Protokoll der Sitzung vom 28.01.2011

(Mark-Oliver Potzahr)

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn wir bei Hartz IV sind: Wir brauchen das Bildungs- und Teilhabepaket, das Rot und Grün im Bundesrat gestoppt haben, um gerade benachteiligten jungen Menschen zu helfen. Wer dies blockiert, handelt gegen die Interessen der Kinder aus sozial schwachen Familien.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich kurz auf den SPD-Antrag eingehe, möchte ich noch eine letzte Schlussfolgerung aus der Jugendstudie ansprechen. Bereits zum zweiten Mal hintereinander warnen uns die Forscher davor, dass Armut und Perspektivlosigkeit der Zukunft ein männliches Geschlecht und Gesicht hat. Frauen haben das angeblich starke Geschlecht bei der Bildung längst abgehängt. Dies darf nicht ohne Einfluss auf eine zukünftige Gleichstellungspolitik bleiben.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Die SPD hat in ihrem Antrag ziemlich viele Forderungen platziert, die sie bereits in den letzten Monaten hier eingebracht hatte: Gebührenfreiheit, Wahlalter 16, verbindliches gemeinsames Lernen in der Gemeinschaftsschule. Mit diesen Forderungen bettelt sie geradezu, dass wir noch nicht einmal darüber nachdenken, ihrem Antrag zuzustimmen.

(Zuruf von der SPD: Denk ruhig mal nach!)

Trotzdem werden wir diesen Antrag an den Sozialausschuss überweisen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Dort werden wir gegebenenfalls einen eigenen, realistischen Antrag einbringen, der die zukunftsweisenden Teile des Berichts der Landesregierung aufgreift und ergänzt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die junge Generation hat Respekt verdient. Sie hat Förderung und Unterstützung verdient. Junge Menschen machen deutlich, dass sie die Familie als Leitbild sehen, in der sie Geborgenheit und Glück erwarten. Das gilt für die Familien, in die sie hineingeboren werden, ebenso wie für die Familien, die sie selbst einmal gründen wollen. Dabei hat sich auch der Wunsch, eigene Kinder zu haben, verstärkt. Deswegen hat diese Generation es verdient, dass wir ihr die Möglichkeit geben, in die Zukunft der eigenen Kinder investieren zu können. Die junge Generation hat einen Anspruch darauf, dass wir mit der Schuldenspirale Schluss machen, die ihnen diese Zukunftsperspektive verbaut. Das müssen wir

auch berücksichtigen, wenn wir Maßnahmen für eine Verbesserung der Situation junger Menschen in Schleswig-Holstein ergreifen. Die pragmatische Jugend erwartet dies von uns, damit die nächste Jugendstudie noch bessere Ergebnisse erbringt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Serpil Midyatli das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Potzahr, Papier ist sehr geduldig. Wir würden uns sehr freuen, wenn den Worten im Parlament endlich Taten folgen würden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Eigentlich wollte ich meine Rede anders beginnen. Ich wollte mich selbstverständlich für den Bericht bedanken. Ich wollte auch all denen danken, die an der Erstellung dieses Berichts beteiligt gewesen sind. Dem Bericht liegt die 16. Shell Jugendstudie zugrunde, die als Ergebnis herausstellt, dass die Jugend von heute trotz Krise optimistischer in ihre Zukunft blickt als noch vor vier Jahren. Das freut mich sehr, denn jedes Kind soll das Leben und die eigene Zukunftsplanung als positive Herausforderung sehen und sich darauf freuen, was noch kommt.

So viel zum Positiven, denn die Gegenwart bleibt von großen sozialen Unterschieden und von der Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Chancen geprägt. Wenn man die Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien befragt, dann schaut nur einer von dreien zuversichtlich in die Zukunft. Die Studie stellt erneut fest: Der Schulabschluss ist der Schlüssel zum Erfolg.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Deutschland gehört zu den OECD-Ländern, in denen die soziale Herkunft eines jungen Menschen noch immer maßgeblich für seine Bildungschancen ist. Es konnte passieren, dass ein Lehrer bei der Grundschulempfehlung für die weiterführende Schule sagte: Diesem Kind tue ich keinen Gefallen, wenn ich es für das Gymnasium empfehle, weil ich weiß, dass es zu Hause nicht die Unterstützung bekommen wird, die es braucht, also empfehle ich es für die Realschule. Dasselbe spielt sich bei der Ent

