Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In meiner Fraktion gab es durchaus die Diskussion, in welchen Fachbereich das Thema fällt und welcher Kollege oder welche Kollegin zu diesem Thema spricht.
Insofern war es für uns wichtig, diesen Aspekt auch herauszuarbeiten. Übrigens ist er nicht neu. Es gibt in der Wirtschaft eine Reihe von gesellschaftspolitisch wichtigen Unternehmensstrategien, die auf eine Unternehmenskultur zurückgehen: Ich erinnere an das Gender Mainstreaming und an Öko-Audits. Ich glaube, es geht hier um eine Arbeitsplatzpolitik und nicht um eine Arbeitsplatzpolizei.
In diesem Zusammenhang darf ich auch die Frage stellen, was gute Arbeitsplatzpolitik ist. Hierbei ist Good Governance auch heute eine moderne Form der Unternehmensphilosophie. Denn jede Unternehmensphilosophie wird darauf achten, dass bestimmte Dinge im Unternehmen im Sinne einer Compliance geregelt sind, um für eine gute Arbeitsund Betriebsatmosphäre zu sorgen, denn die trägt auch zur Wertschöpfung des Unternehmens bei. Wenn die Menschen, die dort arbeiten, ein gutes
Gefühl haben, gut in den Betrieb integriert sind und im Übrigen auch mit häuslichen Problemen dort einen Ankerpunkt haben, tragen sie dazu bei, dass das Unternehmen gut wirken und wirtschaften kann.
Mich hat es sehr nachdenklich gemacht - insofern bin ich sehr dankbar, dass DIE LINKE den Begriff ins Parlament eingebracht hat -, welchen immensen wirtschaftlichen Schaden es verursacht, wenn Strukturen fehlen, um solche Probleme wie häusliche Gewalt anzusprechen. Workplace Policy ist in dem Moment nicht nur ein gesellschaftliches Thema, sondern ein wirtschaftliches Thema und auch ein Win-win-Thema.
Es geht darum, dass in den Unternehmen Frauen die Chance bekommen, übrigens nicht nur über die Gewalt an Frauen, sondern vielleicht auch über die Gewalt an Kindern in der Familie zu sprechen und ein Angebot zu bekommen, im Unternehmen unterstützt zu werden. Das Unternehmen hilft, die Scham zu überwinden.
Man muss einmal schauen, wo die Workplace Policy herkommt. Ich habe das nachgelesen: Sie kommt aus Amerika. Das ist ein Land, das nicht unbedingt für die Super-Regulierung des Arbeitsmarkts bekannt ist. Es sind Großunternehmen wie American Express und in Deutschland Unternehmen wie Kaisers und Tengelmann, die dieses Thema aufgegriffen haben. Ich glaube, wenn wir uns intensiv mit dieser Frage beschäftigen, werden wir sehr einvernehmlich feststellen, dass es sich hier nicht um ein Nischenthema handelt, dass es sich nicht um ein Thema handelt, das außerhalb von Wirtschafts- und Unternehmenspolitik steht, sondern dass es sich um ein Thema handelt, das ins Zentrum der Unternehmenspolitik gehört.
Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes ist ein großer Verfechter dieser Politik. Es gibt zahlreiche Studien, die immer wieder deutlich machen, wie wichtig es ist, dass die volkswirtschaftlichen Folgekosten von häuslicher Gewalt in den Blick genommen werden. Es ist eine gesellschaftliche Verpflichtung, dass wir gemeinsam mit den Unternehmen dafür sorgen, dass wir diese volkswirtschaftlichen Kosten möglichst gering halten. Es ist doch klar: Eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeit
nehmer, die oder der hiervon betroffen ist, hat längere Fehlzeiten. Er oder sie wird in der psychischen Konstitution geschädigt sein. Das ist etwas, was heute oftmals unterschätzt wird. Schauen Sie sich die Zahlen der psychischen Erkrankungen in der Bundesrepublik an: Die nehmen dramatisch zu. Deshalb ist es eine richtige Strategie, Frau Klahn, wenn auch Sie als FDP erkennen, dass es eine Notwendigkeit ist, dass Gesellschaft und Unternehmen Hand in Hand gehen und nicht gegeneinander wirken.
