- Gerüchte! - Wissenschaftliche Studien belegen: Arbeitslose sind häufiger krank und Kranke sind häufiger arbeitslos. Die Arbeitslosen in SchleswigHolstein haben sich ihre Situation nicht ausgesucht. Sie sind darauf angewiesen, dass die neuen Strukturen zum 1. Januar 2011 funktionieren. Fragen Sie Fachleute. Eine Vorbereitungszeit von einem Jahr ist schon knapp bemessen. Daher ist es wichtig, dass jetzt eine Lösung auf den Weg gebracht wird, die sorgfältig erarbeitet ist und der Verfassung entspricht. Zwei Jahre hat die Bundesregierung Zeit, eine solche Lösung zu finden.
Der ehemalige Bundesarbeitsminister Scholz wollte mit den Zentren für Arbeit und Grundsicherung eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung fortschreiben. Diese Pläne hatten keinen Erfolg. Trotzdem liegt uns heute ein Antrag der Genossinnen und Genossen der SPD vor, der sich für eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung ausspricht. Die Organisationsform der ARGEn ist jedoch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Koalitionsvertrag in Berlin sieht eine getrennte Aufgabenwahrnehmung vor. Das bedeutet einen Rückfall in die Zeit vor dem Arbeitslosengeld II,
als Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe nebeneinander herliefen. Ein solches Wiederaufleben alter Verschiebebahnhöfe kann nun wirklich niemand wollen.
Wir Grüne wollen, dass Arbeitsuchende optimal beraten und unterstützt werden. Wir wollen, dass sie alle Hilfen aus einer Hand erhalten, dass sie einen persönlichen Ansprechpartner oder eine persönliche Ansprechpartnerin haben, der oder die ihnen bei der Leistungsgewährung, Arbeitsvermittlung und ergänzenden Hilfe zur Seite steht. Und wir wollen eine verlässliche Perspektive für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der ARGEn. Seit zwei Jahren wissen sie nicht, wie ihre berufliche Zukunft aussieht. Viele haben sich einen neuen Arbeitsplatz gesucht oder sich zur Kommune zurückversetzen lassen. Auch das wirkt sich schlecht auf die Betreuung der Arbeitsuchenden aus.
„Der Gesetzgeber … hat … den verfassungsgewollten prinzipiellen Vorrang einer dezentralen, also gemeindlichen, vor einer zentral und damit staatlich determinierten Aufgabenwahrnehmung zu berücksichtigen. … Das Anliegen, die Grundsicherung für Arbeitsuchende ‚aus einer Hand’ zu gewähren, ist … ein sinnvolles Regelungsziel.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist genug Zeit ins Land gezogen. Jetzt ist es Zeit zu handeln. Ich
hoffe im Interesse der Arbeitslosen in SchleswigHolstein, dass wir bald eine gut funktionierende Lösung bekommen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei aller auch berechtigter Kritik an der Hartz-Gesetzgebung bleibt festzuhalten: Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe war ein richtiger und ein notwendiger Schritt. Wenn jetzt die gelb-schwarze Koalition in Berlin die Jobcenter beziehungsweise die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung von Arbeitsagenturen und Kommunen in den Arbeitsgemeinschaften, den ARGEn, zerschlägt, dann kommt das heillose Chaos auf die Betroffenen zu.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass bis zum 31. Dezember 2010 eine gesetzliche Regelung gefunden wird, die das Zusammenwirken von Agenturen und Kommunen auf eine verfassungsmäßige Grundlage stellt. Diese Aufgabe haben im letzten Jahr auf Bundesebene Bundesarbeitsminister Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten Kurt Beck und Jürgen Rüttgers geleistet. Die maßgebliche Initialzündung für den gefundenen Kompromissvorschlag kam von unserem damaligen Arbeitsminister Uwe Döring, eine Initiative, über die wir hier im Landtag häufiger diskutiert und die wir alle gemeinsam intensiv unterstützt haben.
Mein Appell an Ministerpräsident Carstensen - der nun leider nicht hier ist: aber ich weiß, dass der stellvertretende Ministerpräsident das gern aufnimmt und weitergibt - ist, dass Schleswig-Holstein aus der Einheit der 16 Bundesländer, die dieses Vorgehen einstimmig unterstützt haben, nicht aussteigt, sondern daran erinnert, dass dieser gefundene Weg vernünftig, richtig war und seine Fortsetzung verdient hat.
