal sein, dass ich das tue. Ich fand Ihre Anmerkungen stillos, Herr Dr. Stegner. Ich würde sagen, Sie müssen selbst darüber nachdenken, ob dies der richtige Umgang mit einem Minister ist, der nicht aus der Politik kommt, sondern dieses Amt bei seinem ersten Auftritt in einem Ausschuss aus seiner Fachkenntnis heraus ausübt.

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall bei FDP und CDU)

Was ich unerträglich finde und was Ihre frauenfeindliche Grundhaltung dokumentiert, ist die Tatsache, dass Sie die Erhöhung der Fördermöglichkeit für Frauen, die Ihre Kinder zu Hause erziehen und erziehen wollen, als „Herdprämie“ titulieren und diese Frauen dadurch in einer Art und Weise abqualifizieren, die ich für unverschämt halte.

(Beifall bei FDP und CDU)

Zu einer modernen Familienpolitik gehört es, dass Frauen selbst entscheiden können, wie sie ihre Kinder erziehen wollen, ob sie ihre Kinder in Kindertagesstätten bringen wollen oder zu Hause erziehen wollen. Das ist auch eine Frage der Akzeptanz dieser Entscheidung von Frauen, die sie eigenverantwortlich treffen.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es besteht heute für alle die Möglichkeit, Kinder in Kindertagesstätten unterzubringen, aber es entscheiden sich Familien teilweise ganz bewusst dafür, Kinder anders zu erziehen, als Sie sich das vielleicht vorstellen können, Frau Fritzen. Unterhalten Sie sich doch einmal mit Frauen, die nicht Ihrer Auffassung sind. Es gibt dankenswerterweise auch andere Frauen. Wir haben übrigens im Verhältnis mehr Frauen in unserer Fraktion als die SPD. Das sind Frauen, die sich anders entscheiden, als Sie es sich vorstellen können.

(Beifall bei FDP und CDU)

Zu diesem Alleinvertretungsanspruch, dass Sie sagen, was Frauen denken, werden Ihnen unsere Frauen noch einmal sagen, dass sie das für unverschämt halten.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber Sie wissen das?)

- Ich weiß nicht, wie Frauen denken. Ich weiß gelegentlich, wie sie fühlen, aber ich weiß nicht, wie sie denken.

Ich weiß nicht, wie Frauen denken, aber Sie können gern die Frauen aus unserer Fraktion fragen. Sie werden Sie darüber aufklären, was sie denken. Das unterscheidet sich mit Sicherheit deutlich von dem, was die Frauen bei Ihnen denken. Übrigens unterscheidet sich auch das, was ich denke, von dem, was Sie denken.

Auch für die Studentinnen und Studenten haben CDU und FDP im Koalitionsvertrag das geschafft, was Rot-Schwarz nicht geschafft hat. Beide Koalitionäre haben sich eindeutig und unmissverständ

lich gegen die Erhebung von Studiengebühren ausgesprochen. Damit schafft die FDP in Regierungsverantwortung endlich das, was der SPD nicht gelungen ist.

(Beifall bei der FDP)

Auch im Bereich der inneren Sicherheit gelingt der Koalition ein gewaltiger Sprung nach vorn. Ich bin sehr fasziniert davon, wie der größte Verfassungsbrecher, den dieses Parlament je erlebt hat, der ehemalige Innenminister Stegner, heute zu einem Bewahrer von Bürgerrechten wird. Das ist eine Mutation in Lichtgeschwindigkeit. CDU und FDP orientieren sich eindeutig am Schutz der Grundrechte und der Freiheit des Einzelnen. Zugleich sind sich die Koalitionäre bewusst, dass Sicherheit eine wichtige Voraussetzung für die Lebensqualität in unserem Land ist. Klar ist: Die Bewahrung der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger gelingt durch eine professionell gestaltete Sicherheitsstruktur. Nur im erfolgreichen Zusammenspiel von Prävention und Repression kann innere Sicherheit gedeihen.

