Ist Ihnen bewusst, dass genau bei dieser Regelung die Lehrer keine Gestaltungsmehrheit haben, sondern nur eine Verhinderungsmehrheit, indem sie einer Änderung der bestehenden Strukturen widersprechen können? Es kann also auf Wunsch der Lehrer keine Veränderung isoliert gegen den Eltern- und Schülerwillen geben. Ist Ihnen das bewusst?
Wir haben in der Anhörung genau darüber gesprochen. Es gab Entscheidungen des Ministeriums. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, haben Sie sich ja auch dafür eingesetzt, dass eine Änderung des § 63 vorgenommen wird. Das ist aber nicht erfolgt.
In Kiel erwägen zwei Gymnasien die Rückkehr zu G 9. Es ist interessant, welche Gymnasien das sind. Das sind die beiden Gymnasien, die in direkter Nachbarschaft zu Gemeinschaftsschulen liegen. Jetzt könnte man sagen: Wir wollen die friedliche Koexistenz dieser beiden Schulformen machen. Man könnte sogar Win-win-Situationen, zum Beispiel in Mettenhof, bekommen, wenn man sagt: G 8 und G 9 an einem Standort, wir machen eine gute Verzahnung.
Sie fördern mit diesem neuen Schulgesetz aber nicht die Kooperation. Ich glaube, Sie fördern damit die Konkurrenz. Wahrscheinlich ist das nicht ganz ungewollt.
Meine Damen und Herren, wenn wir Ruhe im Schulsystem wirklich wollen, dann dürfen wir in den nächsten Jahren keine neuen Restschulen neben dem Gymnasium entstehen lassen. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung. Ich glaube, dass dieses Schulgesetz genau in die falsche Richtung gehen wird.
Herr Klug führte aus, dass die pädagogischen Gestaltungsmöglichkeiten der Schulen erweitert werden sollen. Das war heute auch der Presse zu entnehmen. Er entzieht aber vielen Schulen die Lehrerstunden und entzieht ihnen deshalb genau diese Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Wahlfreiheit ist also Augenwischerei.
Betrachten wir einmal die Gemeinschaftsschulen! Die Gemeinschaftsschulen haben vor Ort pädagogische Konzepte entwickelt, um aufzuzeigen, wie gemeinsames Lernen überhaupt möglich ist. Das ist schließlich pädagogisches Neuland. Außerdem haben viele Lehrkräfte das überhaupt nicht gelernt und müssen sich jetzt darauf einstellen.
Die Konzepte sind erarbeitet und aufgrund bestimmter Rahmenbedingungen genehmigt worden. Diese Rahmenbedingungen sind jetzt aber unterhalb des Gesetzes verhindert worden. Es ist versprochen worden, dass Lehrer weniger arbeiten müssen. Jetzt müssen sie mehr arbeiten. Es ist versprochen worden, dass es sechs Differenzierungsstunden pro Woche gibt. Differenzierungsstunden sind Stunden, in denen zwei Lehrkräfte in eine Klasse gehen. Das wird nun halbiert. Differenzierungsstunden sind eigentliche eine gute Maßnahme, wie auch Sie finden; denn sonst würden Sie nicht bei den Gymnasien Intensivierungsstunden aufstocken.
Wenn Sie die pädagogische Grundausstattung an den Schulen so verändern, dann wird es natürlich schwierig sein, die Konzepte des gemeinsamen Lernens auch wirklich umzusetzen. Sie müssen das Schulgesetz zusammen mit den Rahmenbedingungen fiskalischer Art denken.
So viele Schulsozialarbeiter können Sie gar nicht einstellen, um den entstehenden Schaden wiedergutzumachen.
Dennoch finden wir es natürlich gut - und das ist der einzige Trost an diesem Tag -, dass Sie die Schulsozialarbeit gesetzlich verankern wollen. Wir haben hierzu einen Antrag gestellt und auch in den Haushaltsberatungen Vorschläge hierzu gemacht. Wir haben vorgeschlagen, 200 Schulen im Lande zusätzlich mit Schulsozialarbeit auszustatten.
Wir wollen eine Schulentwicklungsplanung, die den Jugendlichen genügend Brücken zum Abitur baut. Die Oberstufenkapazitäten sind vielerorts nicht ausreichend. Wir wollen die Schulentwicklungsplanung auf neue Füße stellen. Außerdem wollen wir die Beruflichen Gymnasien und die neuen Gemeinschaftsschulen einbinden. Wir wollen uns aber auch damit befassen, wie es mit den Oberstufenkapazitäten insgesamt aussieht.