(Mark-Oliver Potzahr)

scheidung zwischen Real- und Hauptschule ab. Unser Bildungswesen steht vor der Herausforderung, Nachteile aufgrund der sozialen Herkunft durch Bildungsgerechtigkeit auszugleichen. Deswegen haben wir unser Schulsystem vor vier Jahren umgebaut.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es umgebaut hin zu längerem gemeinsamen Lernen und individueller Förderung; ohne ein Aussortieren an die Hauptschulen. Was aber tut die Regierungskoalition jetzt? - Sie leitet mit ihrem vorgestern beschlossenen Schulgesetz eine Kehrtwende ein, die auch im Widerspruch zu ihrem eigenen Bericht steht, indem die Gemeinschaftsschulen unattraktiver gemacht werden und das Grundprinzip des binnendifferenzierenden Unterrichts zur Disposition gestellt wird. Diese Antwort auf die Strukturmängel unseres Schulsystems ist so falsch, wie sie nur sein kann.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eine Kehrtwende, die zum Crash führen wird, wenn der Kurs nicht schnell korrigiert wird.

Wenn wir den vorgelegten Bericht isoliert betrachten, dann müssten wir alle hier im Grunde mit der geleisteten Arbeit der jetzigen Landesregierung sehr zufrieden sein. Das können wir aber nicht. Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir einerseits, dass der Bericht die Arbeit der vorherigen Landesregierung, namentlich der vorherigen Sozialministerin Gitta Trauernicht, der ehemaligen Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave und auch des Arbeitsministers Uwe Döring, auflistet.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU - Christopher Vogt [FDP]: Warum sind die Er- gebnisse dann so, wie sie sind?)

Die Konzepte, zum Beispiel das Handlungskonzept „Schule & Arbeitswelt“, haben sich bewährt. Der Kinder- und Jugendaktionsplan hat viel angestoßen. In Kitas und Schulen wurden Projekte entwickelt. Diese wurden inklusive der Bildung vorangetrieben, und Partnerschaften mit der Wirtschaft sind entstanden. Neue Konzepte, die die bewährten Konzepte ergänzen, zeigt die jetzige Landesregierung jedoch nicht auf. Überhaupt haben CDU und FDP im letzten Jahr eher alles schlimmer gemacht. Der von den regierungstragenden Fraktionen beschlossene Haushalt steht im klaren Widerspruch zu diesem Bericht.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Es wurde bei den frühen Hilfen gekürzt, obwohl es gerade bei den Kindern auf Prävention und auf frühe Förderung und Hilfe ankommt. Wir wollen doch gleiche Startchancen im Leben für alle Kinder. Dazu gehört auch eine beitragsfreie Kita, die Sie auch abgeschafft haben.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Des Weiteren zeigt die Shell-Studie eine wunderbare Entwicklung auf. Sie zeigt, dass immer mehr Jugendliche sich gesellschaftlich engagieren. Das ist toll, das muss man unterstützen und nicht durch Kürzungen bei den Jugendverbänden und bei den Freiwilligendiensten gefährden. Lieber Herr Innenminister, Sie können sich hier herausreden, wie Sie wollen. Gesellschaftliches Engagement eröffnet jungen Menschen die Chance persönlicher und beruflicher Orientierung.

(Beifall bei der SPD)

Es bietet neue Lernerfahrungen und vermittelt fachliche, soziale und interkulturelle Fähigkeiten. Die SPD will das stärken und die Jugendfreiwilligendienste ausbauen. Auch hierbei müssen sozial benachteiligte Jugendliche besser erreicht werden.

