Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

Der vorliegende Bericht der Landesregierung ist interessant. Er macht deutlich, dass auch in Schleswig-Holstein seitens der Behörden eine große Unsicherheit bei der Anwendung und Auslegung des Gesetzes besteht. Zugleich erfährt man einiges über die Haltung der Landesregierung zum Verbraucherinformationsgesetz. Es heißt, es gebe wenig Anfragen und daher keine Bedeutung. Ich würde eher den Schluss ziehen: So wie das Verbraucherinformationsgesetz zurzeit gestaltet ist, sind die Hürden für die Verbraucherinnen und Verbraucher anscheinend zu hoch, um aktiv Informationen einzuholen und um sich aktiv zu informieren. Würden für Verbraucher relevante Daten generell offengelegt, so bestünde für Journalisten, Verbraucherverbände und andere Gruppen die Möglichkeit, diese Daten auszuwerten, aufzubereiten und der Öffentlichkeit entsprechend zugänglich zu machen.

Von den Ereignissen der letzten Wochen im Zusammenhang mit Dioxinverunreinigungen wurde der Bericht anscheinend überholt. Im Grunde wurden Passagen über Eigenkontrolle und die Kontrolle der Kontrolle zum Teil so geschrieben, wie man sie heute wirklich nicht noch einmal geschrieben hätte. Ich möchte daran erinnern, dass die DEKRA als staatlich akkreditiertes Zertifizierungsunternehmen die Kollegen von Harles und Jentzsch unmittelbar vor Aufdecken des Skandals gerade wieder für zwei Jahre zertifiziert hatte. Diese Systeme gehören also mit Haut und Haaren reformiert und genau betrachtet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Der aktuelle Handlungsbedarf ist unausweichlich, und zwar trotz des Berichts. Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir brauchen einen Wandel der Informationskultur. Dazu gehört: die Offenlegung von relevanten Daten und die Nennung nicht nur der Täter, sondern auch die Nennung der Namen der unmittelbar mit ihnen Handelnden. Diese müssen bei schweren Verstößen genannt werden. Ich bin hier im Grunde direkt bei Frau Sassen. Wir müssen Systeme finden, die dabei helfen, dass man genau guckt, sodass man Leute nicht versehentlich an den Pranger stellt. Hier haben wir eine gewisse Sorgfaltspflicht. Im Moment haben wir aber die Situation mit dem Stichwort „Harles und Jentzsch“. Wir wissen immer noch nicht, welche 20 Unterneh

men den vergifteten Scheiß unmittelbar bekommen haben. Das kann nicht sein. Hier muss das Verbraucherinformationsgesetz ran. Sie dürfen nicht immer wieder mit Bedenkenträgerei verhindern: Auch wir wollen absichern, dass gerade kleine Unternehmen nicht fälschlicherweise an den Pranger gestellt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Sind Sie mit mir der Auffassung, dass das Verbraucherinformationsgesetz gar nicht für diese schnelle Information geeignet ist? - Sind Sie auch der Meinung, dass es viel zu lange dauert, bis wir eine Information diesbezüglich finden und dass man auf aktuelle Dinge gar nicht eingehen kann?

- Ja, das Verbraucherinformationsgesetz muss reformiert werden, damit dies schneller möglich ist. Hier sind wir beieinander. Ich denke, das geht auch aus dem Bericht der Landesregierung hervor. Die Verwaltung muss eine andere Sicherheit in der Frage bekommen, wie sie zu handeln hat. Hier ist Handlungsbedarf.

Eine rechtliche Absicherung der direkten Informationsrechte seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber den Unternehmen ist ebenfalls ein Punkt, den wir entsprechend einfordern. Indem wir die Verbraucherrechte stärken, stärken wir letztlich die Unternehmen, die für einen echten Qualitätswettbewerb stehen. Ansonsten bleiben bei schädlicher Konkurrenz durch Preisdruck und Dumping gerade diese Unternehmen auf der Strecke. Verbraucherpolitik und Informationspolitik sind eine fortschrittliche Standortpolitik und eine fortschrittliche Wirtschaftspolitik. Ich denke, daran sollten wir uns bei der Bewertung des Verbraucherinformationsgesetzes orientieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Herr Abgeordneter Voß, für den unparlamentarischen Begriff muss ich Ihnen leider eine Rüge er

(Bernd Voß)

teilen. Ich gehe davon aus, dass Sie das nicht wieder tun.

