Frau Streitbörger, in Schleswig-Holstein sieht es etwas anders aus. Dort verzeichnet die Landesregierung gemäß ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage aus dem Jahr 2008 2 Millionen Protestanten, rund 170.000 Katholiken und knapp 2.000 Menschen jüdischen Glaubens. Über die Zahl der Muslime und der orthodoxen Christen konnte die Regierung damals keine Angaben machen.
Lassen Sie mich auf zwei Punkte hinweisen, die ich sehr interessant finde. Das sind die Antworten auf die Kleinen Anfragen von Frau Erdmann und Herrn Kollegen Weber zur Frage des anderen Unterrichts. Es ist schon angesprochen worden, dass es durchaus Reformbedarf dafür gibt, die konfessionslosen Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, in dieser Zeit zu betreuen. Das wird nicht immer optimal umgesetzt. Es wird Aufgabe sein, uns an dieser Stelle zu überlegen, welche Angebote wir zusätzlich unterbreiten können.
Es ist uneingeschränkt anzustreben, dass junge Menschen möglichst breite Kenntnisse über religiöse und nicht religiöse Wertesysteme erwerben, denen sie selbst nicht angehören. Sie müssen wenigstens Grundkenntnisse über Gemeinsamkeiten und Trennendes der großen christlichen Konfessionen und der anderen Weltreligionen erfahren.
Nicht akzeptabel erscheint es mir, wenn die Abmeldung vom Religionsunterricht weniger der weltanschaulichen Überzeugung der Jugendlichen, sondern eher der Aussicht auf eine Freistunde entspringt.
Der Antrag der Linken zielt darauf ab, den heutigen Religionsunterricht ganz abzuschaffen und zu ersetzen. Aus grundsätzlichen, ethischen und religiösen Gründen ist das höchst umstritten. Eine Ab
schaffung ist bei uns auch mit Verweis auf die Kirchenstaatsverträge rechtlich gar nicht möglich. Die Verträge sind unterschrieben. Wenn ich das persönlich sagen darf, bin ich auch ausdrücklich gegen die Abschaffung des Religionsunterrichts.
Wir sind dafür, darüber nachzudenken, ob es für die Schülerinnen und Schüler, die kein richtiges Angebot bekommen, konfessionslos und nicht gebunden sind, eine Art Schulfach geben soll, damit sie sich parallel mit Fragen der Philosophie und der gesellschaftlichen Werte befassen. Das sollten wir prüfen. Über diese Frage können wir im Bildungsausschuss gerne reden. Meine Fraktion wird offen über diese Frage abstimmen. Ich freue mich auf die Diskussion darüber. Wir müssen über den Religionsunterricht reden. Ich teile die Auffassung meiner Vorrednerin dazu. Das sollten wir auf Grundlage der realen Probleme und nicht auf Grundlage eines Antrags tun, der eigentlich am Ziel vorbeigeht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir die Vorbemerkung, dass nach den trockenen Themen bis 14 Uhr, als der Präsident das Thema aufgerufen hat, eine besinnliche Ruhe eintrat. Herr Präsident, mit Verlaub, kurz vor der parlamentarischen Sommerpause wäre es diesem Thema gerecht geworden, wenn noch ein bisschen Glockengeläut eingespielt worden wäre.
Lassen sie mich zum Ernst der Sache kommen. Ich denke, wir sind uns im Hohen Haus ganz überwiegend darüber einig, dass Religionsunterricht als ordentliches Schulfach in einer pluralen Gesellschaft, wie wir sie heute zunehmend vorfinden, unverzichtbar ist. Ich füge hinzu: Religionsunterricht ist auch ein unverzichtbarer Teil der Werteerziehung in unseren Schulen. - Von daher sollte der Religionsunterricht nicht als Nebenfach abgetan, sondern als bedeutsam für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen gesehen und anerkannt werden.
Weit mehr als die Hälfte der schleswig-holsteinischen Schülerinnen und Schüler ist evangelischen Glaubens. Ungefähr 40 % sind religionslos; etwa 6 % sind katholisch. Laut Artikel 7 Absatz 2 des
Grundgesetzes haben die Eltern das Recht, frei über die Teilnahme ihrer Kinder am Religionsunterricht zu entscheiden. Jedoch ergibt sich aus diesem Artikel unseres Grundgesetzes selbst kein subjektives Recht von Eltern oder religionsmündigen Schülern auf Einrichtung eines Unterrichts seiner Konfession beziehungsweise eines konfessionslosen Unterrichts. Artikel 7 des Grundgesetzes sichert den Bestand des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach.
