Herr Kollege Habeck, Ihr Rekurs auf die Radikalenerlasse der 70er-Jahre unter Führung der SPD veranlassen mich zu folgender Frage:
Würden Sie freundlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass sowohl ich als auch meine Fraktion die Radikalenerlasse nicht für ein
- Ich nehme es mit Freude zur Kenntnis, Herr Kubicki, und würde mich sehr freuen, wenn Sie eine liberale Argumentation auch innerhalb Ihrer schwarz-gelben Koalition durchsetzen würden.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt beim SSW - Christopher Vogt [FDP]: Was verstehen Sie unter Liberalismus? Das würde ich gern wis- sen!)
Vielen Dank, Frau Kollegin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur fürs Protokoll noch einmal etwas feststellen: Es gab am 26. September 1995 ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der sicherlich auch von Frau Franzen anerkannt werden wird. Es ging dabei um den Fall Dorothea Vogt - er stellte sich sicherlich ein bisschen anders dar als mein Fall.
Dorothea Vogt war bereits als Lehrerin angestellt und wurde wegen ihrer Mitgliedschaft in der DKP entlassen. Sie musste später wieder eingestellt werden, und die Bundesrepublik Deutschland musste Schadenersatz zahlen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in der Entlassung dieser Frau einen Verstoß gegen die Artikel 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt.
- Dafür muss ich mich ernsthaft entschuldigen. Wir alle sind jetzt sehr gespannt auf Ihre Argumente, Herr Minister Dr. Klug. Entschuldigen Sie bitte. Selbstverständlich erteile ich Ihnen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sicher, dass alle, die sich heute über Konsequenzen des GEW-Lehrerstreiks empört haben, an meiner Stelle genauso oder ähnlich entschieden hätten.
Vorweg weise ich darauf hin, dass ich hier nicht zu Einzelfällen Stellung nehmen werde. Es gibt laufende Verfahren - das wissen Sie -, und natürlich müssen wir uns alle auch an das Gebot des Schutzes von Personaldaten halten.
Daher beschränke ich mich auf die grundsätzliche Entscheidung. Ich begrüße es, dass ich das hier noch einmal erläutern kann; denn Ihr Antrag wiederholt ja - das muss ich den Antragstellern entgegenhalten - Missverständnisse und Fehleinschätzungen, die wir auch in manchen Pressekommentaren lesen konnten.
Erstens geht es mir um die Einordnung des Streiks und der Protestkundgebung am 3. Juni 2010. Jeder Minister, natürlich auch der Bildungsminister, muss Proteste aushalten, auch aus Reihen der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt selbstverständlich auch für Beamte, und es ist eigentlich überflüssig darauf hinzuweisen, dass das so ist. Aber leider werden das Recht auf Protest und das Recht auf Streik immer wieder miteinander vermischt. Ein Streikrecht existiert für verbeamtete Lehrkräfte nicht.
Würde es das geben, so fehlte eine wesentliche Grundlage für das Beamtentum überhaupt. Ich frage mich, wie Sie auf einen Streik von Polizisten oder Justizvollzugsbeamten reagiert hätten. Oder messen Sie bei den einzelnen Beamtengruppen mit zweierlei Maß?
wieder gehört. Der zivile Ungehorsam bezieht sich auf höhere moralische Rechte. Er hat seine Wurzeln im Kampf gegen die Sklaverei, im Kampf um Bürgerrechte, und auch Mahatma Gandhi hat sich darauf bezogen. Bitte beurteilen Sie selbst, ob der Protest von schleswig-holsteinischen Lehrkräften, Streiks während deren Arbeitszeit, wirklich in diese Reihe mit Mahatma Gandhi hineingehört.