Ich erteile für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordneter Ellen Streitbörger das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist an dieser Stelle üblich, sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für die Erstellung des Berichts zu bedanken. Das will ich gern tun, auch wenn mich dieser Bericht nicht wirklich zufriedenstellt. Der vorliegende Bericht macht deutlich, dass die Landesregierung dem Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu behördlichen Informationen und ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit wenig Bedeutung einräumt. Es ist befremdlich, wenn das Ministerium schreibt,

„dass das Verbraucherinformationsgesetz für Schleswig-Holstein keine besondere Bedeutung hat.“

So heißt es, obwohl schwerpunktmäßig Informationen zu Rechtsverstößen nachgefragt wurden. Wir reden hier von einer gesetzlichen Grundlage mit dem Ziel, die Lebensmittelsicherheit zu erhöhen und die Markttransparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern. Dem müssen wir eine große Bedeutung beimessen. Das ist ebenso unsere Pflicht, wie es die Pflicht des Ministeriums ist.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE fordert eine grundlegende Neugestaltung des Verbraucherinformationsgesetzes. Darin muss das Recht der Verbraucherinnen und Verbraucher auf umfassende Information und Transparenz verankert sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Es muss die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber der Wirtschaft stärken und damit die Schwächeren gegenüber den Stärkeren schützen. Verbraucherinnen und Verbraucher können nur verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen, wenn ihnen alle konsumrelevanten Fakten vorliegen und wenn ökologische und soziale Standards in der Produktion und der Lieferketten transparent sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Transparenz muss ein Verbraucherinformationsgesetz für alle Bereiche garantieren. Deshalb sind wir im Gegensatz zum Ministerium der Meinung, dass wir ein Gesetz brauchen, dessen Gel

tungsbereich sich über das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch hinaus auf alle Produkte und Dienstleistungen erstreckt.

(Beifall bei der LINKEN)

Namen von Unternehmen und Produkten sind zu veröffentlichen. Ausnahmen vom Auskunftsanspruch müssen eindeutig beschrieben und auf ein Minimum reduziert werden. Auch das Ministerium räumt ein, dass dies nicht nur den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher dient, „sondern darüber hinaus auch die Unternehmer noch stärker als jetzt präventiv zu rechtmäßigem Handeln motivieren kann“.

Dass die Anzahl der Anträge auf Informationsauskunft in Schleswig-Holstein bisher so gering ausfiel, liegt kaum an mangelndem Interesse. Eher sind es wohl die Kostenvorschriften, die Verbraucherinnen und Verbraucher zögern lassen, von ihrem Informationsrecht Gebrauch zu machen. Es können mehrere hundert Euro an Gebühren für eine aufwendigere Anfrage anfallen. Das hält viele Menschen davon ab, ihre Verbraucherechte in Anspruch zu nehmen.

Wir halten es in diesem Zusammenhang für unerlässlich, den Zugang zu Verbraucherinformationen für die Bürgerinnen und Bürger einfach und grundsätzlich kostenfrei zu gestalten, damit ihre Nutzung nicht vom sozialen Status abhängig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Unterdessen müssen Bußgelder gegen unlautere Unternehmen so hoch sein, dass die Verlockung der Gewinnmaximierung durch kriminelles Handeln gering bleibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir können nicht länger auf die Eigenkontrollen der Unternehmen vertrauen, das zeigt der aktuelle Dioxinskandal. Wir brauchen verbesserte und verstärkte staatliche Kontrollen. Die vorrangige Aufgabe von Verbraucherpolitik ist die Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität unserer Bürgerinnen und Bürger. Aus diesem Grund werden wir uns auch in Zukunft für die kollektiven und individuellen Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher mit dem Ziel einzusetzen, die Märkte verbrauchergerecht zu regulieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

(Vizepräsidentin Anita Klahn)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der uns vorliegende Bericht geht überwiegend auf die Anträge ein, die gemäß Verbraucherinformationsgesetz gestellt wurden. Es wird bemängelt, dass diese Anträge oft wenig konkret und eher global gefasst worden sind. Die Landesregierung kommt zu dem Schluss:

„Die geringe Zahl der Anträge zeigt, dass das Verbraucherinformationsgesetz für Schleswig-Holstein keine besondere Bedeutung hat.“

Es ist zwar richtig, dass wir mit dem vom SSW initiierten Informationsfreiheitsgesetz und dem Umweltinformationsgesetz schon gute Informationsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger hatten, aber trotzdem ist das Verbraucherinformationsgesetz sehr wichtig für uns. Dass die Anträge nicht konkret genug sind und dass zu wenig Anträge gestellt werden, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass die Bürgerinnen und Bürger immer noch zu wenig Informationen haben, auf die sie ihre Anträge stützen können.