Insofern müssen wir eine Brücke bauen von dem, was DIE LINKE ins Parlament einbringt, zu dem, was vielleicht an Skepsis und zunächst Abwehr, weil es vielleicht DIE LINKE gesagt hat, bei den Kolleginnen und Kollegen in den Regierungsfraktionen ausgelöst wird. Ich sage Ihnen ganz klar: Familienfreundlichkeit und Workplace Policy ist heute mehr denn je ein hartes und kein weiches Kriterium für eine erfolgreiche Unternehmenspolitik.
Deshalb werden wir den Antrag der LINKEN unterstützen. Wir werden dem ersten Punkt vorbehaltlos zustimmen. Beim zweiten Schritt sind wir nicht sicher, ob es die richtige Schlussfolgerung ist, jetzt eine Stelle in einem Ministerium einzurichten. Ich finde, es muss darum gehen, dass wir eine gesellschaftliche Gesamtdiskussion mit den Unternehmen führen. Die geforderte Stelle ist hier, wie wir finden, nicht unbedingt notwendig. Aber auch darüber kann man im Ausschuss reden. Das ist Ziel der Ausschussarbeit, das Thema gemeinsam zu bearbeiten, Argumente zu finden, und dann auch - so hoffe ich - eine der Wichtigkeit des Themas angemessene ernsthafte Diskussion hier im Parlament über dieses wichtige und richtige gesellschaftspolitische Thema zu führen.
dem Unternehmensführungen häusliche Gewalt verurteilen, holen sie das Thema häusliche Gewalt aus der Tabuzone. Das ist eine Ergänzung zu der bisherigen Arbeit gegen häusliche Gewalt. In England und den USA gibt es dazu inzwischen eine breite Bewegung. Die Unternehmen tun es dort nicht aus reiner Menschenliebe, sondern weil es eine sogenannte Win-win-Situation ist. Eine Mitarbeiterin, die zu Hause geschlagen und misshandelt wird, kostet - auch durch Krankheitstage und durch Ausfälle in der täglichen Routine. „Das Private ist betrieblich“ - das war übrigens auch der Titel der entsprechenden Fachveranstaltung zu diesem Thema.
In Deutschland kann man allerdings nur eine Handvoll von Unternehmen recherchieren, die sich dieser Politik angeschlossen haben. Das hat sicherlich zweierlei Gründe: Zum einen unterschätzen viele immer noch das Ausmaß häuslicher Gewalt in unserem Land. Zum Zweiten ist die Begrifflichkeit umständlich und unverständlich. Gerade Letzteres lässt sich leicht ändern.
Schwerer ist es dagegen, möglichst viele Unternehmen zur Ächtung von häuslicher Gewalt zu bewegen. Der SSW ist aus diesem Grund davon überzeugt, dass öffentliche Verwaltungen mit gutem Beispiel vorangehen müssen. In Berlin ist dies teilweise schon geschehen. Dort heftete beispielsweise das Bezirksamt Charlottenburg an die Lohnabrechnungen eine Information, an wen sich Betroffene im Falle häuslicher Gewalt wenden können. Über 2.300 Mal wurde diese Information verbreitet. Die Reichweite dieser und anderer Maßnahmen wird derzeit wissenschaftlich untersucht. Die Behörden in Schleswig-Holstein können ebenfalls diesen Weg gehen.
Für mich ist noch Folgendes wichtig: Ich warne beim Thema häusliche Gewalt vor Aktionismus. Die betroffenen Frauen sind in besonderem Maße auf verlässliche Strukturen angewiesen, die sie langfristig unterstützen und begleiten.
