Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein kritisiert in diesem Zusammenhang, dass keine Angaben zu den Herstellern oder Händlern der beanstandeten Produkte gemacht werden. Außerdem ist nicht klar, ob und, wenn ja, in welcher Weise Nachkontrollen folgen.

Neben der Marktüberwachung bedarf es weiterer Maßnahmen wie einer besseren Verbraucherinformation, mehr Transparenz, Sanktionen der Verantwortlichen und die Benennung der Schwarzen Schafe.

Um das einmal an einem Beispiel deutlich zu machen: Was haben Futtermittel und Spielzeuge gemeinsam? Bei beiden fehlt eine bundesweite Koordination für eine einheitliche Anlaufstelle in Deutschland. Außerdem fehlt eine zentrale Rückrufplattform.

Wir fordern daher, dass Bund und Länder nicht warten sollen, bis die EU-Richtlinie überarbeitet ist. Sondern es müssen sofort Maßnahmen auf den Weg gebracht werden. Sonst tauschen wir wie jedes Jahr auch 2011 „alle Jahre wieder“ die Argumente aus, warum sich nichts an der Sicherheit von Kinderspielzeugen geändert hat, warum sich nichts verbessert hat. Es muss endlich Schluss sein mit dieser schleichenden Vergiftung, die in den Kinderzimmern organisiert wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Beran von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal herzlichen Dank für den Bericht und auch für die Beiträge, die wir bisher gehört haben. Wir können feststellen, dass im Großen und Ganzen Einigkeit darin besteht, dass etwas getan werden muss und dass die Gefährdung recht groß ist. Unser Antrag unterscheidet sich im Prinzip nur dadurch vom Antrag der CDU, dass wir nicht abwarten wollen, was die EU macht. Wir können

nicht bis Weihnachten 2011 warten, sondern müssen gegebenenfalls selbst handeln. Deshalb ist es gut, dass man sich im Bundesrat für diese Sache einsetzt. Ich finde es auch gut, dass wir die Gelegenheit bekommen haben, diese Materie im Ausschuss zu vertiefen, sodass vielleicht auch eine gemeinsame Aktion des Landtags gestartet werden kann, damit sich in Deutschland vielleicht schon etwas tut, bevor die EU etwas unternimmt.

Lassen Sie mich nun zu meinen Ausführungen kommen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer wieder wird in den Medien über giftige Stoffe in Kinderspielzeugen und Kuscheltieren berichtet. Der im April 2010 vorgestellte Jahresreport der Europäischen Kommission zeigt, dass 2009 die Anzahl der mangelhaften Produkte um 7 % angestiegen ist. An erster Stelle steht wieder gefährliches und für Kinder ungeeignetes Spielzeug. Dieser Trend setzt sich in Deutschland bis nach SchleswigHolstein fort. Hier wurden seit Anfang 2007 bis Anfang 2010 87 von 360 Proben mit Spielwaren beanstandet und dann vom Markt genommen.

Offensichtlich reichen unsere Vorschriften und Kontrollen nicht, um gesundheitlich unbedenkliches Spielzeug kaufen zu können. So wurden in der Spielzeugrichtlinie der EU viel zu lasche Grenzwerte für Chemikalien festgesetzt. Selbst diese wurden im globalen Warenverkehr oft nicht eingehalten. Wir haben auch in den anderen Beiträgen schon davon gehört.

Man kann von Eltern nicht verlangen, dass sie Chemiespezialisten sind. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass das auf dem Markt erhältliche Spielzeug keine Gefahr für die Gesundheit ihrer Kinder ist.

Unsere Kernforderung ist, an Kinderspielzeuge aus Kunststoffen die gleichen Anforderungen wie an Lebensmittelverpackungen zu stellen; denn kleine Kinder lutschen gern und viel an ihrem Spielzeug und nehmen es in den Mund.

Trotz der oft länder- und parteienübergreifenden Einigkeit in vielen Parlamenten hat Verbraucherministerin Aigner es versäumt, ihre zuvor angekündigte Initiative zur Überarbeitung der EU-Spielzeugrichtlinie in Brüssel vorzustellen. Doch nicht nur das. Schwarz-Gelb in Berlin hat auch verhindert, dass eine verpflichtende und europaweite Überprüfung von Spielzeugen eingeführt wird. Zumindest auf nationaler Ebene hat Schwarz-Gelb nicht mehr als dieses Lippenbekenntnis zu bieten. Die Interessen der Wirtschaft stehen hierbei leider über der Gesundheit der Kinder.

(Bernd Voß)

Zwischen den uns vorliegenden Anträgen besteht in der Sache große Übereinstimmung: Die EU-Spielzeugrichtlinie muss überarbeitet werden. Die Grenzwerte müssen drastisch gesenkt werden. Da es mit niedrigen Grenzwerten und Verboten allein nicht getan ist, fordern wir schon lange verpflichtende Überprüfungen der Spielzeuge. Diese Überprüfungen sind in Deutschland am GS-Siegel zu erkennen. Doch diese Überprüfungen erfolgen nach wie vor freiwillig.

