Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

Es gibt einen Punkt, den wir kritischer sehen als CDU und FDP. Das ist die Frage, ob SchleswigHolstein allein die Performance machen soll. Ich sage Ihnen: Wir wollen nicht, dass Schleswig-Holstein zum Las Vegas des Nordens wird. Zockerparadies? - Nein danke. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, gemeinsam mit den anderen Bundesländern nach Lösungen zu suchen. Noch scheint dies sehr weit weg zu sein. Ich vertraue hier Ihrer Argumentation und Ihrer Vernetzungskunst. Sollte

(Monika Heinold)

es gelingen, gemeinsam mit den anderen Ländern eine vernünftige Lösung in dem Sinne hinzubekommen, wie ich ihn genannt habe, dann wäre das für Schleswig-Holstein und für Deutschland insgesamt richtig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Kollegin Heinold, ist Ihnen bekannt, dass sich mittlerweile die Landesregierungen in Niedersachsen und in Bayern mit der Erklärung des Innenministers für ein solches schleswig-holsteinisches Modell ausgesprochen haben?

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie würden Sie das im Rahmen der Unterstützung für unseren Vorschlag gewichten?

- Mir ist bekannt, dass in allen Bundesländern und quer durch Parteien, Fraktionen und Landesregierungen munter diskutiert wird. Mir ist bekannt, dass die Grünen in dem einen Bundesland sagen, Glücksspielmonopol erhalten und verschärfen. Ich kann das für meine Partei sagen. In einem anderen Bundesland wird gesagt, das müsse man kritischer betrachten. Das geht bei der CDU auch querbeet durch die Reihen. Bei den Landesregierungen ist mir die Position in der Deutlichkeit, in der Sie sie geschildert haben, nicht bekannt. Ich kenne hier auch keine Landtagsbeschlüsse. Ich weiß aber, dass es Landesregierungen gibt, die offen über Ihr Modell nachdenken. Ich habe auch gesagt, dass ich sehr froh wäre, wenn Sie erfolgreich wären. Ich bin nicht dagegen. Wenn Sie oder wir am Schluss jedoch allein dastehen, dann sage ich: Lieber für alle gemeinsam ein Monopol, als den Markt allein öffnen. Das sage ich, obwohl ich eigentlich für das andere Modell bin.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Frau Kollegin Heinold, ist Ihnen bekannt, dass man Verhandlungserfolge nur dann erzielt, wenn man dem Verhandlungspartner auch deutlich macht, dass man im Zweifel nicht gewillt ist, auf seine Position einzugehen?

(Zurufe)

- Wir waren hier erfolgreicher als Sie. - Ist Ihnen bekannt, dass wir bundesweit nicht so weit in der Diskussion wären, wenn Schleswig-Holstein den Weg bisher nicht so beschritten hätte, wie es ihn beschritten hat?

- Herr Kubicki, da ich neun Jahre lang in einer Koalition war, weiß ich ziemlich genau, wann man Verhandlungserfolge erzielt und wann nicht. Ich gehe davon aus, dass Sie das auch relativ gut wissen. Wir werden uns bei der Abstimmung über den Antrag von CDU und FDP enthalten, weil er die Möglichkeit der isolierten Performance beinhaltet. Den Antrag der SPD lehnen wir ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, HeinzWerner Jezewski, hat das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! In der Bundesrepublik Deutschland gibt es bis heute ein Glücksspielmonopol, und zwar aus gutem Grund. Ich wundere mich darüber, mit wie wenig Sachverstand und Fachkenntnis eine solche Debatte -

(Lachen des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

- Kollege Arp, wenn Sie hier behaupten, es gäbe keinen Graumarkt beim Lotto, dann lade ich Sie recht herzlich ein, am Wochenende mit mir Brötchen zu holen. In dem Kiosk, in dem ich Brötchen kaufe, gibt es einen Apparat, an dem ich auf den Ausgang der Lottoziehung von Samstagabend wetten kann. Das hat mit dem deutschen Lotto überhaupt nichts zu tun, aber ich kann an diesem Apparat wetten. Wenn die sechs Zahlen, die Sonderzahl und die Zusatzzahl gezogen werden, dann garantiert mir der Veranstalter, dass er mir den gleichen Betrag zahlt wie der Deutsche Lottoblock, auch wenn das eine zweifelhafte Garantie ist. Daher gehen die

(Monika Heinold)

Umsätze beim Lotto nicht zurück, aber die Umsätze des Deutschen Lottoblocks gehen erheblich zurück.

