- Sie müssen sich gar nicht so aufregen -, will ich all denjenigen, die jetzt versuchen, mit Professorenhilfe oder mit Rechtsanwälten, die sauer sind, weil sie Verfahren dabei verloren haben, der Öffentlichkeit noch ein Schauspiel von Urteilsschelte zu bieten, sagen: Wir haben das Verfassungsgericht gewählt als das Organ, das die Verfassung hier im Land zu interpretieren hat. Der Respekt gebietet, das zu akzeptieren, auch wenn einem nicht alles gefällt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist unser Job.
Ich weiß nach der Debatte von gestern gar nicht, warum Sie sich eigentlich so fürchten, vor die Wählerinnen und Wähler zu treten - wo Sie doch eine so großartige Politik in diesem Haus machen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war eben der Stegner, wie wir ihn kennen. Herr Dr. Stegner, ich freue mich ja, dass wir wieder einmal Gelegenheit hatten, Ihr Grundverständnis von Vertragstreue kennen zu lernen. Sie fordern die CDU zum Koalitionsbruch auf. Mir ist mittlerweile klar, warum mit Ihnen eine Zusammenarbeit in den Zeiten der Regierungsbeteiligung nicht möglich war.
Wenn ich immer wieder das Eingeständnis Ihrer Fehler höre, kommen Sie mir vor wie ein Arzt, der gerade einen Patienten hingerichtet hat und nun erklärt: „Leute, schickt mir einen neuen, damit ich weiter üben kann.“
Sie sind der Letzte, den wir bei der Frage hören müssen, wie es gelingen kann, ein verfassungsgemäßes Wahlrecht hinzubekommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Richterspruch uns nicht überrascht, wird Sie nicht überraschen. Denn das Verfassungsgericht hat in seiner Begründung der Entscheidung ausdrücklich auf einen Redebeitrag von mir aus dem Jahr 2000 Bezug genommen, Herr Dr. Stegner.
dass die Feststellung, dass ein Wahlrecht, das es zulässt, dass von der 69er-Norm - damals noch der 75er-Norm - extrem abgewichen wird, verfassungsrechtlich problematisch sei. Sie haben damals erklärt, aus Ihrer Sicht sei es das überhaupt nicht. Sie sind ja der große Verfassungsexperte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass uns das nicht überrascht, können Sie ja - weil Sie ja auch sonst immer Koalitionsverträge lesen - im Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP nachlesen. Dort heißt es auf Seite 43 zum Thema Wahlrechtsreform - ich zitiere -:
„Die Landesverfassung sieht vor, dass der Landtag grundsätzlich aus 69 Abgeordneten bestehen soll. Nach der letzten Landtagswahl
wurde deutlich, dass das aktuelle Wahlrecht nicht ausreicht, diese Vorgabe in einem Parlament mit fünf bis sechs Fraktionen abzubilden. Deshalb wollen CDU und FDP zeitnah das Landeswahlrecht mit der Zielsetzung überarbeiten, eine Überschreitung der in der Landesverfassung vorgesehenen Landtagsmandate zu vermeiden.“
Herr Kollege Weber, selbstverständlich haben wir Rücksicht auf die sehr sinnvollen Anmerkungen des Vorsitzenden des Rechtsausschusses genommen, dass es keinen Sinn macht, ein Wahlrecht zu schaffen, bevor wir die Entschließung des Verfassungsgerichts kennen, das auf der Grundlage der von Ihnen eingereichten Klagen ein Urteil gefällt hat, das Sie eigentlich frustrieren muss. Ihr Ziel waren ja nicht Neuwahlen, sondern Ihr Ziel war ja schlicht und ergreifend eine Veränderung der Sitzverteilung, eine Veränderung der Mehrheitsverhältnisse. Dieses Ziel haben Sie, Herr Dr. Stegner, ausdrücklich nicht erreicht, weil das Verfassungsgericht festgestellt hat, dass die Zusammensetzung des Landtags nicht anzugreifen ist.
FDP und CDU haben damit schon im Oktober letzten Jahres das vereinbart, was das Landesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom letzten Montag dem Landtag nun ins Stammbuch geschrieben hat. Die Koalition hat also bereits weit vor der Entscheidung von Schleswig frühzeitig erkannt, dass es nicht vermittelbar ist, in der Landesverfassung die Anzahl von 69 Abgeordneten festzuschreiben und sich zugleich ein Wahlrecht zu leisten, das eine wesentliche Überschreitung dieser Vorgabe zulässt.
Nein, Frau Präsidentin, ich möchte einen Gedanken zu Ende bringen. Der Kollege kann sich dann gern melden.
Ganz unbesehen der verfassungsrechtlichen Frage bedürfte es also der Entscheidung vom letzten Montag nicht, um zumindest die Koalition von CDU und FDP dazu zu bewegen, eine Wahlrechtsreform durchzuführen.