In Schleswig-Holstein findet nahezu flächendeckend evangelischer Religionsunterricht an den Schulen statt. Jedoch wird in der Realität dabei keineswegs nur Unterricht zur jeweiligen Religion erteilt, sondern auch ein Bild von anderen Religionsgruppen gegeben. Den Schülerinnen und Schülern werden ethische Wert- und Moralvorstellungen vermittelt.
Von meinen Vorrednern ist schon gesagt worden, in den höheren Klassen besteht für die Schülerinnen und Schüler zudem die Möglichkeit, alternativ zum konfessionellen Unterricht auch am Philosophieunterricht teilzunehmen, der keine Inhalte und Vorstellungen einer bestimmten Religionsgruppe vermittelt. Nach meiner Kenntnis ist hier eine Ausweitung geplant. Philosophie soll als Ersatzfach schon für die Grundschulen eingeführt werden.
Eine Umwandlung des bislang konfessionell durchgeführten in einen überkonfessionellen Religionsunterricht betrifft die Grundsätze der Religionsgemeinschaften. Das hat Herr Fischer schon erwähnt. Sie ist dem religiös-weltanschaulich-neutralen Staat verwehrt. Es bleibt den Kirchen allerdings unbenommen, ihre Grundsätze fortzubilden. Das haben sie in einigen wenigen Städten, Orten und Bundesländern auch getan.
Die Zusammenarbeit mit den beiden großen Kirchen hat sich bewährt. Das ist auch deshalb der Fall, weil klare Regeln vorgegeben sind, was die Vermittlung von religiösen Inhalten angeht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, das ist mit Ihrem Antrag nicht gewährleistet. Ihre Vorschläge sind auch nicht praktikabel. Das will ich gerne begründen.
Weltanschauungen in der Gewichtung richtig dargestellt werden? Besteht nicht die Gefahr, dass grenzwertige Weltanschauungen unverantwortlich präsentiert werden? Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, wer soll überhaupt in dieser Breite den Unterricht geben? Soll das ein Überpater sein, der den ganzen Bereich abdecken soll? Eine Frau kann dies schon gar nicht tun, denn sie wird von ganz bestimmten Religionsgruppen, wie wir alle wissen, gar nicht akzeptiert. Bei den großen Kirchen ist in den Lehrplänen dagegen gewährleistet, dass der Religionsunterricht zu Dialogfähigkeit, Respekt und Toleranz beiträgt.
(Zuruf der Abgeordneten Serpil Midyatli [SPD] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wer er- teilt den Islamunterricht?)
- Entspannen Sie sich, Frau Heinold. - Der konfessionell gebundene Unterricht hat sich in der Praxis bewährt. Deshalb sollte man daran auch festhalten. Eine Vermischung mit allen möglichen Glaubensrichtungen lehnt meine Fraktion ab. Ich glaube auch nicht, dass der vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE auf übergreifende Akzeptanz in der Gesellschaft stoßen wird. Er findet deshalb auch nicht die Zustimmung der FDP.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dankert, ganz kurz eine Antwort auf Ihre Frage: Es sind nicht nur Männer, die islamischen Religionsunterricht erteilen, sondern es sind auch Frauen, die das tun. Schauen Sie einmal hinüber zu den Schulen in Gaarden. So viel zu dem, was „alle wissen“, wie Sie sagen.
chen Wandel unterliegt, halte ich diese Debatte für wichtig. Von mir aus können wir auf der Grundlage des vorliegenden Antrags im Ausschuss gern weiter über dieses Thema diskutieren.
Wir plädieren für eine Überweisung an den Ausschuss. Ich bin dafür, dass wir die Debatte nicht in der Rhetorik des Kulturkampfes führen, sondern uns sehr behutsam und ernsthaft mit den einschlägigen Fragen auseinandersetzen.
Wir wissen, dass die Kinder aus sehr unterschiedlichen Elternhäusern kommen: binational, bireligiös. Wir wissen, dass es viele Kinder aus christlichen Elternhäusern gibt. Auch unter diesen gibt es aber eine große Variationsbreite. Wir wissen, dass wir es mit Kindern mit jüdischem und auch islamischem Hintergrund zu tun haben, teilweise auch mit Kindern aus hinduistischen Elternhäusern. Ebenso haben wir es mit konfessionslosen Kindern zu tun. Die Vielfalt ist unglaublich.
