Protokoll der Sitzung vom 08.07.2010

Wir haben diese Offensive im Koalitionsvertrag vereinbart. Sie soll nicht nur dazu dienen, kurzfristiges Wirtschaftswachstum zu fördern. Die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit unseres Landes soll dadurch mittel- bis langfristig verbessert werden. Die fünf Schwerpunkte sind aus unserer Sicht absolut richtig gewählt worden. Die 66 aufgeführten Maßnahmen, die als viele kleinere und größere Teilprojekte Bestandteil der Offensive sind, stehen gerade in Zeiten der Haushaltskonsolidierung für eine verlässliche und zielgenaue Wirtschaftspolitik.

Der Etat des Wirtschaftsministeriums wird im Rahmen der Konsolidierungsmaßnahmen natürlich auch einen erheblichen Beitrag leisten müssen. Das wissen Sie. Auch die einzelbetriebliche Förderung wird in weiten Teilen des Landes komplett abgeschafft. Das ist aus unserer Sicht auch wenig tragisch. Wir sind der Meinung, Wettbewerbfähigkeit ist in der Wirtschaftspolitik eigentlich das Wichtigste.

(Zuruf von Heinz-Werner Jezewski [DIE LINKE])

- Herr Kollege, Sie müssen auch eines sehen. Es gibt noch einige Bereiche in unserem Land, in de

(Regina Poersch)

nen es weiterhin einzelbetriebliche Förderung gibt. Das ist der Unterschied zwischen C- und D-Fördergebieten. Das sollten Sie sich einmal genauer anschauen.

(Zuruf von Heinz-Werner Jezewski [DIE LINKE])

In vielen Bereichen unseres Landes wird es diese aber nicht mehr geben. Das halten wir für konsequent. In strukturschwachen Regionen unseres Landes wird es diese Fördergebiete weiterhin geben.

Wir halten das für wenig problematisch und setzen uns dafür ein, dass das Subventionsgefälle zwischen den Bundesländern gerade im norddeutschen Raum in den nächsten Jahren abgebaut wird. Im Jahr 2013 wird die massive Förderung durch EUGelder in den neuen Bundesländern voraussichtlich auslaufen. Wir sehen das als Chance dafür, dass man im norddeutschen Raum versucht, das Gefälle zwischen den Bundesländern abzubauen. Die wirtschaftspolitische Aufgabe unseres Landes ist es vor allem, für geeignete Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu sorgen. Erfreulicherweise möchte auch die SPD faire Wettbewerbsbedingungen. Frau Kollegin Poersch, das freut mich. Das war neu für mich.

Wir brauchen zielgerichtete Bildungsangebote, eine geeignete Infrastruktur sowie sinnvolle Finanzierungs- und Beratungsangebote. Diese sind zum Glück Teil der Mittelstandsoffensive. Das freut uns sehr.

Es wurde schon angesprochen, dass einige der aufgeführten Maßnahmen bereits angegangen beziehungsweise umgesetzt wurden. Die Mittelstandsoffensive dient vor allem dazu, die zahlreichen wirtschaftspolitischen Maßnahmen zusammenzufassen, zu evaluieren, aufeinander abzustimmen und fortzuschreiben. Sie soll nicht das Ende sein.

Besonders hervorzuheben ist neben der notwendigen ressortübergreifenden Zusammenarbeit auch die Zusammenarbeit mit den Verbänden, den Kammern und Gewerkschaften. Das sehen wir genauso. Aus unserer Sicht sind die Bereiche der Berufsausbildung beziehungsweise der Erhöhung der Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen besonders wichtig. Nach unserer Ansicht ist das eines der größten Probleme, die wir haben.

Besonders wichtig sind für uns auch die Existenzgründungen, Betriebsnachfolgen und die Ansiedlungspolitik sowie die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Für ebenso außerordentlich wichtig halten wir Maßnahmen wie den Einheitlichen Ansprechpartner, die Förderung der Exportaktivitäten von kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Ausdehnung des erfolgreichen Programms „Kapital für Handel und Gewerbe“.

Für unverzichtbar halten wir eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Hamburg. Das ist einer der fünf Schwerpunkte. Das freut uns ganz besonders. Die Unternehmensverbände und die Wirtschaft sind auf diesem Gebiet schon viel weiter als die Politik. Die Landesregierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein sind aber auf einem guten Weg bei der Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich.