Kollegin Loedige, ich freue mich auf die Tausenden von Online-Anbietern von den Bahamas und den Cayman Inseln, die zukünftig in SchleswigHolstein Lizenzen beantragen werden. Sie haben das gerade so gesagt. Der Staat behält sich vor, Glücksspiele durchzuführen, weil er so dafür sorgen kann, dass das Glücksspiel niemanden in den Ruin führt, und damit er die kriminellen Begleiterscheinungen des Glücksspiels eindämmen kann. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Kriminelle Begleiterscheinungen sind für mich einfach das kriminelle System. Unser großer blonder Tennisheld ist eigentlich nur Teil einer kleinen Glücksspielmafia.

Jeder weiß aber ohnehin, dass das Monopol heute faktisch schon gar nicht mehr existiert. An jeder Ecke findet man sogenannte Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit, an denen man laut gesetzlicher Vorgabe 80 € in der Stunde verlieren kann. Bei drei nebeneinander aufgestellten Geräten - die werden von Spielsüchtigen häufig gleichzeitig benutzt summiert sich der Verlust auf 240 €. Wenn der Weg von einem Raum der Spielhölle in den nächsten nicht zu weit ist, schafft man locker auch 480 € oder 720 €. Hier haben wir also staatlich geregeltes, aber nicht mehr monopolisiertes Glückspiel an jeder Ecke.

Wenn es jetzt nach dem Willen einiger weniger geht - und bei dieser Landesregierung habe ich mich daran gewöhnt, dass es ja immer nach dem Willen einiger weniger geht -, dann werden wir in absehbarer Zeit das Gleiche auch bei den Spielbanken und bei den Sportwetten erleben. Wer das also möchte, wer das nötige Startkapital und die notwendigen Beziehungen hat, der kann dann ein Spielcasino betreiben: Der Staat lizenziert, der Staat wird ein wenig beaufsichtigen und Konzessionsgelder kassieren, aber ansonsten hält er sich raus.

Das ist ein gutes Modell - zumindest für diejenigen, die Konzessionen erwerben. Die Verluste der Spieler - zu einem erheblichen Teil Spielsüchtige - wandeln sich am Pokerstisch oder beim Roulette in Gewinne des Betreibers. Die gesellschaftlichen Folgekosten aber - hier erinnere ich an meinen gestrigen Beitrag; Sie werden da Parallelen erkennen für die Bekämpfung der Beschaffungskriminalität und die Behandlung der Süchtigen übernimmt der Staat. Dafür kassiert der Staat auch Konzessionsgebühren und Steuern, die lange nicht ausreichen, aber er kassiert. Die Frage ist für mich nur: Warum

kassiert der Staat eigentlich nicht auch die Gewinne der Betreiber?

(Beifall bei der LINKEN)

Die wandern - sein wir doch ehrlich - sicher nur zu einem sehr geringen Prozentsatz als Spenden an Ihre Parteien und in das Gemeinwesen zurück.

Es gibt eigentlich nur ein stichhaltiges Argument, etwas am Glücksspielstaatsvertrag zu ändern, und das Argument sagt, illegales Glücksspiel nimmt immer mehr zu. Die Spieler weichen mangels attraktiver Angebote auf ausländische Angebote aus, die über das Internet zugänglich sind. Das machen Raucher genauso. Immer mehr Raucher kaufen illegal ihre eingeführten Zigaretten bei Schwarzhändlern. Sollen wir nicht aus diesem Grund das Tabakmonopol aufheben? - Ich hoffe, ich habe die Landesregierung jetzt nicht auf eine Idee gebracht. Ich wollte nur zeigen, wie dumm die Aufhebung des Monopols für das Glücksspiel ist.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Das haben Sie be- wiesen!)

Vor wenigen Wochen haben wir darüber diskutiert, wie wir den Jugendschutz im Internet verbessern können. Von Ihrer Seite kam immer wieder das Zauberwort vom Filtern jugendgefährdender Angebote. Wie wäre es denn, wenn wir uns einmal Gedanken darüber machten, illegale Glücksspielangebote in Deutschland effektiv zu bekämpfen?

(Beifall bei der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Aber das machen wir nicht, wir laden lieber ihre Protagonisten zu Anhörungen über Gesetzentwürfe ein.

Aber das geht auch nur, wenn wir ein staatlich monopolisiertes Glückspielwesen haben. So hat es der Europäische Gerichtshof ausdrücklich in sein Urteil geschrieben, weil nämlich das bisherige Monopol - was durchaus zulässig ist - nicht durchgesetzt wird. Weil es nicht durchgesetzt wird, verstößt es gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im europäischen Recht. Dass aber dieses Monopol nicht durchgesetzt wird, das haben nicht irgendwelche dubiosen Gangster und Wettanbieter aus dem Ausland zu verantworten, sondern die derzeit im Land regierenden Bundes- und Landesregierungen.