Verabschieden Sie sich also bitte jetzt nicht aus dem gemeinsamen Vorgehen und Handeln, damit auch zukünftig Langzeitarbeitslose Leistungen aus einer Hand erhalten.
Leider scheiterte diese Umsetzung damals an der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die auf stur schaltete und sogar Angela Merkel im Regen stehen ließ. Die Blockade der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, eine vernünftige und allseits akzeptierte Arbeitsmarktpolitik infrage zu stellen, war der Bundestagswahl geschuldet. Aber jetzt die totale Abkehr vom Ziel, eine einheitliche Grundsicherung und Hilfen aus einer Hand für alle Arbeitsuchenden zu sichern, führt zu Chaos und wird die besonders Benachteiligten am Arbeitsmarkt zusätzlich treffen.
Allen Betroffenen droht zusätzliche Bürokratie. Sie haben zukünftig wieder zwei Ansprechpartner in verschiedenen Dienststellen. Dies hat nichts mit einer transparenten, modernen und ganzheitlichen Beratung und Antragsbewilligung zu tun. Die Landesarbeitsgemeinschaft der ARGEn in SchleswigHolstein hat uns am 13. Oktober 2009 geschrieben und wie folgt formuliert:
„Jede angestrebte Lösung muss die Leistungsgewährung aus einer Hand für die Betroffenen sicherstellen. Es wäre ein enormer Rückschritt, wenn künftig jeweils Teile der Grundsicherungsleistung von der Bundesagentur für Arbeit … und Teile von den Kommunen … in unterschiedlichen Anlaufstellen mit unterschiedlichen EDV-Programmen und unterschiedlichen Bescheiden ausgezahlt werden würden. Eine getrennte Aufgabenträgerschaft, wie sie ohne neue Regelung zwangsläufig am 1. Januar 2011 eintreten würde, gefährdet die Grundversorgung von Betroffenen mit Leistung für den Lebensunterhalt und Unterkunftskosten.“
Den Appell der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den ARGEn, die mit ihrem Einsatz und vielen Kraftanstrengungen die Umsetzung der Regelungen im SGB II zum Laufen gebracht haben, sollten wir sehr ernst nehmen.
Auch die Zukunft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ARGEn selbst ist unsicher, wissen sie doch nicht, wo sie 2010 arbeiten werden, wenn es so käme. Neben des 13 ARGEn gibt es in Schleswig-Holstein auch zwei Optionskommunen. Um den Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg Planungssicherheit zu geben, sah der vereinbarte Kompromissvorschlag ebenfalls eine Regelung vor, die auch diesen bestehenden Optionskommunen eine dauerhafte Rechtsgrundlage gesichert hätte.
Herr stellvertretender Ministerpräsident Garg, ich fordere Sie auf, vom eingeschlagenen Weg in Schleswig-Holstein nicht abzuweichen und die Initiativen von Uwe Döring weiter zu verfolgen. Widersprechen Sie laut und deutlich der Chaosstrategie der schwarz-gelben Bundesregierung, und vertreten Sie engagiert schleswig-holsteinische Interessen! Vertreten Sie engagiert die Interessen der Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind! Herr Minister Garg, setzen Sie sich engagiert dafür ein, dass die Grundorientierung der Leistung aus einer Hand erhalten bleibt! In dieser Frage haben Sie unsere Unterstützung sicher.
Die Betroffenen brauchen einheitliche, bürgerfreundliche, verstehbare und nachvollziehbare Bescheide. Auch wenn hier noch viele weitere Qualitätsverbesserungen geleistet werden können - der Bericht der Bürgerbeauftragten macht dies jedes Mal deutlich -, so sollten wir uns darauf verständigen, dass weiter intensiv daran gearbeitet wird, das alles nachvollziehbarer und organisierter für die Betroffenen umzusetzen. Die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen aus einer Hand muss auch zukünftig erhalten bleiben. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.
Zum Antrag der Grünen will ich kurz anmerken: Ich finde es richtig und gut, auch über die Frage zu diskutieren, wie man das kommunal organisieren kann. Ich schlage aber vor, diesen Antrag noch einmal an den Ausschuss zu überweisen, weil er viele Details vorgibt. Ich würde gern mit den Kommunen darüber diskutieren, was es bedeutet, Optionskommune zu werden. Ich würde auch gern darüber diskutieren, was es bedeutet, wenn man die von der Arbeitsagentur organisierten Projekte in einer getrennten Struktur - natürlich wieder mit den dann optierenden Kommunen - zusammenführen muss.
