Protokoll der Sitzung vom 19.11.2010

Auch bei dem geplanten Wechsel von IFM-GEOMAR aus der Leibniz-Gemeinschaft in die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren wird ein Schwerpunkt Meeresforschung in der Wissenschaftslandschaft Schleswig-Holstein in enger Verbindung mit der Christian-Albrechts-Universität erhalten bleiben. Die Aufnahme des IFM-GEOMAR in die Helmholtz-Gemeinschaft bietet die Möglichkeit, an einer großen Forschungsgemeinschaft teilzuhaben, die programmatisch in großem Umfang diese Mittel zur Verfügung stellt.

Ich darf an dieser Stelle sagen, dass die Gespräche mit dem Bund und den beteiligten Einrichtungen ausgesprochen gut laufen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das Kieler Modell, das heißt, die Verbindung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit der Universität, aufrechterhalten können. Ich glaube, dass damit eine Stärkung des IFM-GEOMAR, aber auch der deutschen Meeresforschung erreicht wird.

Was wir auch im wissenschaftspolitischen Sinne brauchen, ist eine stärkere Strategiefähigkeit bestimmter Forschungsfelder auf nationaler Ebene. Dem wird auch dadurch Rechnung getragen, dass ein Wechsel in die Helmholtz-Gemeinschaft stattfindet.

Hinsichtlich Neubauvorhaben darf ich darauf hinweisen, dass das Center of Brain, Behaviour and Metabolism - CBBM - in Lübeck vom Wissenschaftsrat genehmigt worden ist und die Maßnahmen dort beginnen. Das heißt, der infrastrukturelle Ausbau der Forschung in Lübeck geht weiter.

Meine Damen und Herren, in dem Konzept haben wir aber nicht verschwiegen, dass wir im BundLänder-Vergleich Defizite haben. Der Bund hat die Föderalismusreform genutzt, um sich aus dem Hochschulbau weitgehend zu verabschieden. Das bringt viele Länder in große Engpässe zulasten von

(Minister Jost de Jager)

Studierenden, Forschungseinrichtungen und Personal.

Trotz der demografischen Entwicklung werden wir zunächst einen deutlichen Anstieg der Studierendenzahlen haben. Deshalb brauchen wir zusätzliche Studienplätze und zusätzliche Institutionen. Ich sage an dieser Stelle, dass das Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011 - unabhängig von der verteidigungspolitischen Diskussion - für die Hochschulen im Land eine Herkulesaufgabe wird. Wir reden über 1.500 zusätzliche Studienanfänger, die auf die Hochschulen zukommen. Wir werden mit dem Bund in Kürze, noch in diesem Jahr, bereden, wie dies zu erfolgen hat. Ich sage schon heute, dass wir ohne eine finanzielle Unterstützung des Bundes nicht in der Lage sein werden, in der Kürze der Zeit die Studienplätze aufzubauen, die wir dafür brauchen. Insofern haben wir ein weiteres Thema bezüglich der Föderalismusreform und der Bund-Länder-Finanzierung im Bereich der Wissenschaft.

Die Zeit galoppiert davon. Es ist in diesem Landtag schon mehrfach diskutiert worden, dass wir eine Fortführung der Föderalismusreform brauchen. Ich freue mich, dass die Fraktionen auf dem Weg sind, trotz ihrer freundlichen Kommentare dazu, Herr Stegner, eine fraktionsübergreifende Entschließung auf den Weg zu bringen, denn ich glaube, es ist richtig, dass wir hier eine gemeinsame Position einnehmen und sagen: Auf Dauer werden sich zumindest die finanziell schlechter aufgestellten Länder eine solche Wissenschaftslandschaft, wie wir sie in Schleswig-Holstein haben, nicht erlauben können, wenn wir nicht zu anderen Finanzierungen zwischen Bund und Ländern kommen.

(Beifall bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern wäre eine geeinte Auffassung des Landtags dazu eine Unterstützung der Landesregierung, diese Dinge auf der bundespolitischen Ebene zu bewegen.

