Es ist das Wesen von Vertrauen, dass man Leuten zugesteht, Fehler auch machen zu können. Das heißt, dass man einen Fehler auch vergibt. Deshalb gibt es einen praktischen Weg, gute politische Führung wiederherzustellen und Vertrauen zu schaffen. Für mich und meine Fraktion kann ich versprechen, einen solchen Mut - wenn er denn aufgebracht werden würde - nicht mit Häme oder Rücktrittsforderungen zu quittieren, sondern mit Achtung und Applaus. Herr Bildungsminister, Herr Ministerpräsident, ziehen Sie das Schulgesetz zurück, bevor es Wirklichkeit wird!
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das kann er doch gar nicht machen! - Herlich Marie Todsen- Reese [CDU]: Wie naiv! - Weitere Zurufe)
Herr Ministerpräsident, liebe Regierungsbank, ich bin ja nicht Ihr politischer Berater, aber wenn ich es wäre, hätte ich Ihnen heute dringend geraten, hier zu sprechen.
Die Landesregierung ist in keiner Verfassung, die Gelegenheit, zehn Minuten ihre Politik zu erläutern, einfach verstreichen zu lassen.
Herr Ministerpräsident, stehen Sie zu Ihrem Bildungsminister, oder ist er isoliert? Reden Sie hier heute nur nicht, um kein Bekenntnis abgeben zu müssen? So werte ich Schweigen - ich gebe es zu Protokoll - als Distanzierung von Herrn Klug, seinen Erlassen und seinem Schulgesetz.
Schweigen heißt, sich in die Büsche zu schlagen. Schweigen heißt, sich mit Kubicki gemein zu machen, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihrer Regierung beschimpft und seinen Parteifreund Minister Klug, einen Minister Ihres Kabinetts, in die Bredouille bringt.
Dass ich nicht der Einzige bin, der das so sieht, kann man Herrn von Boetticher und der CDU ablesen, die schon einmal ankündigt, das nächste Bildungsministerium wollten sie besetzen. Was, wenn nicht das, nennt man eine unverhohlene Kritik an der Amtsführung von Minister Klug?
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN - Zuruf des Abgeord- neten Wolfgang Kubicki [FDP])
Vom Kollegen Kubicki ist keine Klarstellung gekommen, ob sein Parteivorsitzender, Herr Koppelin, auch in seinem Namen gesprochen hat, als er die Küstenschutzabgabe als bürokratisches Monstrum bezeichnet und Frau Ministerin Rumpf angezählt hat.
Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, einfach mal die Klappe halten. 48 Stunden später erklärt die Junge Union, das Schulgesetz sei Mist. Heute wäre die Chance gewesen, die Linie und die Einheit dieser Regierung darzustellen,
Entweder ist die Regierung sprachunfähig, oder sie hält es für unnötig, ihre Politik zu erläutern. Das eine wäre schlimm, das andere wäre arrogant. Ich weiß nicht, was ich mir weniger wünschen soll.
Herr Kollege Dr. Habeck, habe ich es richtig verstanden, dass die vereinten Oppositionstruppen mit dem Antrag, der heute gestellt worden ist, eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten auf den Weg bringen wollten?
- Den Antrag habe ich nicht gestellt, aber ich halte es für opportun, jede Gelegenheit zu ergreifen, die Politik, die man gerade vertritt, zu erläutern.
Sie, verehrte Damen und Herren, und vor allem die Regierung, haben ein Gerichtsurteil, dass der Landtag, der Sie gewählt hat, nicht verfassungskonform zusammengesetzt ist. Sie regieren gegenüber der Bevölkerung als Minderheitsregierung. Sie haben kein Wahlgesetz, ein nicht funktionierendes Schulgesetz, und die Koalitionäre fallen übereinander her. Und sie verweigern die Aussprache. Das ist nicht gute Politik. Das ist auch nicht Führung. Das ist das Schweigen der Lämmer.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW - Dr. Christian von Boetticher [CDU]) : Dann bist du aber Hannibal Lecter!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Kollege von Boetticher, dass Sie dieses schöne Bild vom Dampfer Schleswig-Holstein aufgebracht haben. Ich schätze Reinhard Mey sehr. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass er das Bild des Dampfers in seinem jetzigen Zustand schon einmal ganz gut beschrieben hat. Mit Erlaubnis der Frau Präsidentin zitiere ich:
„Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken Und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken. Die Mannschaft lauter meineidige Halunken, Der Funker zu feig’, um SOS zu funken. Klabautermann führt das Narrenschiff Volle Fahrt voraus und Kurs auf’s Riff.“
Nun könnte ich diesem Parlament die restlichen neun Minuten meiner Redezeit schenken. Aber ich will es übersetzen.
Zu einem Zeitpunkt, zu dem in den Landtagen anderer Länder Zwischenbilanzen von Regierungspolitik gezogen würden, sind wir gezwungen, über die politische Führung in unserem Land zu reden, und der Landesregierung scheint es nicht einmal peinlich zu sein.
Man hätte es ahnen können, als der mittlerweile legendäre Pflichtstundenerlass nach kaum 24 Stunden wieder aufgehoben wurde: Der Bildungsminister kann es einfach nicht. Ob Eltern, Lehrer oder Schüler - die Ablehnung dieser Schulpolitik ist generationenübergreifend.
Der kürzlich erfolgte Versuch, Schulleitung, Schulkonferenz und Schulträger binnen 14 Tagen zur Entscheidung zwischen G 8, G 9 und Y-Modell zu zwingen, und der anschließende Rückzieher zeigen erneut deutlich: Der Bildungsminister ersetzt Beratungskompetenz durch Beratungsresistenz.
Seien wir ehrlich: Gäbe es nicht das Urteil des Landesverfassungsgerichts vom letzten Jahr, dieser Bildungsminister wäre lange nicht mehr im Amt.
Es gibt aber noch weitere Minister, die tatkräftig versuchen, die Bildungspolitik des Landes der Lächerlichkeit preiszugeben. Der Vorschlag, 10.000 vom Bund geförderte Studienplätze an Niedersachsen abzutreten, hat den Wirtschaftsminister bundesweit in die Schlagzeilen gebracht und ihn gleichzeitig zur Witzfigur gemacht.
Da wunderte niemanden mehr die Posse um die geplante Schließung der Uni Lübeck, bei der am Ende sogar die Bundesregierung mit einem dicken Scheck kommen musste, um die Landesregierung noch einmal kurzfristig vor dem Absaufen zu retten.
So gesehen war die Affäre um die Verlängerung der Ölförderung auf der Mittelplate schon gar kein richtiger Aufreger mehr.
Seien wir erneut ehrlich: Gäbe es nicht das Urteil des Landesverfassungsgerichtes, der Wirtschaftsminister wäre spätestens nach dem Kuddelmuddel um die Uni Lübeck ein anderer gewesen.
(Beifall bei der LINKEN - Heike Franzen [CDU]: Das hat er richtig gut gemacht! - To- bias Koch [CDU]: Das wüssten wir aber!)