Frau Präsidentin, ich bin am Ende meines Beitrags. Ich schlage vor, den Antrag an den Sozialausschuss zu überweisen. Dort könnten wir mit den Kommunen noch einmal das Gespräch suchen, um alles handhabbar und organisierbar zu gestalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir erörtern in der Tat eine wichtige arbeitsmarkt-, sozial- und wirtschaftspolitische Frage. Bis zum 31. Dezember 2010 muss die Neuregelung stehen. Das hat mit Gerüchten über NRW überhaupt nichts zu tun, das ist die geltende Beschlusslage. Es ist auch die rechtliche Lage, die wir auszufüllen haben.
Die erste Frage lautet, ob die Zahlungen danach gefährdet seien. - Natürlich nicht, darum geht es in dieser Fragestellung nicht. Die zweite Frage lautet: Ist die Zeit zu knapp, um das neu zu regeln? - Ich meine nicht. Wir wissen, was auf uns zukommt. Auch der Bund weiß es. Auch im Jahr 2004 war es - wenn auch unter sehr großem Zeitdruck - möglich, am Ende alles vernünftig hinzubekommen. Dies zu den Sorgen.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir eine ehrliche Bilanz der ARGEn und der Lage ziehen. Angesichts der knappen Zeit will ich das nur kurz andeuten. Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ARGEn haben wir einen zum Teil erheblichen Frust, und zwar auch über Arbeits- und Zeitverträge. Wir haben zum Teil in den Jobcentern eine Fluktuation von 40 % gehabt. Wir haben bei der Betreuung zum Teil eine Anonymität, die ich mir nicht für arbeitslose Menschen vorstelle. Die große Zahl von Rechtsstreitigkeiten, die unsere Gerichte überlasten, zeigen, dass nicht alles so herrlich ist, wie es dargestellt wird. Wir haben auch eine Reihe von Kommunen, die gern optieren würde. Ich begrüße es, wenn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dieser Richtung weiter voran wollen. Das ist beste CDUPolitik. Die stößt nur an rechtliche Grenzen.
Wir haben eine Situation, in der die Arbeitslosigkeit Gott sei Dank erheblich zurückgegangen ist. Das hat auch etwas mit der Arbeit der Jobcenter zu tun. Vor allem aber hat dies mit einer Politik des Wachstums und mit einer konkreten Arbeitsmarktpolitik in Schleswig-Holstein in den letzten vier Jahren zu tun.
Es gibt soziale Fragen, die die ARGEn wahrlich nicht haben lösen oder eindämmen können. Schuldenprobleme und andere Fragen sind häufig zu kurz gekommen. Der damalige Vorschlag von Herrn Scholz, eine Mammutbehörde zu machen, hätte bedeutet, dass wir einen neuen Staatskonzern mit
Jede Veränderung ist auch eine Chance. Diese gilt es zu nutzen. Hilfen und Maßnahmen sollten dort, wo dies sinnvoll und machbar ist, weiter als Hilfen unter einem Dach geleistet werden. Bisher lautete die Formulierung häufig: aus einer Hand. Ich sage: Hilfen unter einem Dach. Hier soll nichts künstlich auseinandergezogen werden. Dass man Bescheide und Leistungen auch in dieser Form ohne Mehraufwand vernünftig machen kann, ist überhaupt nicht in Streit zu stellen.
Weiterhin brauchen wir eine dauerhafte Arbeitsund Planungssicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihre Familien. Herr Kollege Baasch, Sie haben eine Formulierung der Landesarbeitsgemeinschaft zitiert. Sie sollten ein weiteres Zitat aus dem Schreiben nehmen. Unter Punkt 3 heißt es:
„Ein zukünftiges Organisationsmodell als Nachfolge der Arbeitsgemeinschaften … muss gewährleisten, dass die Personal- und Organisationshoheit eindeutig geregelt wird. Nur so ist sicherzustellen, dass personelle Kontinuität entsteht, die für die erfolgreiche Betreuung der Langzeitarbeitslosen unabdingbar ist. Manche Arbeitsgemeinschaften und Jobcenter mussten … Personalfluktuationen von bis zu 40 % verkraften.“
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, der wichtig ist. Strukturen haben in der Arbeitsmarktpolitik ihre Bedeutung. Genauso wichtig sind aber Ergebnisse und Ziele. Die Inhalte, um die es geht, dürfen bei dieser Diskussion nicht zu kurz kommen. Sie lauten: weiter fördern und fordern. Arbeit und Leistung müssen sich lohnen. Dies ist nicht vorrangig von Organisationsstrukturen abhängig.