Das heißt, ohne ausreichende Information im Vorwege kann man auch keine detaillierten Anträge auf Auskünfte stellen. Deshalb liegt der besondere Wert des Verbraucherinformationsgesetzes auch nicht nur in der Möglichkeit, per Antrag Informationen und Auskünfte zu erhalten. Viel wichtiger sind die neu geschaffenen Möglichkeiten, im Vorwege Informationen bekommen zu können.

Mit dem Beschluss über das Gesetz ist nämlich das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in § 40 geändert worden. Nunmehr sollen die Behörden nicht mehr nur können, sondern sie sollen - über Verstöße und über unsaubere Betriebe die Öffentlichkeit unterrichten. Einige Kommunen nutzen diese Möglichkeiten schon großzügig aus, und auch die Nutzung der dänischen Smileys zur Kenntlichmachung von guten und weniger guten Prüfergebnissen basiert auf dieser Vorschrift. Deshalb ist es für uns immer noch unverständlich, warum diese einfache Kenntlichmachung der Qualität in den Betrieben bei uns nicht genutzt wird.

(Beifall beim SSW)

Hier bei uns ist es immer noch aktive Politik, die schwarzen Schafe zu schützen, anstatt den guten Betrieben mit dem Smiley ein gutes zusätzliches Argument an die Hand zu geben.

Hier soll auch niemand sagen, dass ein Smiley zu viel Verwaltungsaufwand bedeuten und somit zu

viel Geld kosten würde. Wir haben vor einiger Zeit den Antrag gestellt, kostendeckende Gebühren für Lebensmittelkontrollen einzuführen. Dieser Bereich könnte also nahezu kostendeckend arbeiten, wenn man von den Vorteilsnehmern auch die entsprechenden Gebühren erheben würde. Würde man dies tun und dann den Smiley einführen, hätten die Betroffenen einen echten konkreten Gegenwert für ihre Gebühren, nämlich den lächelnden Smiley. Wir sollten jetzt die mögliche Überarbeitung des Gesetzes dafür nutzen, mit Vehemenz für die Einführung des Smiley zu werben.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Ähnliches gilt auch für die Ampelkennzeichnung auf Lebensmitteln. Es geht nicht nur darum, irgendwelche kriminellen Machenschaften anzuprangern, sondern es geht bei der Verbraucherinformation auch darum, die Zusammensetzung ganz normaler Lebensmittel einfach darzustellen. Hierfür ist die Ampelkennzeichnung immer noch die beste verfügbare Variante. Auch ein ganz normales Lebensmittel kann, wenn man zu viel davon zu sich nimmt, ungesund sein. Deshalb muss ein modernes Verbraucherinformationsgesetz auch darauf ausgerichtet sein, den Verbraucher besser über die Risiken, Nebenwirkungen und die Zusammensetzung seiner Nahrung zu informieren. Daher muss eine fortschrittliche Landesregierung auch dafür eintreten, eine Ampelkennzeichnung gesetzlich in der nächsten Novelle des Verbraucherinformationsgesetzes zu verankern.

(Beifall bei SSW, SPD und der LINKEN)

Abschließend möchte ich aber auch darauf aufmerksam machen, dass es nicht ausreicht, nur auf diese eine bundesgesetzliche Regelung zu schauen. Wir müssen auch hier vor Ort für mehr Transparenz sorgen. Es ist nicht mehr zeitgemäß, mit einem Siegel „Hergestellt und geprüft in SchleswigHolstein“ regionsbezogen zu werben. Vielmehr muss es auch hier um Qualität und Vergleichbarkeit gehen, und dann sind wir sehr schnell bei der breiten Einführung des deutschland- beziehungsweise EU-weiten Gütesiegels und des entsprechenden Bio-Siegels.

Wir sehen das Verbraucherinformationsgesetz als einen ersten Schritt an. Aber es müssen weitere Schritte folgen, und die heißen vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte zur Lebensmittelsicherheit: Einführung der Ampelkennzeichnung, Einführung des Smiley und von vergleichbaren Gütesiegeln und Stärkung der Lebensmittelüberwachung