Protokoll der Sitzung vom 17.12.2010

(Zuruf von der SPD: Wir denken darüber nach!)

- Herr Kollege, Sie denken darüber nach, alles zu verstaatlichen? Ich habe überhaupt nichts dagegen. Aber das Interessante ist, dass diese Modelle alle gescheitert sind. Wir wissen, dass in den verstaatlichten Bereichen deutlich mehr Sucht besteht als im nicht verstaatlichten Bereich.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Journalismus!)

- Herr Habeck, wir wissen auch alle, dass das bisher eine Schimäre war, dass das Glücksspielmonopol aufrechterhalten worden ist, um die Sucht zu bekämpfen. Es ist aufrechterhalten worden, um den Markt abzuschotten, weil man geglaubt hat, auf diese Art und Weise private Anbieter fernzuhalten und Gewinne zu generieren.

Das Problem ist nur, dass das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass sich mit dem Argument der Suchtprävention überhaupt nicht verbindet, dass man gleichzeitig Werbung betreibt, und zwar egal auf welcher Ebene. Genau auf dieser Linie hat vor

einigen Tagen das Oberlandesgericht in Schleswig Lotto Schleswig-Holstein verboten, Beilagen in Zeitungen zu packen - Tippscheine - oder auch im Internet darauf hinzuweisen, dass es Annahmestellen gibt. Es ist in sich selbst unlogisch zu erklären, wir wollen der Sucht entgegenwirken, aber gleichzeitig für das Spiel zu werben, soweit es in staatlicher Hand ist.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Europäische Gerichtshof hat das auch durchschaut. Er hat diese Art der Rechtfertigung für das staatliche Glücksspielmonopol in seinem Urteil vom 8. September 2010 scharf verurteilt und dem deutschen Gesetzgeber eine widerspruchsfreie und vor allem rechtmäßige Glücksspielpolitik verordnet.

Nun kommen die Apologeten mit den Problemen, die sie jetzt in diesem Bereich haben, nämlich dramatisch sinkende Einnahmen und einen grauen und schwarzen Markt im Sportwettenbereich, der fast 98 % des gesamten Umsatzes umfasst, und erklären, das müsse man jetzt nur weiter ausweiten. Auch die Spielhallen, auch die Spielautomaten in Gaststätten müssten unter staatliche Monopolkontrolle gestellt werden, dann werde alles besser. Es wird überhaupt nichts besser, was die Einnahmesituation angeht, weil Sie das nicht auseinandernehmen können. Das können Sie nicht in dem Moment, in dem Sie das staatliche Wettmonopol aufrechterhalten.

Ich denke, das ist wirklich eine Sternstunde des Parlamentarismus. Egal, was man von der Vorlage hält - Herr Kollege Stegner, ich will versuchen, es Ihnen zu erklären -, es ist das erste Mal, dass Parlamentsfraktionen ohne Zuarbeit aus den Ministerien, ohne dass die Verwaltung etwas vorgegeben hat, einen Gesetzentwurf erarbeitet und auf den Weg gebracht haben.

(Lachen bei der SPD)

- Ich weiß, dass Sie das nicht kennen, weil Sie das in Ihrer Zeit immer nur aus den Häusern zugeliefert bekommen haben. Auch jetzt habe ich der Rede von Herrn Beran entnommen, dass wesentliche Beiträge wahrscheinlich aus der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz geliefert worden sind. Anders kann ich mir das nicht erklären.

(Beifall bei FDP und CDU)

Es ist doch ein Stück der Rückeroberung des Parlaments, dass wir uns nicht von denjenigen, deren Fehler wir zu kritisieren haben, unsere Vorlagen schreiben lassen.

(Andreas Beran)

Herr Abgeordneter Kubicki, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Habeck zu?

Selbstverständlich, Frau Präsidentin. Ich bin ja auch reifer und ruhiger geworden.

(Heiterkeit)

Dann hätte ich gern einen großväterlichen Rat.

(Heiterkeit und Beifall)

Heißt das, dass die anderen Gesetzentwürfe der Fraktionen von CDU und FDP alle in den Ministerien ausgearbeitet wurden?

- Selbstverständlich, mein Sohn,

(Heiterkeit)

ist es so, dass wir uns bei einer Vielzahl von Gesetzentwürfen, die wir als Fraktion erarbeiten, des Rates und der Informationen aus den Ministerien bedienen, wie Sie auch. Aber da wir dieses Mal festgestellt haben, dass die Glücksspielreferenten der Länder ihre 20-jährige Überlegung verteidigen wollten, machte es keinen Sinn, auf deren Rat hören zu wollen.

(Beifall bei FDP und CDU - Dr. Robert Ha- beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank!)