Angesichts der Tatsache, dass über 85 % der Beschäftigten in mittelständischen Unternehmen arbeiten, ist der Mittelstand mehr als das Rückgrat unserer Wirtschaft. Nichtsdestoweniger meint meine Fraktion, dass wir eine zukunftsorientierte Industriepolitik in Schleswig-Holstein benötigen, auch wenn dies bei uns nur ein sehr kleiner Teil der Wirtschaft ist. Wir müssen die vorhandenen und noch nicht ausgeschöpften Potenziale im wirtschaftlichen Bereich besser nutzen.

Ich möchte den Offshore-Bereich in der Windenergie ansprechen. Andere Bundesländer sind zu Zeiten von SPD-Regierungen in den letzten Jahren an uns vorbeigezogen. In dem Bereich hinken wir leider völlig hinterher. Unserer Meinung nach müssen wir diese Bereiche auch anpassen.

Lassen Sie mich noch einen Satz zur Forderung der SPD sagen, im Zuge der Mittelstandsoffensive den Mittelstandsbeauftragten wieder abzuschaffen. Das ist eine peinliche Art der Profilierung innerhalb der Opposition.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Dr. Stegner, wir müssen wirklich große Summen für den Mittelstandsbeauftragten aufwenden. Es ist beeindruckend, was wir dafür zahlen.

Man muss wirklich anerkennen, was der Kollege Arp dort leistet. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich auch verstehen kann, dass Sie das nicht nachvollziehen können. Wer eine Abwrackprämie und milliardenschwere Hilfen für einen amerikanischen Automobilkonzern, die dieser noch nicht einmal braucht, für sinnvolle Wirtschaftspolitik hält, kann natürlich nicht verstehen, welche Arbeit der Kollege Arp leistet.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Christopher Vogt)

Insofern danke ich dem Kollegen Arp für seine Arbeit.

(Beifall bei CDU und FDP)

Begrüßen Sie mit mir bitte den Vorsitzenden der Europa-Union Norderstedt, Manfred Ritzek, der ehemaliges Mitglied des Landtags ist. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Dr. Andreas Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Offensive für Wachstum und Beschäftigung in Mittelstand und Handwerk“ - das klingt gut. Ich habe mich die ganze Zeit, in der ich hier zugehört habe, gefragt, wie die schönen Worte von Minister de Jager, dem Kollegen Callsen und dem Kollegen Vogt eigentlich angesichts ihrer Pläne klingen, den Medizinstudiengang in Lübeck zu schließen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage mich: Wie klingt das in den Ohren der mittelständischen Unternehmen der Medizintechnik in Lübeck? - Das ist doch ein Hohn. Der Wegfall der Medizinerausbildung wird den mittelständischen Unternehmen im Süden des Landes schweren Schaden zufügen. Herr Callsen, Sie haben den schönen Satz gesagt: Wir bringen dieses Land voran. - In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 2. Juli wird Ihre Politik wie folgt kommentiert - ich zitiere -:

,,Ungeschickte Menschen reißen mit dem Hintern ein, was sie aufgebaut haben. Die Rolle des Hinterns übernimmt zurzeit Schleswig-Holstein.“

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Lieber Herr Minister de Jager, Sie stehen derzeit schwer unter Beschuss. Man liest viel von Ihnen. Die Presse ist voll mit Berichten über Sie. Wir können gut verstehen, dass Sie als Fraktion Ihrem unter Beschuss geratenen Minister etwas Gutes tun wollten, als Sie dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Sie wollten endlich auch einmal ein Gewinnerthema auf die Tagesordnung setzen. Auch der Zeitpunkt von 10 Uhr am heutigen Tage ist

kennzeichnend. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, diese Lobhudelei ist gründlich schiefgegangen. Sie stehen vor einem Scherbenhaufen Ihrer Mittelstandspolitik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Fakt ist: Sie treten mit Ihrer Kernkompetenz für Wirtschaftspolitik an, aber die Leute im Lande glauben Ihnen nicht mehr.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie verlieren in einem zentralen politischen Gestaltungsfeld an Glaubwürdigkeit: in der Gesundheitswirtschaft, in der Tourismuswirtschaft, aber auch wegen der verpassten Chancen bei den erneuerbaren Energien, beim Offshore-Thema. Sie verlieren bei Ihrem Kernthema an Glaubwürdigkeit. Die Leute glauben nicht mehr, dass Sie in der Wirtschaftspolitik vornanstehen.