Rolf Fischer, Sie sagten, es gebe bereits einen sehr guten Religionsunterricht und dieser beziehe sehr viele Menschen ein. Angesichts dessen würde ich entgegnen: Okay, aber wie können wir diesen Unterricht so weiterentwickeln, dass er wirklich für viele Kinder die Türen zur Religion öffnet? Das ist für mich als Protestantin ein wichtiger Punkt. Macht auf das Tor! Es geht um die Öffnung der Tür zum Religionsunterricht. Einen Closed Shop sollte es nicht geben. Auch ich weiß, dass es bei uns sehr guten Religionsunterricht gibt. Das ist gar keine Frage. Wenn gesagt wird, dass die religiöse Selbstvergewisserung etwas Wichtiges in dieser Gesellschaft ist, kann man doch aber nicht sagen, dass dies nur für ein oder zwei Konfessionen gelte.
Hier wurden zum einen der Ethikunterricht und zum anderen der Islamunterricht angeführt. Wir erkennen jetzt schon, dass es sehr schwierig ist, ein bedarfsgerechtes Angebot zu unterbreiten. Es gibt viele kleine Gruppen. Es wäre wirklich eine Schubladenpädagogik, wenn gesagt würde: Wir versuchen, für alle ein passgenaues Angebot zu machen.
Ich versuche, jetzt einmal eine Brücke zu schlagen, wobei ich auch die rechtliche Grundlage nicht außer Acht lassen will. Bei diesem Versuch brauche ich gar nicht in die Ferne zu blicken. Ich brauche nur bis nach Hamburg zu blicken. Dort wird seit
Jahrzehnten Religion für alle unterrichtet. Dieser Unterricht liegt in der Trägerschaft der Nordelbischen Kirche und stützt sich auf all das Know-how, das dort vorhanden ist. Bei diesem Unterricht werden Kinder und Jugendliche aller Konfessionen und auch weltanschaulich nicht gebundene Kinder und Jugendliche einbezogen. Der Erfolg dieses Modells liegt in der Akzeptanz in der Praxis. Ole von Beust hat vor einigen Jahren vorgeschlagen, Islamunterricht einzuführen. Die muslimischen Glaubensgemeinschaften haben daraufhin gesagt: Das brauchen wir nicht. Religion für alle bietet für uns ein gutes Fundament. Die katholische Kirche hat versucht, ein Alternativangebot zu unterbreiten. Das war ein ganz liberaler Ansatz. Die Eltern haben sich für dieses Angebot aber nicht entschieden. Die Eltern entschieden sich in Hamburg für Religion für alle. Das Modell ist gut abgesichert. Es ist auch praktikabel, weil wir wirklich fähige Lehrkräfte haben. Man muss natürlich zusammen mit den Eltern, den Glaubensgemeinschaften und auch den Konfessionslosen die Vorstellungen darüber entwickeln, wie der Unterricht ausgestaltet werden soll. Im Bildungsausschuss sollte vielleicht einmal analysiert werden, wie es in der Praxis läuft.
Ich kann verstehen, wenn Sie skeptisch sind, insbesondere wenn es so aussieht, dass Religion in der Schule keinen Raum mehr hat. Mir liegt am Herzen, die religiöse Selbstvergewisserung in einem Klassenverbund, aber auch einen Dialog möglich zu machen. Man darf dabei aber nicht ausgrenzen. Vielleicht ist der Hamburger Weg auch bei uns der richtige Ansatzpunkt.
Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, der für mich als Protestantin wichtig ist. Ich gehe dabei von der Fragestellung aus, was zu einer nachhaltigen Glaubensentwicklung führt. In der Regel war dies nicht der Schulunterricht. Es waren vielmehr häufig die Fahrt zum Kirchentag, die Jugendgruppenarbeit, die Kanufahrten mit Gitarre spielenden Pastoren und so weiter. Solche Erlebnisse haben zu nachhaltiger Glaubensbildung beigetragen. Die jungen Menschen haben nach solchen Erlebnissen gesagt: Ich bleibe dabei und besuche auch den Gottesdienst. - Unsere Schulen müssen so ausgestattet sein, dass der Dauerstress nicht dazu führt, dass wir keine lebendigen Gemeinden mehr haben und die Gemeinden gewissermaßen ausbluten.