Herr Kollege Dr. Stegner, unmittelbar vor der letzten Landtagswahl hat der Kollege Puls mit Ihrer Rückendeckung auf einen Vorschlag der Grünen erklärt, dass es einen Vollausgleich der Mandate nicht geben muss. Wir waren damals der gleichen Auffassung wie die Grünen, und wir sind nach wie vor dafür - um dies nicht so im Raum sehen zu lassen. Aber Sie haben damals noch erklärt, dass das aktuelle Wahlrecht aus Ihrer Sicht verfassungskonform sei, und stellen sich jetzt als derjenige hin, der schon immer gewusst hat, dass das in die falsche Richtung läuft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Vorschläge liegen bereits heute auf dem Tisch. Die Grünen haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der lediglich die Verringerung der Wahlkreise beinhaltet. Der Verein „Mehr Demokratie e. V.“ mit dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Karl-Martin Hentschel, hat einen komplett anderen, wie ich finde, durchaus interessanten Vorschlag für ein neues Wahlrecht erarbeitet. Einige Sozialdemokraten hätten gern das Einstimmenwahlrecht zurück. Dass meine Fraktion den Vorschlag von „Mehr Demokratie“ sehr interessant findet, will ich dabei gar nicht verhehlen.
Wir kommen dem Vorschlag des Landtagspräsidenten, gemeinsam den Versuch zu unternehmen, eine Initiative für ein neues Wahlrecht zu erarbeiten, gern nach. Ob es wirklich hilfreich ist, wenn viele Köche am Brei kochen, werden wir dann sehen.
Es wird schon interessant sein zu entscheiden, wie wir die verschiedenen Ansätze in ein Gesetz gießen wollen. Ich bin da eher skeptisch, aber einen Versuch ist es wert.
- Ja, Herr Kollege Stegner, mir ist klar, Sie haben keine Juristen mehr in der Fraktion. Deshalb lachen Sie so hämisch.
Das Entscheidende ist - das müssen Sie zur Kenntnis nehmen -, dass das Landesverfassungsgericht erklärte, es müsse unverzüglich ein neues Wahl
recht ausgehandelt werden. Es hat aber keine unverzüglichen Neuwahlen abgeordnet. Lassen Sie sich diesen Unterschied vielleicht einmal erklären. Es hat die Fristen gesetzt, weil es in Erkenntnis der technischen Abläufe erklärt hat, diese Frist sei notwendig, aber auch ausreichend, um zu Neuwahlen zu kommen.
Viele, die heute nach sofortigen Neuwahlen rufen, vergessen, dass nach Verabschiedung des neuen Wahlrechts die Diskussion um die Neuschneidung der Wahlkreise losgehen wird. Erst wenn diese Voraussetzungen geklärt sind, können die Parteien gegebenenfalls Delegierte wählen, Parteitage einberufen, die Direktkandidaten und die Listen wählen. All dies braucht Zeit, sodass die Rufe nach sofortigen Neuwahlen schon rein technisch ins Leere gehen.
Herr Kollege Dr. Stegner, Sie waren ja früher einmal Innenminister. Sie wissen das doch also ganz genau.
Wir haben Ihnen vonseiten der CDU und der FDP einen Antrag vorgelegt, der die Opposition einlädt, sich konstruktiv an den weiteren Verhandlungen für ein Landeswahlrecht zu beteiligen. Wir haben weiterhin in unserem Antrag die Bitte formuliert, dass die Landesregierung nach Verabschiedung des neuen Wahlrechts und der Neuschneidung der Wahlkreise zügig einen Wahltermin festlegen soll, damit die Parteien und die Menschen sich darauf einstellen können. Dafür ist sie zuständig. Wir haben ein Zeitfenster für Neuwahlen bis zum 30. September 2012.
Das Verfassungsgericht hat uns diese Frist gesetzt, weil es der Auffassung ist, dass der Landtag diesen Zeitraum braucht, um die nächste Landtagswahl nach der Wahlrechtsreform und den folgenden technischen Abläufen vorbereiten und durchführen zu können.
Wir werden die Diskussionen in Ruhe weiterführen, denn wir wollen nach den nächsten Wahlen keinen neuen Verfassungsrechtsstreit. Meine Kollegen von der Opposition, es mag Sie drängen, aber das macht die Sache nicht so dringlich, als dass wir nicht sehr sorgfältig arbeiten könnten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege von Boetticher, ich fand es sehr interessant, dass von dem Vorschlag Ihres Fraktionskollegen, des Parlamentspräsidenten, zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen, in Ihrer Rede nicht viel übrig geblieben ist. Im Prinzip haben Sie hier und heute den Wahlkampf eröffnet.