In der letzten Woche haben Sie bei der Veranstaltung im Wissenschaftspark das Ruder herumreißen wollen. Wir haben das sehr interessiert und mit einem gewissen Schmunzeln zur Kenntnis genommen. Der Mittelstand ist ein zentraler Wirtschaftsfaktor für Schleswig-Holstein. Es gibt bei uns 125.000 kleine und mittlere Unternehmen, bei denen 75 % aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt sind. Sie hätten diesen politischen Auftakt angesichts der schwierigen Aufgaben, die vor uns liegen, aber etwas bescheidener gestalten sollen. Der große Wurf ist Ihnen mit diesem Masterplan nicht gelungen. Sie blasen 66 Einzelmaßnahmen zu einem wolkigen Masterplan auf - ohne zusätzliche Finanzmittel, ohne eine Gesamtstrategie. Ich finde, das ist eine tolle Wurst.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kollege Callsen, wenn Sie sagen, der Masterplan atme, würde ich entgegnen, er leidet eher unter Luftnot, er ist etwas kurzatmig.

Woher soll denn Ihrer Meinung nach der kraftvolle Schub für unsere Wirtschaft kommen? Das Presseecho und das Echo aus den Unternehmen waren entsprechend dünn.

Wirtschaftspolitik in Zeiten des Klimawandels muss einem gewissen Qualitätsanspruch gerecht werden. Wir haben uns in unserer Fraktion und in der Debatte unter den Grünen sehr intensiv mit dem Green New Deal beschäftigt. Wir brauchen bei den Herausforderungen, vor denen wir stehen, in der

(Christopher Vogt)

Tat eine Wirtschaftsförderung, die eine Fokussierung gerade auf grüne Technologien und Dienstleistungen beinhaltet. Diese sind die zukünftigen Wachstumsmotoren im 21. Jahrhundert, im Jahrhundert des Klimawandels. Damit generieren wir unsere zukünftigen Wertschöpfungsketten. Damit erhalten wir unseren Wohlstand.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine solche Schwerpunktsetzung hätte ich mir gewünscht. Diese fehlt aber in Ihrem Konzept. Ich habe es bereits in meiner Rede zum Thema Handwerk gesagt, und ich sage es nochmals: Der Blaumann muss grün werden. Das Handwerk hat eine Chance. Unsere schleswig-holsteinischen Firmen sind gut aufgestellt. Das Handwerk hat eine Chance, wenn es endlich eine konsequente Gesamtstrategie in Ihrer Wirtschaftspolitik gibt, wenn Sie den Fokus darauf setzen, wenn Sie die Förderprogramme darauf fokussieren. Dann werden wir auch in unserer Wirtschaft wieder einen entsprechenden Wachstumsschub erreichen können. Das ist erfolgreiche grüne Politik. Ich glaube, die Menschen verstehen mittlerweile, dass die grüne Politik auch für die Wirtschaftspolitik eine Erfolgspolitik ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in Schleswig-Holstein erfolgreiche Förderinstitute des Landes. Wir haben die Bürgschaftsbank, die Investitionsbank und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft. Es ist eine richtige Maßnahme, wenn Sie hier jetzt einen Einheitlichen Ansprechpartner schaffen. Ebenso ist es richtig, wenn Sie das Kapital für Handel und Gewerbe zur Verfügung stellen wollen. Ich will durchaus nicht alles schlechtreden, was Sie getan haben. Eine Gesamtstrategie, ein Masterplan für die Zukunftsgestaltung in Schleswig-Holstein sieht aber anders aus.

Wenn Sie das Thema Fachkräftemangel ansprechen, möchte ich an dieser Stelle fragen: Wie ist denn Ihre Botschaft im Land? Die entsprechende Arbeit beginnt doch in den Kitas und in den Schulen. Kinder brauchen Sprach- und Sozialkompetenz. Das ist die Basis, die wir für eine gute Ausbildung und damit auch für die Ausbildung von Fachkräften brauchen. In diesem Bereich aber kürzen Sie. Dort sind Sie nicht präsent. Sie sind rückwärtsgewandt. Das ist eine falsche Politik.