Der Ministerpräsident wirft gerade ein - er darf es zwar nicht, er wirft es aber gerade ein -, er selbst habe sich natürlich aus den Ministerien beraten lassen. Aber ich hoffe, dass er unseren Vorstellungen folgt und nicht dem Rat aus den Ministerien.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir präsentieren mit unserem Gesetzentwurf des Lotteriestaatsvertrags zur Neuordnung des Glücksspiels für Schleswig-Holstein endlich eine widerspruchsfreie Glücksspielpolitik. Mit der Kombination aus staatlichem Lotteriemonopol, das wir erhalten wollen, aber mit einer anderen Begründung, nämlich mit der Begründung, die früher gegolten hat, dem Entgegengetreten gegenüber Manipulation und Betrug, sowie separaten und eigenständigen Regelungen für die übrigen Glücksspielbereiche legen wir ein modernes Regulierungskonzept vor, das nicht nur von Sport und Industrie in Deutschland seit Langem gefordert wird, sondern auch in anderen europäischen Staaten, zum Beispiel in England, Italien und jetzt auch in Dänemark, bereits erfolgreich um

gesetzt wurde. Wir öffnen den Glücksspielmarkt unter Beibehaltung des Lotteriemonopols. Das ist der Weg zu einem verfassungs- und europrechtskonformen Glücksspielrecht. Ich erkläre Ihnen in drei Punkten noch einmal genau, warum das so ist.

Erstens. Wir übernehmen bei den Lotterien auf der Ebene der Veranstaltung das Modell des Lotteriestaatsvertrags weitestgehend. Allerdings sichern wir im Unterschied zur bisherigen Regelung das Lottomonopol sinnvoll ab, indem wir uns auf die historische Begründung zurückbesinnen.

Zweitens. Wir öffnen den Sportwettenmarkt reguliert für seriöse private Anbieter und kanalisieren den Spieltrieb durch ein staatlich reguliertes Konzessionsmodell. Wir verzichten auf Internetsperren und verdrängen unseriöse Wettanbieter durch attraktive legale Angebote. In den letzten Jahren hat sich aufgrund des Glücksspielstaatsvertrags ein enormer Schwarzmarkt gerade im Sportwettenbereich gebildet. 97,5 % aller Sportwetten werden bei nicht zugelassenen Anbietern abgeschlossen. Der staatliche Anbieter Oddset verzeichnet dramatische Umsatzrückgänge und hat gegenwärtig einen Marktanteil von 2,5 %. Vor diesem Hintergrund finde ich es unglaublich, dass Herr Horak, staatliches Lotteriemonopol in Bayern, den Sportverbänden 750 Millionen € an Dotierung aus Oddset anbietet, obwohl Oddset nur 160 Millionen € Umsatz im Jahr macht. Er muss den Leuten einmal erklären, wie er das machen will.

Drittens. Wir generieren durch die Einführung einer Glücksspielabgabe künftig Einnahmen in Milliardenhöhe in Deutschland und in Schleswig-Holstein in dreistelliger Millionenhöhe. Durch legales, kontrolliertes Internetglücksspiel, die Lockerung der Werbe- und Angebotsrestriktionen für Lotto und die Zulassung von privaten Wettanbietern haben Bund, Länder und Kommunen endlich die Möglichkeit, Gelder einzunehmen, die sonst am deutschen Ordnungssystem und am Fiskus vorbei auf einem gigantischen Schwarzmarkt bewegt werden.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir glauben, wir sind auf einem guten Weg. Wir sind noch nicht vollkommen. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir uns ausreichend Zeit lassen können für die Beratung im Ausschuss. Frau Heinold, wir sind gern bereit, noch eine Vielzahl von Anregungen aufzunehmen. Es ist ja kein abgeschlossener Prozess. Aber eines will ich an dieser Stelle schon sagen.

Es wird nicht so sein, dass sich 14 Ministerpräsidenten darauf verständigen, einen anderen Weg zu gehen als wir, und wir werden dem folgen. Es wird

nicht so sein, dass dieses Parlament, in dem CDU und FDP die Mehrheit haben, sich einer entsprechenden Regelung anschließen wird, nur um Einigkeit herzustellen. Wir werden dafür werben. Wir wissen schon aus anderen Ländern, dass wir ein neues System bekommen. Das ist, wie gesagt, keine apodiktische Endlösung, aber es wird nicht mehr eine Rückkehr zum staatlichen Lotteriemonopol insgesamt geben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile jetzt das Wort dem Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, jetzt weiß ich, warum wir heute diese Änderung mit den 52 Seiten bekommen haben: weil sie vorher keine Zuarbeit aus den Ministerien hatten. Vielleicht sollten Sie dann doch wieder zu der alten Methode zurückkehren, damit wir dann zumindest ordentliche Gesetzesvorschläge eingereicht bekommen.