Damit sind wir wieder einmal mitten in den Haushaltsberatungen; denn effektive Politik gegen häusliche Gewalt muss solide finanziert werden, damit Beratungsstellen, Frauenhäuser und andere Institutionen ihr Know-how weiterentwickeln können und auch die Strafverfolgungsbehörden, alle also, immer auf dem neuesten Stand sind.
Es geht letztlich darum, Frauen auf dem Weg aus ihrer Opferrolle heraus zu begleiten und zu unterstützen, die Kinder zu schützen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Dazu benötigen wir
selbstverständlich klare Worte, damit das täterschützende Tabu endlich der Vergangenheit angehört, und zwar vom Chefarzt genauso wie vom Abteilungsleiter und vom Handwerksmeister.
Daneben bleiben wir aber auch auf die professionellen Strukturen in Schleswig-Holstein angewiesen. Dazu gehören KIK, Frauenhäuser, Notruf und viele andere, die Frauen in dieser Situation unterstützen. Schleswig-Holstein nutzt auch konsequent das Mittel der Wegweisung der Täter. Auch das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die gesellschaftliche Ächtung von Gewalthandlungen - genau dafür ist Workplace Policy ein wichtiger Baustein - kann nur von uns allen ausgehen. Aus diesem Grund unterstütze ich die Überweisung an den Ausschuss. Es ist aber auch wichtig - Frau Kollegin Tenor-Alschausky hat bereits darauf hingewiesen -, dass man sich nicht offenbaren muss. Man soll aber weiterhin auch von Arbeitgeberseite die Frauen unterstützen, damit sie endlich auf verlässliche Hilfestrukturen zurückgreifen können. Es geht um Unterstützung auf dem Weg aus der Opferrolle heraus. Das halten wir für mit Abstand am wichtigsten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Workplace Policy ist nicht nur ein gesellschaftliches, sondern vor allen Dingen ein arbeitsrechtliches Thema. Es wurde zunächst in Großbritannien aufgegriffen, da es dort keine Strukturen in dieser Hinsicht gab. Anders ist es jedoch in Schleswig-Holstein.
Liebe Kollegin Prante, wie können Sie behaupten, dass man in schleswig-holsteinischen Unternehmen dafür nicht sensibilisiert sei und die Umsetzung noch nicht erfolgt sei? Die freiwillige Sensibilisierung findet über Betriebsvereinbarungen statt. Wie wollen Sie diese alle überprüft haben? Mir fällt mindestens ein Unternehmen ein, das eine entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen hat. Betriebsvereinbarungen werden gemeinsam mit Betriebsräten in den Unternehmen geschlossen.
Des Weiteren gibt es in Unternehmen Betriebsärzte, in den größeren auch Gleichstellungsbeauftragte. Für beide finden Fortbildungen statt. Frau Kollegin Klahn hat es bereits gesagt: Fortbildung findet auch im Rahmen des KIK-Netzwerks in Schleswig-Holstein statt; die Koordinatorinnen in den Kreisen sind Ansprechpartner. Im Gleichstellungsministerium ist ebenfalls eine Koordinatorin tätig. Ich betone: Hier sind keine Kürzungen geplant. Anderslautende Behauptungen sind schlichtweg falsch.
Des Weiteren weise ich darauf hin, dass die Verpflichtung, die Sie in Ihren Antrag aufgenommen haben, einen Eingriff in die Privatautonomie darstellt. Es bedarf eines Bundesgesetzes, um dies zu verändern. Das kann nicht unser Ansinnen sein.
Wir haben eine Struktur. Diese haben wir schon gestärkt, und wir stärken sie weiterhin. Es bedarf keiner weiteren Struktur auf diesem Feld.
Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Kollegin Dr. Marret Bohn von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der soeben gehörte Dreiminutenbeitrag sollte nicht der letzte in dieser Debatte gewesen sein.