Deshalb sollten Spielzeughersteller nun verpflichtet werden, ihre Produkte durch unabhängige zertifizierte Institutionen wie zum Beispiel den TÜV überprüfen zu lassen, bevor sie in den Regalen der Händler landen. Darüber hinaus soll die Marktüberwachung durch ausreichende Kontrollen verbessert werden. In einer nutzerfreundlichen und öffentlich zugänglichen Datenbank für Spielzeuge sollen die Kontrollergebnisse der Marktüberwachung der Länder und des Zolls unter Nennung von Hersteller- und Produktnamen erfasst und die Inhaltsstoffe der Spielzeuge deklariert werden.

Meine Fraktion ist der festen Überzeugung, dass es zwar sinnvoll ist, aber allein nicht genügt, lediglich auf europäischer Ebene Verbesserungen anzustreben. Es besteht auch national die Möglichkeit, deutlich strengere Grenzwerte für gefährliche Stoffe in Kinderspielzeug zu setzen. Hierbei sehe ich angesichts der fraktions- und länderübergreifenden Einigkeit in der Sache eine gute Chance, ein nationales Importverbot für riskantes Spielzeug zu erreichen.

Zum Schluss möchte ich die Worte des ehemaligen EU-Kommissars Verheugen wiedergeben: Wenn es um die Gesundheit der Kinder geht, darf es keine Kompromisse geben. - Diese Worte sollten die Richtschnur für uns alle sein, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, schnell und wirksam alle Giftstoffe aus Kinderspielzeug fernzuhalten.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Anita Klahn von der FDP-Fraktion.

Liebe Kollegen! Frau Ministerin, vielen Dank für den Bericht, der deutlich aufzeigt, dass einiges getan wird. Nichtsdestotrotz ist in den Redebeiträgen vorhin deutlich geworden, dass dies nicht ausreicht. Das reicht auch Schwarz-Gelb noch nicht aus.

Nach wie vor ist es so, dass Eltern, Großeltern und alle anderen in der Regel vor gut gefüllten Regalen stehen, wenn sie ein Spielzeug für ein Kind kaufen wollen. Sie haben es nicht einfach, eine Auswahl zu treffen. Wenn man den Anspruch hat, dass das Spielzeug, das man erwerben möchte, nicht nur pädagogisch wertvoll sein soll und darüber hinaus dem Kind gefallen soll, dann möchte man natürlich auch, dass es mit Blick auf die Materialien mit keinerlei gesundheitlichen Einschränkungen behaftet ist. Der Markt bietet eine große Auswahl an Produkten, und die Auswahl ist, wie gesagt, nicht einfach.

Sicherheit könnten Gütesiegel schaffen; das ist hier schon gesagt worden. Aber bei den Gütesiegeln stellt sich das Problem: Welches soll ich denn jetzt nehmen, und hinter welchem Gütesiegel verbirgt sich welche Prüfung? Der Verbraucher steht hier wirklich vor einem Dschungel. Die Aussagekraft dieser Gütesiegel - das haben wir hier eben schon angerissen - ist sehr unterschiedlich: TÜV-GS-Siegel, Öko-Tex-Siegel und CE-Siegel.

Dieses CE-Siegel - das möchte ich hier hervorheben - ist ganz einfach das trügerischste von allen. Denn eine Prüfung muss dort nicht erfolgen. Das Problem ist dabei - das hat eben ein Kollege schon erwähnt -: Der Hersteller kann dieses CE-Siegel für sein Produkt ausstellen, indem er ein Schriftstück verfasst, in dem er erklärt: Es ist alles in Ordnung, alles ist wunderbar. Niemand prüft das.

Ich habe, ehrlich gesagt, das auch erst bei der Recherche für meinen Redebeitrag für diesen Tagesordnungspunkt in aller Deutlichkeit erfahren. Ich habe auch erfahren - das, muss ich sagen, war für mich der Hohn des Ganzen -, dass dazu aufgefordert wird: Wenn man als Verbraucher ein Gütesiegel findet, bei dem fehlerhafte Schreibweisen vorhanden sind, dann möge man das doch bitte der zuständigern TÜV-Stelle melden. Meine Damen und Herren, da muss ich ganz einfach sagen: Das geht überhaupt nicht.

(Beifall bei der FDP)

Würden wir dieses Prozedere, dass der Hersteller nur eine Konformitätserklärung unterschreibt, ausweiten auf den Bereich der Autoherstellung beziehungsweise auf den TÜV, dann würde das bedeuten, dass ein Autobesitzer unterschreibt: Das Auto ist sicher und verkehrstechnisch in Ordnung. Er gibt diese Erklärung beim TÜV ab und bekommt den Stempel. Dann hat das Auto zwar das Siegel, aber verkehrssicher ist es wahrscheinlich immer noch nicht.