Neben den Kürzungen bei den Jugendverbänden ist auch die Mitbestimmung der Jugendlichen in den Gemeinden infrage gestellt worden. Dagegen haben wir uns im Landtag schon gewehrt. Herr Innenminister Schlie, ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern können. Wir wollen mehr gesellschaftliche Teilhabe durch Partizipation. In der Shell-Studie wurde hierzu auch die Absenkung des Wahlalters vorgeschlagen, was die SPD-Forderung danach bestätigt. Von der Politik erwartet man, dass sie für die Menschen und für die Jugend in unserem Bundesland Entscheidungen trifft. Für die Jugend in Schleswig-Holstein wäre es besser gewesen, Schwarz-Gelb hätte gar keine Entscheidungen getroffen.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Die Regierung kann sich auch nicht damit herausreden, dass die Kommunen für die Kinder- und Jugendhilfe zuständig sind. Falls Sie es nicht wissen sollten, sage ich es Ihnen noch einmal: Es ist eine rechtliche und politische Aufgabe der Landesregierung, unter anderem neue Wege in der Kinder- und Jugendpolitik zu forcieren und zu finanzieren. Nichts, aber auch gar nichts ist Ihnen bisher dazu eingefallen. Nur Kürzen bei den Kurzen, das ist eine erbärmliche Bilanz.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

(Serpil Midyatli)

Auf der Bundesebene wird zurzeit wieder ein Bundes-Kinderschutzgesetz diskutiert. Herr Garg, uns würde dazu interessieren, wie die Landesregierung sich hier verhalten wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit die Jugendpolitik in diesem Land wieder vorankommt, hat die SPD-Landtagsfraktion einen umfangreichen Antrag gestellt, in dem alle bedeutenden Handlungsfelder genannt werden. Wichtig ist dabei, dass diese Politik ressortübergreifend geschieht. Alle müssen an einem Strang ziehen. Die SPD bleibt dabei ihrer bisherigen Linie treu und möchte die bewährten Konzepte fortführen und weiterentwickeln. Schule und Ausbildung sind das A und O für die Zukunft der jungen Familien. Zum Thema Kita und Schule kennen Sie unsere Position. Über dieses Thema haben wir am Mittwoch ausführlich debattiert. Wir müssen die benachteiligten Jugendlichen unbedingt mitnehmen. Dazu gehört auch die bedarfsgerechte Versorgung mit Sozialarbeit an Schulen und Berufsschulen. Des Weiteren ist die berufliche Integration noch weiter zu verbessern, bis jeder Jugendliche eine Chance auf einen Ausbildungsplatz erhält.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Bereiche sind der Kinderschutz und die Gesundheitsförderung, denn wir wollen, dass unsere Kinder gesund aufwachsen. Zu einer guten Lebensperspektive gehört auch die physische und psychische Gesundheit. Diese müssen wir mit Präventionskonzepten unterstützen. Zudem müssen wir die Medienkompetenz als politisches Handlungsfeld entdecken. 96 % aller Kinder sind heute im Netz. Wir müssen den jungen Menschen einen kritischen Umgang mit den Medien vermitteln und sie über die Gefahren und den Datenschutz aufklären. Die SPD-Landtagsfraktion ist mit ihrer Großen Anfrage aktiv geworden und wird das Thema Medienkompetenz in den Diskussionen weiter vorantreiben.

Als letzten Punkt haben wir den Generationendialog aufgegriffen, da die Shell-Studie herausstellt, dass mehr als die Hälfte der Jugendlichen das Verhältnis zwischen Jung und Alt eher als angespannt betrachten. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels muss man einem Generationenvorbehalt entgegenwirken und das Miteinander stärken. Die Jugendlichen haben heute, was ihre Ausbildung angeht, viel mehr Möglichkeiten als die Generationen zuvor. Sie sind in der globalen Welt ihrer Möglichkeiten längst angekommen. Sie planen Auslandssemester in Mittel- oder Nordamerika oder ein Praktikum in England oder Spanien. Es ist toll, dass die Jugendlichen all diese Möglich

keiten haben und sie für sich nutzen. Wir wollen sie bei all ihren Plänen unterstützen. Es ist aber auch wichtig, dass die gut ausgebildeten jungen Menschen, dann reich an Erfahrungen und neuen Ideen, zurück nach Schleswig-Holstein kommen. Dieser Punkt muss bei der Zukunftsperspektive mit bedacht werden. Schleswig-Holstein muss für junge Menschen attraktiv bleiben.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen in meiner Rede aufzeigen, dass das bisher von Ihnen Vorgelegte nicht alternativlos, sondern perspektivlos ist.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Christopher Vogt.