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um 4 Minuten 30 Sekunden überschritten. Diese Zeit steht jetzt jeder Fraktion für die Aussprache zu Verfügung. Ich eröffne die Aussprache. Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Daniel Günther das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich bei der Landesregierung für die Vorlage dieses schlüssigen Konzeptes. Die Idee stammt von CDU und FDP, den regierungstragenden Fraktionen. Wie gut die Idee war, ein hochschulpolitisches Konzept der Landesregierung einzufordern, habe ich offen gestanden erst erkannt, als ich die Vorlage gesehen habe. Diese wird die Opposition dazu zwingen, dass wir uns hier im Landtag und auch in den zuständigen Fachausschüssen in der Tat darüber auseinanderzusetzen haben, welche unterschiedlichen Konzeptionen es bei uns im Land darüber gibt. Wir haben die Debatten in den vergangenen Wochen und Monaten immer isoliert an Einzelmaßnahmen geführt, wodurch es der Opposition sicherlich leicht gemacht wurde, bei dem einen oder anderen Thema, das auch in der öffentlichen Diskussion gestanden hat, auszuscheren, ohne konkret zu sagen, wo aus Sicht der Opposition die Alternativen liegen.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr heißt wir, oder?)

Das wird es in Zukunft nicht mehr gehen, weil dieses Konzept klar aufzeigt, dass diese Landesregierung die Hochschulpolitik in diesem Land anhand von klaren Leitplanken vorantreibt. Es geht um Autonomie. Es geht um professionelle Managementstrukturen, und es geht um Flexibilisierung. Alle Gesetze, die - offengestanden - schon gemeinsam mit der SPD 2007 beschlossen wurden, insbesondere aber die Hochschulgesetznovelle, die wir jetzt vor uns haben und die von CDU und FDP getragen werden wird, setzen diesen Prozess konsequent fort. Mich interessieren die alternativen Vorstellungen, die es dazu über die Fragen gibt, die der Leitfaden dieses Konzeptes sind. Wenn es um Zielvereinbarungen, das heißt um langfristige Planungssicherheit an den Hochschulen in Fünfjahreszeiträumen geht, dann glaube ich, dass es gut ist, wenn wir das in Zukunft fortsetzen.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Dieses Konzept zeigt ganz klar auf, dass es von der Landesregierung richtig gewesen ist, angesichts der finanziellen Lage, die wir in Schleswig-Holstein haben, klare Strukturentscheidungen zu treffen und eben keine Globalkürzungen durchzuführen. Die Beispiele, die in diesem Bericht aufgeführt werden, zeigen deutlich, wozu es geführt hätte, wenn man an den Hochschulen mit der Rasenmähermethode die Gelder gekürzt hätte, und was für

(Minister Jost de Jager)

dramatische Konsequenzen das für unseren Hochschulstandort gehabt hätte. Deshalb bleibt die Entscheidung der Landesregierung richtig, so schwer es manchmal auch ist, klar in die Strukturen hineinzugehen.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wenn wir nicht auf unsere Stärken fokussieren, wenn wir nicht auf Alleinstellungsmerkmale wie Medizintechnik, Biomedizin, erneuerbare Energien und Meeresforschung setzen, dann werden wir als Hochschulstandort in Schleswig-Holstein nicht konkurrenzfähig bleiben. Deswegen sind Vernetzung und Kooperation wichtig. Das wird auch in Zukunft fortgesetzt.

Es ist auch richtig gewesen, dass wir in SchleswigHolstein nicht lange über die Frage lamentiert haben, ob der Bologna-Prozess nun richtig sei, sondern ihn einfach umgesetzt haben. 93 % unserer Studiengänge sind Master- und Bachelor-Studiengänge. Damit sind wir in Deutschland spitze. Deshalb ist die Zufriedenheit der Studierenden in Schleswig-Holstein mit der Umsetzung dieses Prozesses auch deutlich höher als in anderen Bundesländern. Das haben die Demonstrationen in anderen Bundesländern unter Beweis gestellt.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Natürlich haben wir Nachsteuerungsbedarf. Ich glaube, dieser wird von Teilen der Opposition auch anerkannt, und zwar in der Hinsicht, dass es, was Arbeits- und Prüfungsbelastungen der Studierenden angeht, in der Tat Erleichterungen gibt. Man hat auch dort auf Argumente gehört und versucht, diese Dinge im laufenden Prozess umzusetzen.

Trotz der schwierigen finanzieller Lage werden wir im Rahmen des Hochschulpaktes in Schleswig-Holstein 10.000 zusätzliche Studienanfängerplätze zur Verfügung stellen müssen. Ich halte das auch für richtig. Der Minister hat eben die Stichworte Wehrpflicht und doppelte Abiturjahrgänge genannt. Wir brauchen diese Kapazitäten in Schleswig-Holstein, so schwierig es auch sein wird, sie entsprechend zu finanzieren.

