Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder und Jugendliche brauchen Unterstützung. Kinder und Jugendliche, die unter schwierigen oder schwierigsten Rahmenbedingungen aufwachsen und auch im Hinblick auf ihre soziale Integration Gefahren ausgesetzt sind, brauchen besondere Unterstützung.

CDU und FDP in Schleswig-Holstein haben daher im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die Rahmenbedingungen für eine kinderfreundliche Gesellschaft schaffen werden, in der sich Kinder zu individuellen, selbstbewussten Persönlichkeiten entwickeln können. Der Kampf gegen soziale Benachteiligungen und Kinderarmut, der Schutz von Kindern gegen häusliche Gewalt und die Sicherstellung von Lebens-, Bildungs- und Verwirklichungschancen von Kindern und Jugendlichen gehören zu den Prioritäten der Landesregierung.

Damit befinden wir uns in Übereinstimmung mit der Volksinitiative „Kinderrechte stärken - Armut bekämpfen“, die vorgeschlagen hat, den bereits im Jahr 2008 neu eingefügten Artikel 6 a der

Landesverfassung noch detaillierter auszuformen. Wir starten ja nicht bei null, wie man manchmal denken könnte.

Der nunmehr erfreulicherweise sowohl von den Regierungs- als auch von den Oppositionsfraktionen mit Ausnahme der LINKEN vorgelegte Vorschlag zur Ergänzung des geltenden Landesverfassungsrechts nimmt aus Sicht der Landesregierung die Absicht der Volksinitiative auf und fügt sie in die Landesverfassung als Grundordnung für das Staats- und Gesellschaftsleben in Schleswig-Holstein ein, ohne jedoch in die Gefahr zu verfallen, Herr Jezewski, jetzt schon ausformende weitere Gesetze dazu zu formulieren. Das ist nämlich das System, das bei uns dazu dient, dies noch weiter zu konkretisieren.

Als Verfassungsminister des Landes möchte ich dazu zwei Anmerkungen machen.

Erstens. Es ist völlig klar und eigentlich auch selbstverständlich, dass Kinder und Jugendliche wegen der Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben gleichermaßen einen Anspruch auf faire Bildungs- und Entwicklungschancen haben. Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist besonders verwerflich und daher durch den Staat und durch die Gesellschaft in deutlicher Weise zu ächten. Bei allem natürlich auch notwendigen verfassungspolitischen Engagement im Land erinnere ich aber daran, dass das Kindeswohl genauso wie das Erziehungsrecht und die Erziehungspflicht der Eltern verfassungsrechtlich bereits im Bundesverfassungsrecht, das heißt im Grundgesetz, geregelt ist. Artikel 6 GG wird über den Artikel 2 a unserer Landesverfassung, nämlich der Geltung der Grundrechte, auch zu einem Landesgrundrecht.

(Unruhe)

Einen Augenblick, bitte, Herr Minister. - Ich finde, bei diesem zentralen Thema, das unsere Verfassung berührt, sollten wir dem Verfassungsminister ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Der neu gefasste Artikel 6 a der Landesverfassung bleibt daher dort, wo er Kindern und Jugendlichen subjekte Rechte auf gewaltfreie Erziehung, auf Bildung, auf soziale Sicherheit und auf die Förde

(Heinz-Werner Jezewski)

rung ihrer Entwicklung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten einräumt, immer auch abhängig von der vorrangigen Geltung des Grundgesetzes. Die Reichweite des im Grundgesetz bestimmten Schutzes des Kindeswohls kann und soll bei keiner Auslegung des künftigen Artikels 6 a unserer Verfassung unterschritten werden können.

Zweitens. Die Neufassung des Artikels 6 a unserer Verfassung benennt Kinder und Jugendliche ausdrücklich als Träger von Rechten. Ich rufe uns allen einen verfassungsrechtlichen Konsens ins Gedächtnis, den das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1968 formuliert hat, und zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin. Das Bundesverfassungsgericht hat Folgendes gesagt:

„Das Kind ist ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit. Eine Verfassung, welche die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertesystems stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen grundsätzlich niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen, die nicht zugleich pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren. Die Anerkennung der Elternverantwortung und der damit verbundenen Rechte findet daher ihre Rechtfertigung darin, dass das Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln, wie sie dem Menschenbilde des Grundgesetzes entspricht.“

Diese Worte des Bundesverfassungsgerichts wurden vor 42 Jahren formuliert, und sie sind heute noch immer leitendes Motiv für die Verfassungspolitik zum Schutz unserer Kinder und Jugendlichen.