CDU und FDP garantieren eine moderne, an den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen orientierte Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz. Online-Durchsuchungen wird es mit dieser Koalition ebenso wenig geben wie eine Vorratsdatenspeicherung - Herr Kollege Stegner, hören Sie gut zu -, stattdessen werden wir den Datenschutz stärken.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir haben uns zudem darauf verständigt, - ich zitiere -:

„CDU und FDP werden eine gute personelle und sächliche Ausstattung der Sicherheitsbehörden gewährleisten. Sie hat grundsätzlich Vorrang vor der Erweiterung rechtlicher Eingriffsbefugnisse der Ermittlungsbehörden.“

Vor diesem Hintergrund halte ich Diskussionen über Strafrechtsverschärfungen für obsolet. CDU und FDP haben sich darüber hinaus darauf geeinigt, dass der Täter-Opfer-Ausgleich Vorrang vor der Jugendstrafe haben soll und dass eine Anhebung der Jugendhöchststrafe und eine Absenkung der Strafmündigkeit abgelehnt werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt beim SSW)

Ich bin froh, dass Justizminister Emil Schmalfuß der persönliche Garant für eine liberale und zugleich effiziente Rechtspolitik ist. An dieser Stelle möchte ich zugleich dem neuen Justizminister zu

(Wolfgang Kubicki)

seiner ersten Entscheidung gratulieren, die Blutprobenentnahme verfassungsrechtlich korrekt zu regeln. Die Polizei muss zunächst versuchen, eine richterliche Anordnung einzuholen. Kann sie innerhalb von 20 Minuten den zuständigen Richter nicht erreichen, dann kann sie nach den Grundsätzen der Gefahr im Verzug die Anordnung selbst treffen.

Diese Entscheidung zeigt, dass die neue Hausspitze im Justizministerium nicht nur mit einem ausgewiesenen und akzeptierten Fachmann besetzt ist, sondern auch willens ist, schnelle und pragmatische Lösungswege zu beschreiten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, CDU und FDP haben sich vorgenommen, mit dieser Regierung einen Aufbruch in eine bessere Zukunft zu beschreiten. Jetzt kommt es darauf an, den Koalitionsvertrag mit Leben zu füllen und die beschlossenen Maßnahmen gemeinsam auf den Weg zu bringen. Die heutige Regierungserklärung des Ministerpräsidenten hat deutlich unter Beweis gestellt, dass die CDU-FDP-Regierung willens und in der Lage ist, die gewaltigen Herausforderungen anzupacken. Lieber Herr Ministerpräsident, wir können sagen: Uns trägt eine sehr andere persönliche und emotionale Ebene, als sie mit Herrn Stegner - so denke ich - überhaupt möglich wäre.

Wir wollen weder die Erwartungen der politischen Mitkonkurrenten erfüllen noch die Forderungen von Medienvertretern. Wir sind ausschließlich den Menschen unseres Landes verpflichtet. Wir werden verlässlich sein und hart dafür arbeiten, dass die Bürgerinnen und Bürger dieser Koalition des Aufbruchs vertrauen können. Wir sind Partner für eine bessere Zukunft Schleswig-Holsteins.

(Anhaltender Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat nun der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Abgeordneter Dr. Robert Habeck.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, und - vor allem - liebe über 3.500 Schülerinnen, Schüler und Studentinnen und Studenten, die vor dem Haus stehen! Wir sehen sie nicht, aber sie sind da. - Willkommen!

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Die Bannmeile wurde erweitert! Sie sind weiter weg!)