Eine internationale Ausrichtung ist wichtig. Sie ist - genauso wie Forschung und Technologietransfer - in Schleswig-Holstein auf einem guten Weg. Wir werden in den nächsten Jahren dankbar dafür sein, wie früh wir uns hier auf den Weg gemacht haben und wie früh wir dafür Sorge getragen haben, dass wir für die Einwerbung von Drittmitteln mög

lichst optimale Bedingungen geschaffen haben, denn hier haben wir an einzelnen Universitäten und zum Teil auch Fachhochschulen Erfolge erreicht, die uns helfen werden. Deshalb ist es aus meiner Sicht unabdingbar, dass wir bei der Exzellenzinitiative im zweiten Teil erfolgreich sein werden. Auch im ersten Teil der Exzellenzinitiative haben wir in einigen Projekten, die wir hier nach Schleswig-Holstein geholt haben, Erfolge erreicht.

Man kann über das Thema Exzellenzförderung gern und trefflich streiten, aber darüber wird zukünftig eine Bundes- und auch eine EU-Förderung nach Schleswig-Holstein geholt werden können. Genau deswegen ist es richtig, dass wir die Hochschulen bei ihren Bewerbungen unterstützen. Es ist auch wichtig für Schleswig-Holstein, dass das letztlich erfolgreich sein wird. Ich glaube, wir sind mit der Hochschulpolitik insgesamt auf einem guten Weg. Ich freue mich auf die Diskussionen in den Ausschüssen darüber, wie die Vorstellungen der Opposition in diesen Bereichen sind.

Ich beantrage für meine Fraktion die Überweisung an die zuständigen Fachausschüsse.

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordne- ten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich ein Versäumnis nachholen, für das ich mich entschuldige. Lassen Sie uns auf der Tribüne herzlich die zweite Gruppe von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften der Eckener-Schule, Flensburg, begrüßen. - Ich wünsche Ihnen einen interessanten Vormittag! Wir bedanken uns für Interesse.

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Bernd Habersaat das Wort.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Martin heißt der Mann!)

- Ich korrigiere das gern für das Protokoll. Ich erteile Herrn Abgeordneten Martin Habersaat das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Stell dir vor, die Regierung hat ein Konzept, und keiner soll es hören. Der Wissenschaftsminister legt ein hochschulpolitisches Konzept über 100 Seiten vor, gespickt mit Daten, Fakten und politischen Aussagen, aber die Regierung besteht zu

(Daniel Günther)

nächst nicht darauf, dass es auch diskutiert wird. Der späte Freitagnachmittag der Plenartagung im Oktober sollte es erst sein, dann doch lieber der November. Nun sind wir wieder am Freitag und füllen immerhin die Lücke im Programm, die Minister Schlie uns gelassen hat. Gleichwohl ist eine solche Zusammenstellung von Strukturdaten über unsere Hochschulen in jedem Fall nützlich. Dafür bedanke ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wissenschaftsministeriums.

(Beifall des Abgeordneten Niclas Herbst [CDU])

Die Tatsache, dass heute ein hochschulpolitisches Konzept der Landesregierung vorliegt, macht aber auch etwas anderes klar: Es fehlte vorher. Erst Konzeption, dann Aktion. Das wäre in den vergangenen Monaten oft hilfreich gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Habersaat, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Günther zu?

Wenn es der Sache dient.

Meine Zwischenfragen dienen immer der Sache.

Herr Habersaat, ist Ihnen bekannt, dass über die Festlegung der Tagesordnung eines Landtages und darüber, welche Punkte wann diskutiert werden, nicht die Landesregierung zu befinden hat, sondern dass das vom Landtag festgelegt wird?

- Das weiß ich. Ich hatte allerdings den vagen Eindruck, als wäre der Ministerpräsident nicht völlig unbeteiligt daran gewesen, dass wir in dieser Plenartagung zunächst über seine Chinareise diskutiert haben.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und was sagt der Fragesteller?)

Ich möchte zu dieser Diskussion nur beisteuern, dass die Tagesordnung im Ältestenrat festgelegt wird.

Mit diesem Wissen können wir heute Abend alle beruhigt schlafen gehen.

Erst Konzeption, dann Aktion. Das wäre in den vergangenen Monaten oft hilfreich gewesen. Das möchte ich an einigen Beispielen verdeutlichen. Im Sommer dieses Jahres hatten wir vor dem Landtag eine der größten Demonstrationen, die das Landeshaus je erlebt hat. Die Teilnehmer demonstrierten unter anderem für eine Erkenntnis, die die Regierung heute selbst aufschreibt. So heißt es auf Seite 5 in der Einleitung: