Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

Das lässt vermuten, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in Schleswig-Holstein nach wie vor auch im Geltungsbereich des Lebensmittelrechts verbraucherrelevante Informationen eher über das Informationsfreiheitsgesetz verlangen oder sich an die Verbraucherzentralen wenden.

Das Verbraucherinformationsgesetz wird von der Landesregierung grundsätzlich positiv bewertet wir hörten es -, weist aber auch Schwächen auf. Diese liegen vor allem bei der nicht eindeutigen Rechtslage, die es den auskunftspflichtigen Behörden schwer macht, den Informationsanspruch, insbesondere bei Anträgen auf Information über Verstöße, zeitnah sicherzustellen. Auch bei schwammigen Begriffen, beim Betriebs- und Geschäftsgeheimnis sieht die Landesregierung Grund für Nachbesserungen.

Auch einer Ausweitung des Verbraucherinformationsgesetzes auf Produkte und Dienstleistungen über den jetzigen Geltungsbereich hinaus steht die Landesregierung kritisch gegenüber, zumal dadurch die Informationsmöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher in Schleswig-Holstein nicht wesentlich verbessert würden.

Ungeachtet dessen, wie man zur Einführung des bereits diskutierten Smiley-Systems nach dänischem Vorbild steht, ist das Verbraucherinformationsgesetz wegen seiner „Trägheit“ - will ich es einmal nennen -, die darin begründet ist, erst nach Abschluss rechtlicher Bewertungen Informationen preisgeben zu können, für die Aufnahme des Smiley-Systems nicht geeignet.

Ein wichtiger Punkt im Bericht der Landesregierung ist der Hinweis darauf, die Informationsfreiheitsgesetze und die Umweltinformationsgesetze der Länder mit dem Verbraucherinformationsgesetz zu vereinen und zu bündeln. Offensichtlich fehlt es dem Bund aber für eine solche Zusammenfüh

rung an der erforderlichen Gesetzgebungskompetenz.

Wir bedanken uns für den aufschlussreichen Bericht, auch wenn das Verbraucherinformationsgesetz in der jetzigen Fassung unsere Erwartungen nicht erfüllt. Das Verbraucherinformationsgesetz muss noch verbraucherfreundlicher werden. So warten wir gespannt auf die für Anfang des Jahres 2011 in Aussicht gestellte Änderung des Gesetzes und begrüßen, dass sich die Landesregierung für mehr Praxisnähe des Verbraucherinformationsgesetzes einsetzt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Andreas Beran.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich den Bericht der Landesregierung, federführend das von mir sonst so geschätzte Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerium mit Ihnen an der Spitze, Frau Ministerin, gelesen habe, war ich doch etwas verwundert. Parallel zu den Vorgängen um den Dioxinskandal mit einem Knotenpunkt in Schleswig-Holstein gibt die Landesregierung in knappen Worten die Botschaft: allenfalls marginaler Bedarf in Verfahrensfragen beim Verbraucherinformationsgesetz.

Sie sind kurz mit einem Beispiel darauf eingegangen, indem Sie noch einmal darauf hingewiesen haben, welches Schutzbedürfnis der landwirtschaftliche Betrieb hat. Auf der anderen Seite sehe ich allerdings, je nachdem, wie die Werte ausfallen egal, ob er das Futtermittel überprüfen kann oder nicht -, ein großes öffentliches Interesse daran, wenn Grenzwerte überschritten werden, dass der Verbraucher darüber informiert werden muss. Das ist für mich eine ganz wichtige Frage.

(Beifall der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD])

Dieser Bericht war wohl schon vor Bekanntwerden des Dioxinskandals fertig geschrieben; ich glaube nicht, dass er so heute noch einmal vorgelegt werden würde.

Interessant sind für mich auch die Schlussworte von Ihnen, Frau Ministerin Rumpf, hier in der Debatte im Oktober zu unserem Antrag zur Verbesserung des VIG. Auf unseren Vorschlag, dass eine Anhö

(Ursula Sassen)

rung der betroffenen Unternehmen künftig nicht mehr der Regelfall sein, sondern im Ermessen der Behörde stehen sollte, sagten Sie:

„Damit würden rechtsstaatliche Grundsätze aufs Spiel gesetzt. Dies ist mit der Landesregierung nicht zu machen.“

Mit diesem Denken in den Aufsichtsbehörden würde man heute der Skandalfirma Harles und Jentzsch wohl nicht mehr kommen. Schutzfristen für schwarze Schafe in der Lebensmittelkette darf es nicht geben.

(Beifall der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD])

Ich denke, nicht nur zu diesem Punkt würde die Landesregierung heute anders sprechen. Denn genauso tatkräftig und mit guten Vorschlägen wie im Dioxinskandal könnte die Landesregierung heute auch zur Verbesserung des VIG nach vorn treten und sich nicht bedeckt ins tatenlose Abseits stellen. Wer keinen Mut zum Verbraucherschutz hat, findet immer gute Argumente, nichts zu ändern; der vorliegende Bericht spiegelt das leider wider.

Erleichterungen im Auskunftsverfahren? Braucht man in Schleswig-Holstein ohnehin nicht, wird ja auch nur von Querulanten-Organisationen genutzt. Immerhin sollen die Anhörungsfristen für die Unternehmen verkürzt werden, und der Antrag kann auch per E-Mail gestellt werden.

Ausweitung des VIG und Ausdehnung der Auskunftspflicht? - Hinter Paragrafen versteckt, sieht man dies in der Landesregierung kritisch. Geht ja auch über andere Gesetze. Schade, dass dies Verbraucherinnen und Verbraucher im Regelfall nicht wissen können.

Anwendung des Smiley-Systems wie in Dänemark und in anderen Regionen Deutschlands? - Wieder hat die Landesregierung erhebliche Vorbehalte dagegen und pocht auf die betrieblichen Eigenkontrollen; die Ergebnisse der risikoorientierten amtlichen Kontrollen sollen weiter in der Schublade schmoren, ohne dass die Verbraucherinnen und Verbraucher hiervon erfahren. Statt das bewährte Smiley-System modifiziert zu nutzen, suchen die Verbraucherschutzministerien weiter nach einem neuen Modell, getreu nach dem Motto: Wer nicht weiter weiß, gründet einen Arbeitskreis.

Dennoch werden wir diesen Bericht zusammen mit den Anträgen zum VIG weiter im Ausschuss beraten. Gerade angesichts der aktuellen Vorfälle möchte ich dafür das Ziel erneut in Erinnerung rufen: Wir alle im Parlament sollten ein klares Bekenntnis

zu einem transparenten und modernen Verbraucherschutz abgeben. Dies schulden wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland, die sich der übermächtigen Wirtschaft und ihrer Lobbyisten gegenüber im Nachteil empfinden.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Carsten-Peter Brodersen für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat einen Bericht über das Verbraucherinformationsgesetz vorgelegt, um den die regierungstragenden Fraktionen im vergangenen Herbst gebeten hatten. Wir danken der Ministerin für ihren ausführlichen Bericht.

Der Bericht macht deutlich, dass es gerade mit Blick auf den derzeitigen Skandal in der Futtermittelindustrie zu einer Novellierung des VIG kommen muss. Darüber hinaus sieht auch die Bundesumweltministerin in ihrem Aktionsplan in Punkt 13 eine Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes vor. Doch muss bei aller bundespolitischen Relevanz beachtet werden, welche speziellen Punkte aus der Sicht Schleswig-Holsteins gegebenenfalls reformbedürftig sind und einer Novellierung unterzogen werden müssen. Der vorliegende Bericht gibt hier Aufschluss.

801 Anträge wurden in der Bundesrepublik bis zu diesem Tage gestellt. In Schleswig-Holstein wurden im Evaluationszeitraum und bis zum 26. November 2010 jedoch nur acht Anträge gestellt. Dies macht deutlich, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Bundesland über das Informationsfreiheitsgesetz auch im Geltungsbereich des Lebensmittelrechts verbraucherrelevante Informationen erhalten können.

Das Verbraucherinformationsgesetz besitzt für Schleswig-Holstein aufgrund der eigenen Gesetzeslage eine nachrangige Bedeutung. Daher sehen wir keinen Bedarf zur Ausweitung des Geltungsbereichs des Verbraucherinformationsgesetzes.

Die Positionierung der Landesregierung zu der in beiden Oppositionsanträgen geforderten Übernahme des dänischen Smiley-Systems ist klar. Wir teilen diese Auffassung. Der Übernahme stehen erhebliche Vorbehalte gegenüber, da sie unter Umständen gar eine Verschlechterung der Hygienestandards zur Folge haben kann, was aus aktuellem

(Andreas Beran)

Bezug nicht zu vertreten wäre. So schön dieser bildhafte Verbraucherschutz wirken mag - unabhängig von der Sinnhaftigkeit -, ist es derzeit gesetzlich nicht möglich, eine Veröffentlichung von Kontrollergebnissen zu erwirken. Die Rechtsgrundlage fehlt. Zu bedenken ist auch die potenzielle Existenzgefahr für Betriebe mit einmaligem Mängelbescheid.

Weiter müssen die Haftungsfragen, wie im Fall der Futtermittelverunreinigungen, aus haushaltspolitischer Sicht vorher berücksichtigt werden. Im Zusammenhang mit dem aktuellen Dioxinskandal ist festzuhalten, dass sowohl beim MLUR als auch beim Landeslabor keine spezifischen Anfragen nach dem Verbraucherinformationsgesetz eingegangen sind. Anfragende haben im aktuellen Fall auch keinen Anspruch auf Informationen, welche konkreten Betriebe wegen einer Belieferung mit Futtermitteln, in denen die dioxinbelasteten Fette enthalten sind, ge- beziehungsweise entsperrt wurden. Das gibt das aktuelle Verbraucherinformationsgesetz ebenfalls nicht her.