(Andreas Beran)

Wenn wir uns also die Automobilbranche als Vorbild nehmen wollen, was ich persönlich für einen guten Ansatz halte, dann sollten wir ein europaweites Prüfsiegel einführen, welches nach dem Vorbild des TÜV-GS-Zeichens durch unabhängige strenge Prüfungen verliehen wird.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelt bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es bestehen aber auch noch andere Baustellen in der Verbraucherinformation, wie wir heute Morgen der Debatte zur Verbraucherinformation auch schon entnommen haben. Es gibt die europäische Datenbank RAPEX, welche gefährliche Produkte listet. Aber diese ist leider bis jetzt nur in englischer Sprache verfügbar, und eine Meldepflicht von Unternehmen bei Bekanntwerden einer Gefahr besteht leider auch nicht. Hier finde ich persönlich, dass eine gut strukturierte, barrierefreie Datenbank mit Meldepflicht geschaffen werden muss.

Das am 1. Mai 2008 in Kraft getretene Verbraucherinformationsgesetz beinhaltet leider immer noch keine Spielsachen. Hier haben daher auch Verbraucher keinen direkten Informationsanspruch den Unternehmen gegenüber. Ich würde mich freuen, wenn wir in den Ausschüssen auch noch einmal über die Produkthaftung beraten könnten.

Sie sehen - ich will das nicht unnötig lange ausführen -, wir haben erheblichen Handlungsbedarf. Da möchte ich ganz klar sagen: Das sieht auch Schwarz-Gelb so. Das wurde hier ja eben im Abrede gestellt. Nach wie vor sage ich auch als Mutter: Die Sicherheit unserer Kinder ist uns wichtig.

Wir begrüßen, dass der Bundesrat am 17. Dezember 2010 hinsichtlich der Regelungen für Chemikalien in Kinderspielzeug dem besonderen Schutzbedürfnis von Kindern Rechnung trägt. Das betone ich auch unter dem Aspekt, dass wir gerade die Rechte der Kinder in die Verfassung aufgenommen haben und hier unter Beweis stellen können, wie ernst wir das meinen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Einen Antrag möchte ich noch stellen: Ich würde gern die Beratung auch im Sozialausschuss und nicht nur im Umwelt- und Agrarausschuss durchführen wollen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat nun die Frau Abgeordnete Ellen Streitbörger von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich auch der Ministerin ganz herzlich für den Bericht, der sich sehr ausführlich und auch sehr kritisch mit dem Thema beschäftigt hat, danken.

Wir haben schon heute Morgen hier darüber gesprochen, was Verbrauchern alles zugemutet wird. Dass der Schutz noch nicht annähernd in dem Maße umgesetzt ist, wie man sich das wünscht, ist uns allen auch klar. Eigentlich ist eher das Gegenteil der Fall, dass die Gefahren stetig zunehmen und die Kontrollen durch Mittelkürzungen immer wirkungsloser werden.

Nicht nur beim Verzehr von belasteten Lebensmitteln, sondern auch beim Umgang mit Spielzeugen ist die Gesundheit erheblich bedroht. Die gesundheitsgefährdende Wirkung von Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen, den so genannten PAKs, oder von häufig verarbeiteten Schwermetallen wie Quecksilber, Cadmium und Blei ist seit Jahren bekannt. Immer mehr Eltern sorgen sich deshalb zu Recht, wenn sie darangehen, Spielzeuge für ihre Kinder zu kaufen.

DIE LINKE hat bereits im vergangenen Jahr einen Antrag auf Bundesebene eingebracht, durch Sofortmaßnahmen krebserregende Stoffe in Kinderspielzeugen auszuschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb freut uns zu sehen, dass Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, uns einen entsprechenden Antrag vorgelegt haben, vor allem wenn man bedenkt, dass Ihre Fraktion auf Bundesebene unseren Antrag im letzten Jahr abgelehnt hat.

Dennoch gehen uns Ihre Forderungen nicht weit genug. Die von Ihnen geforderte Überarbeitung der europäischen Richtlinien bedeutet, dass wir es zunächst hinnehmen, dass unsere Kinder den krebserregenden Stoffen ausgesetzt sind und dass die Industrie PAK weiterhin in den Spielzeugen verarbeitet. Es bedeutet, dass den Käuferinnen und Käufern weiterhin keine Transparenz garantiert werden kann und dass sie noch immer nicht wissen, welche Unternehmen in verantwortungsvoller Weise Spielsachen herstellen und welche nicht.

(Anita Klahn)

Wir wollen den sofortigen Schutz der Kinder vor krebserregenden Stoffen. Dafür muss Deutschland gegebenenfalls auf einzelstaatlicher Ebene unverzüglich aktiv werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen umgehend eine gesetzliche Regelung, die festlegt, dass PAK und andere krebserregende oder Erbgut verändernde Stoffe in Spielzeug nicht nachweisbar sein dürfen. Diese Stoffe haben in Kinderspielzeugen nichts zu suchen und sind deshalb generell und sofort zu verbieten.

(Beifall bei der LINKEN)