(Beifall bei CDU und FDP - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Sehr gut!)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/995 sowie den Änderungsantrag Drucksache 17/1027 federführend dem Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ladenöffnungszeitengesetzes (LöffZG)

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/806

Bericht und Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses Drucksache 17/1006

Ich erteile dem stellvertretenden Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses, dem Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich verweise auf die Drucksache des Wirtschaftsausschusses und bitte um Beratung.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen zum Bericht sehe ich nicht. Daher eröffne ich die Aussprache. Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat gemeinsam mit der FDP-Fraktion auf eine Aussprache zu diesem Thema gedrängt, weil uns die letzte Sitzung des Wirtschaftsausschusses doch ein wenig nachdenklich gemacht hat. Aber der Reihe nach.

Wir haben in Schleswig-Holstein ein modernes Ladenöffnungszeitengesetz und eine - wie ich meine - ausgewogene Bäderverordnung verabschiedet.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Wir haben dabei unternehmerische Freiheiten, touristische Notwendigkeiten und neue Konsumgewohnheiten berücksichtigt. Und wir haben auch dem wichtigen Schutz des Sonntags Rechnung getragen und selbst bei anfänglichen Auswüchsen wie in der Landeshauptstadt Kiel erfolgreich interveniert. Wir haben eben nicht alles freigegeben, sondern mit Rücksicht auf unsere christlichen Werte und Überzeugungen und auf den Familienzusammenhalt Grenzen gesetzt. Wir alle hier, die daran

(Minister Klaus Schlie)

mitgearbeitet haben, können stolz auf dieses Ladenöffnungszeitengesetz in Schleswig-Holstein sein.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Wir können auch deswegen stolz darauf sein, weil kaum eine andere Regelung im Vorfeld so intensiv diskutiert wurde, wie diese beiden Rechtsvorschriften. Wir haben Verbände angehört, Betroffene befragt, und Kritiker sind zu Wort gekommen. Wir haben selbstverständlich mit den Kirchen gesprochen, mit den Unternehmern, mit den Gewerkschaften. Es gab eine breite gesellschaftliche Diskussion, bei der das Attribut ,,umfassend“ noch deutlich untertrieben wäre. Dementsprechend war auch der gesellschaftliche Konsens nach meiner Überzeugung sehr groß. Und dieser Konsens wurde eben nicht durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichtshofs in Greifswald zur Bäderregelung in Mecklenburg-Vorpommern aufgehoben. Die Landesregierung, CDU und FDP, haben es mehrfach wiederholt: In Schleswig-Holstein gibt es andere Voraussetzungen, die Situationen und die rechtlichen Grundlagen der Bäderregelungen sind nicht vergleichbar.

(Beifall bei CDU und FDP)

Aber - und das sage ich gerade am heutigen Tag ganz bewusst - ich sage auch den Kirchen zu, dass wir selbstverständlich mit ihnen weiter im konstruktiven Gespräch bleiben werden.

Vor diesem Hintergrund sind die Vorwürfe des Kollegen Dr. Tietze im Wirtschaftsausschuss nicht akzeptabel.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Der Kollege Dr. Tietze hat uns dort vorgeworfen, eine gesellschaftspolitische Debatte abzuwürgen. Er wirft uns vor, an den Bürgern vorbeizuregieren. Die Grünen werfen uns - aufgepasst! - tatsächlich Lobbypolitik vor, ja sogar Neoliberalismus.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Das ist ungeheuerlich und entbehrt jeder Grundlage.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es gibt auch keine Gesellschaftsdebatte dazu: Einen Gesellschaftskompromiss - ich habe es gesagt gibt es bereits. Aber es gibt einen anderen Grund, warum Sie, lieber Kollege Dr. Tietze, dieses Fass offenbar jetzt neu aufmachen müssen. Seit dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Wahlgesetz

verwechseln Sie Oppositionspolitik immer wieder mit Populismuspolitik.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ihre Umfragewerte lassen Sie blind taumeln, und Sie verabschieden sich von der Sachpolitik und machen an vielen Stellen nur noch Klamauk. Dieser Klamauk geht sogar so weit, dass der Kollege Dr. Tietze im Wirtschaftsausschuss die seiner Meinung nach viel zu lange Liste der Gemeinden beklagt, die unter die Bäderregelung fallen. Lieber Kollege Dr. Tietze: Seit 2005 ist die Liste der Ausflugsgemeinden in der Bäderregelung nicht länger geworden, sie stammt komplett aus der Zeit grüner Regierungsbeteiligung.

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe von CDU und FDP: Hört, hört!)

Und es waren wir, die seit 2005 die Wünsche vieler Gemeinden auf Aufnahme in die Bäderregelung abgelehnt haben.

(Zuruf von der SPD: Sie sind ja ein Held!)

- Ja. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, die Debatte um den Sonntagsschutz ist zu ernsthaft, als dass wir Ihnen diesen Klamauk durchgehen lassen.