In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage der Zusammenführung des Umweltinformationsgesetzes, des Informationsfreiheitsgesetzes und des Verbraucherinformationsgesetzes, wie es die SPD auch fordert. Eine Vereinfachung durch eine Zusammenführung würde den Bürgerinnen und Bürgern einen durchaus weiteren Partizipationsgrad ermöglichen, doch sprechen gegen eine Zusammenlegung momentan leider einige verfassungsrechtliche Gründe. Der Bund wird diesbezüglich handeln müssen, damit dieses Muster von einem einheitlichen Modellgesetz auch auf Schleswig-Holstein übertragen werden kann.

Das Land Berlin hat einen Antrag auf Änderung des Verbraucherinformationsgesetzes gestellt, welcher auf einer der nächsten Bundesratssitzungen erörtert werden soll. Aus unserer Sicht sollte dieser Antrag nicht unterstützt werden, um einer einheitlichen Musterlösung durch den Bund nicht im Wege zu stehen. Es sollte der schon für den Jahreswechsel angekündigte, aber noch nicht vorliegende Änderungsentwurf der Bundesregierung abgewartet werden.

Wir befinden uns in einer Situation, in der die Handlungsaufforderung eindeutig auf Bundesebene liegt. Wir sprechen uns dafür aus, jetzt keinen eigenen Novellierungsentwurf vorzulegen, um im Umkehrschluss am Ende nicht zwischen 16 verschiedenen Landesnovellierungen debattieren zu müssen. Eine Vorlage aus dem Bundesministerium, welche

wir an schleswig-holsteinische Belange anpassen, erscheint uns als die sinnvollste Lösung.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die Landesregierung für den Bericht. Es ist schon auffällig, wie sich die Kollegen aus den Regierungsfraktionen angesichts der konstruktiver Anträge zum Smiley und zum Verbraucherinformationsgesetz zurückgelehnt haben und sagen: Liebe Landesregierung, berichte doch erst einmal, dann können wir uns immer noch mit den Forderungen der Opposition auseinandersetzen. So werden Debatten und Entscheidungen über wichtige Themen hinausgezögert. Schon bei der Verabschiedung wurde das Verbraucherinformationsgesetz als „Seehofers zahnloser Tiger“ tituliert.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir haben bereits damals als entscheidende Defizite benannt, dass es zu viele Ausnahmetatbestände beinhaltet, dass vornehmlich Betriebsgeheimnissen Vorrang vor dem Informationsanspruch von Verbraucherinnen und Verbrauchern eingeräumt wird und dass sich der Geltungsbereich allein auf Lebensmittel und Bedarfsgegenstände bezieht.

Auf Bundesebene liegt bereits seit Mai ein Bericht zum Vollzug des Verbraucherinformationsgesetzes vor. Außerdem hat es im Juli 2010 im Verbraucherund Agrarausschuss des Bundestags eine Anhörung gegeben. Auch da kann man sich informieren. Zur Anhörung war beispielsweise ein Vertreter der dänischen Botschaft geladen. Er hat zur Umsetzung des Smiley-Systems in seinem Land berichtet. Durch die Veröffentlichung wird eine bessere Beachtung der Regeln erreicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das ist eine der vielen positiven Erfahrungen in Dänemark. Ich verstehe nicht, warum sich gerade bei uns so viele vehement gegen dieses Prinzip wenden. Bei Verbraucherarbeit geht es nicht darum, dass sich jeder erst einmal seitenlang seine Informationen besorgen muss, sondern darum, dass man

(Carsten-Peter Brodersen)

einfache, schnelle Symbole und Signale hat, an denen man sich orientieren kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Der vorliegende Bericht der Landesregierung ist interessant. Er macht deutlich, dass auch in Schleswig-Holstein seitens der Behörden eine große Unsicherheit bei der Anwendung und Auslegung des Gesetzes besteht. Zugleich erfährt man einiges über die Haltung der Landesregierung zum Verbraucherinformationsgesetz. Es heißt, es gebe wenig Anfragen und daher keine Bedeutung. Ich würde eher den Schluss ziehen: So wie das Verbraucherinformationsgesetz zurzeit gestaltet ist, sind die Hürden für die Verbraucherinnen und Verbraucher anscheinend zu hoch, um aktiv Informationen einzuholen und um sich aktiv zu informieren. Würden für Verbraucher relevante Daten generell offengelegt, so bestünde für Journalisten, Verbraucherverbände und andere Gruppen die Möglichkeit, diese Daten auszuwerten, aufzubereiten und der Öffentlichkeit entsprechend zugänglich zu machen.