Wir wollen den Passus zur Querversetzung verschwinden lassen. Die Regel sollte sein und ist es auch an vielen Schulen, dass sich die Schulen für die Kinder, die sie aufnehmen, auch verantwortlich fühlen. Dieser Philosophie entspricht es, die Passage zu streichen.
Herr Minister, Ihre unausgesprochene Botschaft an die Schulen im Lande ist: Wer sich bewegt hat, ist selbst schuld.
Kaputtsparer, Chaosstifter und Sandmann im Getriebe, das ist Ihre Halbzeitbilanz, Herr Minister, und das ist kein Glanzstück.
Dies ist kein Gesetz für die Schulen. Dies ist ein Gesetz, damit ein angeschlagener Minister sein Gesicht wahren kann. Es geht hier um eine Stimme. Wer jetzt zustimmt, kann nicht mehr sagen: Ich bin es nicht gewesen, die FDP ist es gewesen.
Auf der Zuschauertribüne begrüße ich unseren langjährigen Landtagskollegen Günter Neugebauer. - Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meinem vielleicht etwas naiven Rechtsverständnis war ich bisher davon ausgegangen, dass vor dem Gesetz und auch vor dem Gesetzgeber alle Menschen gleich sind. Bei der Abstimmung darüber, ob wir diesen Punkt von der Tagesordnung absetzen, bin ich aber eines anderen belehrt worden.
Bürger ist eben nicht gleich Bürger. Es hängt davon ab, für welche Interessen sich eine Bürgerinnen beziehungsweise ein Bürger einsetzt und ob sie oder er zur Klientel der FDP gehört.
Während die CDU/FDP-Mehrheit im Landtag sogar eine Änderung des Schulgesetzes durchgesetzt hat, um der Bürgerinitiative zum Erhalt der Realschulen Zeit zu lassen, genügend Unterschriften zu sammeln, debattieren wir heute gegen unser Votum über die Änderung des Schulgesetzes, obwohl erst vor wenigen Tagen die Elterninitiative „Schulfrieden“ mehr als 25.000 Unterschriften gegen eine Änderung des Schulgesetzes vor 2013 eingereicht hat. Im Sinne der Gleichbehandlung müsste jetzt doch die Novellierung zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt werden.
In vielen Wahlkampfreden und auch noch in der Regierungserklärung unseres Herrn Ministerpräsidenten ist den Schulen Ruhe versprochen worden.
Trotzdem hat unser Herr Ministerpräsident - ich sage das ausdrücklich - den Schulen Ruhe versprochen, um die erarbeiteten Konzepte umsetzen und erproben zu können. Diese Ruhe war auch bitter nötig; denn die Zeit der Umwandlung der Schullandschaft war eine sehr schwierige und problematische Zeit, die enorm viel Unruhe in die Schulen gebracht hat.
Getreu dem Motto „was schert mich mein Geschwätz von gestern“ war die Regierungserklärung kaum verklungen, als schon der Referentenentwurf zur Schulgesetzänderung auf dem Tisch lag und Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern und deren Vertretungen schockierte. In vielen Veranstaltungen im ganzen Land wurde laut und deutlich Kritik an den geplanten Änderungen geäußert. Leider stieß diese Kritik im Wesentlichen auf taube Ohren.
Auch das Anhörungsverfahren im Bildungsausschuss hat bei mir den Eindruck verstärkt, dass die regierungstragenden Fraktionen beratungsresistent sind.
Es lagen viele schriftliche Stellungnahmen zur Änderung des Schulgesetzes vor, und der Bildungssausschuss ist einen Tag lang den mündlichen Ausführungen der Anzuhörenden gefolgt. Zusätzlich habe ich - sicherlich auch die anderen bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher - noch viele Schreiben und Resolutionen von Schulträgern erhalten. Allen diesen Ausführungen war gemeinsam - bis auf eine Ausnahme, nämlich den Ausführungen des ehemaligen Realschullehrerverbandes -, dass die geplanten Änderungen hin zu einer Beliebigkeit in vielen Bereichen auf Ablehnung stoßen.
In meinen Augen - ich denke, auch in den Augen vieler Angehörter - wird eine Anhörung zur Farce, wenn keiner der Kritikpunkte Eingang in den Gesetzesvorschlag findet.