- Sie sind weiter weg? - Okay. Ich muss jetzt aber fortfahren, sonst begrenzen Sie auch noch meine Bannmeile. Ich gebe zu, das zieht sich etwas hin. Vielleicht muss man aber das Sitzfleisch haben, denn es zieht sich teilweise auch wegen der Inhaltsleere hin, die wir bis jetzt erlebt haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Noch habe ich die Hoffnung auf anderes nicht aufgegeben. Einige sitzen seit 1992 im Parlament. Für mich ist es das erste Mal, dass ich hier stehen darf und muss. Ich habe die Hoffnung, dass die kritische Kraft des Arguments durchkommt. Deshalb möchte ich mit zwei Richtigstellungen beginnen. Herr Kubicki, wenn ich das richtig im Kopf habe, dann ist Frau von der Leyen die größte Gegnerin dessen, was Herr Stegner „Herdprämie“ genannt hat. Sie sollten also einmal im schwarz-gelben Lager klären, wie Sie damit umgehen wollen.

Die zweite Richtigstellung: Herr Carstensen, ich freue mich ausdrücklich darüber, dass Sie den Klimaschutz erwähnt haben. In Ihrem Koalitionsvertrag wurde Klimapolitik ja noch weitgehend mit dem Investitionsklima gleichgesetzt. Heute hat Klimapolitik ein bisschen mehr Raum gefunden, bevor sie dann als Küstenschutz abgebogen wurde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dass wir jedoch Kohlekraftwerke benötigen, wie heute wieder behauptet wurde, ist so wenig wahr wie die Behauptung, dass Atomkraftwerke CO2-frei sind. Genau das Gegenteil ist der Fall. Bei der Urananreicherung und der Endlagerung entsteht eine Unmenge davon. 126 g CO2 setzt ein AKW für jede Kilowattstunde frei. Das ist noch mehr als ein Gaskraftwerk, bei dem die Wärme genutzt wird. Das ist fünfmal so viel, wie eine Kilowattstunde Windstrom freisetzt.

Wir haben heute gehört, dass Atomstrom Ökostrom ist. Das ist faktisch falsch. Atomstrom ist auch nicht billig, wie Sie es sagten, Herr Carstensen. Die Subventionen für die AKWs belaufen sich auf die astronomische Summe von inzwischen 100 Milliarden €. AKWs sind die reinsten Gelddruckmaschinen für die Großkonzerne. 1 Million € Gewinn wirft ein abgeschriebenes AKW, wie wir einige davon hier in Schleswig-Holstein haben, ab, und zwar pro Tag. Da nützt es nichts, die Vorratsflächen für Windenergie nur auszuweiten, denn

(Wolfgang Kubicki)

die Großkonzerne verhindern schon jetzt den Netzausbau. Die ErzMan-2-Regelung sorgt dafür, dass Windanlagen sich gegenseitig kannibalisieren. Wir brauchen keine wohlfeilen Erklärungen. Wir brauchen ein Erdkabelgesetz. Wir brauchen Speichermöglichkeiten vom Viking-Cable nach Norwegen über Punktkraftspeicherwerke hier im Land.

Wir brauchen den Ausstieg aus Kohle und Atom, wenn nicht aus ökologischer Verantwortung, dann doch aus ökonomischer Erkenntnis.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Alternative ist einfach. Sie heißt: Kommunale Wertschöpfung hier im Land oder Dividendensteigerungen in München. Sie, Herr Ministerpräsident, als schleswig-holsteinischer Patriot entscheiden sich für München.

Erneuerbare Energien und Großkraftwerkstechnologien passen nicht zusammen, auch technisch nicht. Es sind keine parallelen Pfade, die sich irgendwie ergänzen, wie Sie uns einreden wollen. Das eine ist eine Sackgasse, und es ist Zeit, dass wir sie verlassen.

Deshalb ist dieser Aufbruch wirtschaftspolitisch eigentlich ein Steckenbleiben im Sumpf aus Vorurteilen und alten Ideologismen. Herr von Boetticher, Sie haben gesagt, Sie wollten es so machen wie Baden-Württemberg und Bayern in den 70er- und 80er-Jahren. - Das wäre falsch und das Schlimmste, was wir tun können.