Herr Arp, ich kann es Ihnen leider nicht ersparen. Wenn Sie die Vorlagen eine nach der anderen liefern, muss ich auch auf Ihre Malta-Reise eingehen. Es war offensichtlich eine Missionsreise in Sachen Glücksspiel. Sie sind nicht der erste, der auf Malta missioniert hat. Wir erinnern uns daran: Vor einigen Jahren, 60 nach Christus, landete Paulus auf Malta, er strandete dort auf dem Weg nach Rom. Er hatte ein anderes Ziel. Er hat die Malteser und Malteserinnen christianisiert. Es gibt jetzt viele wunderschöne Kirchen auf Malta. Ich hoffe, Sie hatten auch Gelegenheit, sich die eine oder andere anzusehen. Aber ich hoffe auf der anderen Seite, dass Ihre Missionsreise nicht ganz so erfolgreich war und es auch zukünftig mehr Kirchen auf Malta gibt als Spielhöllen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte ein Zweites sagen: Auch da haben Sie eine Vorlage gegeben. Ich möchte an das Freundschaftsspiel zwischen Bayern München und Real Madrid am 13. August 2010 in der Münchener Arena erinnern. Auch da waren Sie offensichtlich. Ich hoffe, das Spiel hat Ihnen gefallen. Was mir nicht so gefällt, dass Sie das auch aus einer Privatloge eines Sportwettenanbieters wahrgenommen haben. Insofern würde ich Sie bitten, an dieser Stelle und bei dieser Thematik zumindest ein oder zwei

Schritte zurückzutreten und vielleicht anderen die Sache zu überlassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier und heute, meine Damen und Herren, geht es um ein Glücksspielgesetz für Schleswig-Holstein, und es geht um die Sorgen vieler Menschen in Schleswig-Holstein, wie nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nun ein effektiver Schutz vor dem Risiko der Glücksspielsucht organisiert werden kann. Das Urteil des höchsten europäischen Gerichts ist eigentlich recht einfach gestrickt, Herr Kubicki. Die Richter haben erklärt, dass ein nationales Monopol für Glücksspiele zwar zulässig ist, allerdings nur unter besonderen Rahmenbedingungen. Die wichtigste Bedingung ist - das ist auch unser wichtigster Punkt -, dass die Suchtprävention, mit der das Monopol begründet werden kann, dann auch effektiv umgesetzt werden muss.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Im Klartext: Solange in der Bundesrepublik Deutschland Geldspielgeräte, die ein enorm hohes Suchtrisiko aufweisen, nach Maßgabe der Ordnungsbehörden beinahe an jeder Ecke aufgestellt werden können - das sehen wir auch hier in Kiel -, ist das staatliche Glücksspielmonopol in unserem Land nach den EU-Richtlinien unrechtmäßig. Nun gäbe es die Möglichkeit, die Aufstellung von Geldspielgeräten endlich restriktiver zu handhaben, aber dazu bedarf es einer Bundesratsinitiative, weil das nicht in der Kompetenz des Landes liegt. Wir müssten einfach nur den bestehenden Glücksspielstaatsvertrag um Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit erweitern, und das Problem wäre im Grunde schon gelöst.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber eine solche Bundesratsinitiative hat wahrscheinlich keinen Erfolg, zumindest von der niedersächsischen Landesregierung würde ich Gegenwind erwarten, denn die wird, zumindest zum großen Teil, von der CDU gestellt, deren Landesvorstand personell recht eng mit einer Firma verbandelt ist, welche ein großer Player in der Geldspielautomatenbranche ist.

Sollte sich bei der Aufstellung von Spielautomaten nichts ändern, wird eines Tages die Aufgabe tatsächlich auf uns zukommen, ein Gesetz zu verabschieden, das die Durchführung von Glücksspiel durch private Anbieter regelt. Das werden wir dann früher oder später auch tun, aber am liebsten, Herr Arp, ohne Protagonistinnen und Protagonisten, die

(Wolfgang Kubicki)

sich von den privaten Anbietern, um die es geht, zu Fußballspielen einladen lassen.

Wir werden uns dann mit Fachleuten über den Zusammenhang zwischen Glücksspielsucht und Suizid unterhalten, wir werden uns über Straftaten unterhalten, die im Zusammenhang mit der Glücksspielsucht begangen werden, und über die sozialen Kosten des Glücksspiels. Wir sind jetzt schon gespannt, wie motiviert private Anbieter sein werden, all diese Gefahren durch die Senkung ihrer Umsätze zu minimieren.