Zweitens haben wir eine ganz eindeutige Rechtslage, gegen die ich nun wiederum auch nicht verstoßen will und kann. § 47 des Beamtenstatusgesetzes und § 17 des Landesdisziplinargesetzes lassen dem Dienstherrn keine andere Wahl. Das Bildungsministerium muss bei dem Verdacht eines Dienstvergehens ein Disziplinarverfahren einleiten. Das ist keine Frage des Ermessens. Es muss ein solches Verfahren einleiten. Für Beamte gilt ein Streik nun einmal als Dienstvergehen.
Drittens. In der öffentlichen Diskussion, übrigens auch in der Begründung des Antrags, ist von Gehaltskürzungen im Sinne einer Bestrafung die Rede. Das ist eine verzerrte Darstellung. Vielmehr ist es eine automatische Folge - einige Redner haben dies auch gesagt -, dass ein Teil der Besoldung einbehalten wird, wenn ein Beamter unentschuldigt fehlt. Kein Arbeitgeber zahlt Lohn für nicht geleistete Arbeit. Das gilt überall, und das ist auch im Besoldungsrecht festgelegt, ohne eine Ermessenskompetenz des Bildungsministeriums.
Herr Minister, Sie haben gerade verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer mit Justizvollzugsbeamten und Polizisten verglichen. Nun können wir uns alle vorstellen, dass fürchterliche Folgen entstehen, wenn solche Leute streiken, auch wenn verbeamtete Ärzte streiken. Sicherlich gibt es auch Aussagen über die Folgen, die dieser Streik mit sich gebracht hat, womöglich verzweifelte Kinder. Ich will gar nicht weiter darauf eingehen.
- Herr Abgeordneter Jezewski, es geht darum, dass man bei Beamten, die in unterschiedlichen Bereichen beschäftigt sind, nicht mit zweierlei Maß messen kann. Der Beamtenstatus ist mit bestimmten Vorgaben rechtlicher Art verbunden, und diese gelten dann eben für alle.
Nun komme ich zu dem vierten, kurz anzureißenden Komplex, nämlich zu dem Bereich der Führungskräfte.
Hier gilt eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1992: Beförderungen sind bei eingeleiteten Disziplinarverfahren nicht gerechtfertigt. Auch daran sehe ich mich gebunden. Selbst die GEW hat deshalb Beamten in der Probe und in der Erprobungsphase in Führungsfunktionen ausdrücklich davon abgeraten, am Streik teilzunehmen.
Ich hoffe, dass es immer noch selbstverständlich ist, dass wir unseren Führungskräften abverlangen, dass sie sich an Recht und Gesetz halten. Das ist eigentlich eine Mindestanforderung.
Nun komme ich zum fünften Punkt. All diese Folgen waren vor dem Streik bekannt. Wir haben die Schulen am 26. Mai 2010 in einem Schreiben darauf hingewiesen. Die Konsequenzen durften also eigentlich niemanden überraschen, schon gar nicht die Führungskräfte oder jene, die eine Beförderung erwarteten. Nur sehr wenige aus diesem Kreis haben sich letztlich dennoch für die Teilnahme am Streik entschieden und damit für alles Weitere, was dann eben folgen musste.
Meine Damen und Herren, an die Adresse der Opposition gewandt sage ich: Bei Ihrer vorschnellen Solidarisierung lassen Sie meines Erachtens eine zentrale Frage offen: Welche Ansprüche stellen Sie an die Rechtstreue der Lehrkräfte und des Führungspersonals an den Schulen? - Offenbar sehr geringe.
Ich halte es darüber hinaus für unseriös, mit Äußerungen in den Medien und mit diesem Antrag den Eindruck zu erwecken, als könnte der Minister bei den Lehrern einfach einmal ein Auge zudrücken.
Sie müssen es eigentlich besser wissen. Herr Kollege Höppner, glaubwürdiger als dieser Antrag, den die Opposition vorgelegt hat, wäre ein Vorschlag, auf welche rechtlichen Vorgaben für das Beamtentum die Opposition zukünftig verzichten möchte. Aber auch diese Mitteilung bleibt uns die Opposition heute schuldig.