Nehmen Sie also den Antrag der SPD, meine Damen und Herren von der Landesregierung. Nehmen Sie ihn nicht nur, sondern nehmen Sie ihn auch ernst. Wenn nämlich der Staat seine eigenen Ge

(Heinz-Werner Jezewski)

setze bricht und dafür vom Europäischen Gerichtshof gerügt wird, dann sollten wir nicht die Gesetze ändern, sondern zunächst einmal dafür sorgen, dass der Staat sie einhält.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Für die Fraktion des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den SSW möchte ich eins gleich zu Beginn festhalten: Die enormen Einnahmen aus dem Glücksspiel sind völlig zu Recht zweckgebunden und müssen insbesondere für die Bereiche Suchtprävention und Spielerschutz verwendet werden. An diesem Grundsatz darf aus unserer Sicht nicht gerüttelt werden, auch wenn der Druck vonseiten der privaten Anbieter auf die Politik noch so stark ist. Eine Freigabe des Glücksspielmonopols, wie von CDU und FDP angestrebt, birgt erhebliche und zum Teil kaum absehbare Risiken.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das ist Dänemark!)

Der SSW siedelt das Allgemeinwohl in jedem Fall höher an als die Gewinnmöglichkeiten der privaten Anbieter in einem liberalisierten Glücksspielmarkt.

Ich teile die Auffassung der antragstellenden SPD, nach der das Urteil des Europäischen Gerichtshofes keinesfalls bedeutet, dass das staatliche Glücksspielmonopol nun gekippt und der Weg für den Einstieg gewinnorientierter Privater frei ist. Das Urteil gibt uns vielmehr den Auftrag, die wesentlichen Ziele der Suchtbekämpfung, des Spieler- und Verbraucherschutzes und der Betrugsvorbeugung nachdrücklicher zu verfolgen. Das ist genau das, was der Kollege Jezewski gesagt hat. Das ist richtig. Wir sollen unsere eigenen Gesetze einhalten, das ist der eigentliche Inhalt dieses Urteils, und wir sollen nicht die Gesetze ändern.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei der SPD)

Der geltende Staatsvertrag gibt mit der Schaffung von Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung das übergeordnete Ziel vor. Dies ist im Sinne eines konsequenten Spielerschutzes, dient dem Allgemeinwohl und rechtfertigt - sofern es

denn ehrgeiziger verfolgt wird als bisher - auch weiterhin das staatliche Glücksspielmonopol.

Der uns vorliegende CDU/FDP-Entwurf für den neuen Glücksspielstaatsvertrag beziehungsweise der Antrag trägt leider eindeutig die Handschrift der Glücksspiellobby und ist aus unserer Sicht völlig ungenügend. Werbebeschränkungen für das Glücksspiel sollen gelockert, der Vertrieb von Online-Casinospielen durch Private zugelassen und das Internetverbot gänzlich aufgehoben werden. Dies sind nur einige Beispiele, die deutlich belegen, welch geringen Stellenwert die Suchtprävention und der konsequente Spielerschutz in diesem Entwurf haben. Dabei ist gerade für den Aspekt der Suchtbekämpfung doch völlig eindeutig, dass eine Ausweitung des Angebots auch ein erhöhtes Suchtpotenzial für eine wachsende Zahl von Menschen birgt. Deshalb, meine Damen und Herren, geht es in der Tat darum, dieses Suchtpotenzial einzudämmen und nicht auch noch auszuweiten. Das widerspricht nun völlig dem, was wir in den letzten Jahrzehnten gemacht haben.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei der SPD)

Auch wir erkennen die Tatsache an, dass es ein natürliches Spielbedürfnis der Bevölkerung gibt und dieses in geordnete Bahnen gelenkt werden muss. In einer Ausweitung des Angebots und einem erleichterten Zugang sehen wir aber ganz sicher nicht den richtigen Weg. Geht es nach CDU und FDP, wird die Verfügbarkeit und damit auch eine beliebige Spielfrequenz und Einsatzhöhe für ein Onlinespiel künftig sogar über das Handy oder den Computer im stillen Kämmerlein möglich. Ich halte es für naiv und auch sehr gefährlich zu glauben, dass dies zu einem effektiven Spielerschutz beiträgt. Denn sowohl Spielfrequenz als auch Einsatzhöhe sind maßgebliche Faktoren für die Entstehung von Spielsucht. Hier müssen schärfere Vorgaben gemacht werden, und eigentlich müssten diese Anbieter durch Abgaben ebenfalls für die Umsetzung der übergeordneten Ziele herangezogen werden.