Protokoll der Sitzung vom 24.02.2011

CDU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag eine klare Aussage getroffen, dass sie die partnerschaftliche sektorenübergreifende Zusammenarbeit unterstützen werden. Wir haben zugesichert, dafür Sorge zu tragen, dass neue Formen der Kooperationen nicht zulasten der freiberuflich tätigen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gehen.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU])

In Schleswig-Holstein ist in § 19 des Gesetzes zur Ausführung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes geregelt, wer an der Krankenhausplanung mittelbar beziehungsweise unmittelbar beteiligt ist. In § 20 sind die Mitwirkungsrechte der Beteiligten geregelt. Hier setzen wir an. Diese Verfahrensabläufe müssen verbessert werden, damit zukünftig

(Bernd Heinemann)

bei der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung die ambulanten wie auch die stationären Leistungserbringer als gleichberechtigte Partner verhandeln können.

Wir erachten es als sinnvoll, das Ministerium zu ermächtigen, per Verordnung die direkt Betroffenen bei Fragen der intersektoralen Zusammenarbeit zusammenzubringen. Wir wählen diesen Weg auch deswegen, weil es auch auf Bundesebene Bewegung in diesem Bereich gibt. Hier steht ein Versorgungsgesetz an, und wir wollen flexibel und schnell auf mögliche Veränderungen reagieren. Wir handeln also vorausschauend - das, was die Opposition immer anmahnt und uns natürlich dann auch immer abspricht.

Unser Vorhaben ermöglicht die Erörterung von Fragen der intersektoralen Zusammenarbeit miteinander auf Augenhöhe. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Gesundheitsstandortes SchleswigHolstein. Ich freue mich auf weitere konstruktive Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat nun die Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab eine persönliche Bemerkung: Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Das sollten wir alle nicht vergessen. Es ist gut, aber nicht perfekt. Wir Grüne sind offen dafür, auf Bundes- und Landesebene das bestehende System zu verbessern. Wir müssen es demografiefest machen, und wir müssen dafür sorgen - da teile ich die Einschätzung meiner Kollegin Sassen -, dass überall in Schleswig-Holstein, auch im ländlichen Raum, eine gute medizinische Versorgung möglich ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Tausende von Menschen erkranken in SchleswigHolstein an Krankenhausinfektionen, und die Landesregierung meint, eine einfache Verordnung würde helfen. Zehntausende von Menschen in Schleswig-Holstein brauchen bessere Pflegebedingungen, und die Landesregierung kommt mit ihrer Initiative zum Selbstbestimmungsstärkungsgesetz nicht in die Puschen.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall der Abge- ordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Der Großteil der Fachwelt im Gesundheitswesen Herr Kollege Heinemann hat das eben ausgeführt hat in der Ausschussanhörung ganz klar gesagt, dass eine intersektorale Zusammenarbeit mit der jetzigen Gesetzeslage völlig in Ordnung ist. Eine Änderung zum jetzigen Zeitpunkt ist völlig überflüssig, und die Landesregierung wird aktiv. Da verstehe einer die Welt des Gesundheitsministers. Seine Welt ist offensichtlich eine Scheibe, und sie dreht sich darum, bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten den Eindruck zu erwecken, hier werde etwas für sie getan. Das ist möglicherweise ja auch so. Aber wo ist der Vorteil für die Patientinnen und Patienten in Schleswig-Holstein? Das bleibt hier völlig unklar. Im Sozialausschuss haben wir eine Anhörung mit vielen Experten gehabt. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn wir das erst einmal im Sozialausschuss weiterberaten hätten, dann hätten sie diese Initiative hinzufügen können. Das hätte Sinn gemacht. Umgekehrt ist ein Schuh daraus geworden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Bei dem Thema, das wir heute besprechen, geht es um 5 % der ambulanten Leistungen. 5 % der Leistungen, und dann zeigt die Landesregierung 100 % Einsatz. Sie zäumen das Pferd von hinten auf und wundern sich, dass der Applaus ausbleibt. Was bezwecken Sie mit dem vorliegenden Entwurf? Eine klare Ansage wäre da sehr hilfreich. Wir Grüne hätten auch eine Begründung des Entwurfs sehr begrüßt. Vielleicht hätte sie ein bisschen Licht in das gesundheitspolitische Dunkel dieses Gesetzentwurfs gebracht. Aber selbst bei Sonnenschein betrachtet, eines ist klar: Sie gehen einmal wieder den zweiten Schritt vor dem ersten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Erst muss das Versorgungsgesetz auf Bundesebene vorliegen. Dann müssen wir sehen, welche neuen Kompetenzen auf die Länder zukommen werden. Für meine Fraktion sage ich Ihnen ganz klar: Sie setzen im Gesundheitsbereich die völlig falschen Schwerpunkte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Und das auch noch in einer sehr befremdlichen Reihenfolge.

(Anita Klahn)

(Zuruf: So sind sie!)

Für uns Grüne steht fest: Im Bereich der intersektoralen Leistungen brauchen wir mehr Transparenz. Wir brauchen einheitliche Qualitätsstandards, und wir brauchen flexible regionale Lösungen. Das sieht übrigens auch Professor Wille, der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, so. Dann gibt es einen Vorteil für die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten. Das ist das Interesse meiner Fraktion, und dafür werde ich mich auch persönlich weiter einsetzen. Ich freue mich auf die weitere Beratung im Sozialausschuss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Frau Abgeordneter Antje Jansen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf gehört zu einer Debatte, die im Landtag - und insbesondere im Sozialausschuss - derzeit entlang mehrerer Anträge geführt wird. Generalüberschrift dieser Debatte ist die Sicherstellung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein. Die Verbesserung der intersektoralen Zusammenarbeit gehört zu diesem Thema.

Die Trennung von ambulanten und stationären Einrichtungen ist kostenintensiv und ineffizient. Diese Trennung muss Schritt für Schritt überwunden werden. Wir brauchen eine bedarfsgerechte regionale Vernetzung der vorhandenen Ressourcen. Im Mittelpunkt der Kooperation zwischen den ambulanten und stationären Einrichtungen muss dabei selbstverständlich immer das Interesse einer flächendeckenden und qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung der Menschen stehen.

Um die konkrete Erbringung ambulanter Leistungen durch die Krankenhäuser gibt es erheblichen Streit zwischen den Akteuren. Das hat zuletzt im Oktober 2010 die Anhörung im Sozialausschuss mehr als deutlich gemacht. Die Parteien des Streits sind die Krankenhäuser, die niedergelassenen Ärzte und die Krankenkassen. Im Vordergrund der Auseinandersetzung wurde stets und immer das Interesse an einer verbesserten Kooperation betont und diskutiert.

Aber es gibt eben auch einen anderen Hintergrund. Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein behauptet in ihrer Stellungnahme zum Beispiel, § 116 b - Ambulante Behandlung im Krankenhaus - werde als Einfallstor eines umfassenden Einstiegs der Krankenhäuser in die ambulante Behandlung missbraucht. Und selbstredend gibt es in der Breite der angehörten Experten und Verbände auch jede Umkehrung dieser Argumentation. Das kann ja auch gar nicht anders sein, weil es sich erstens natürlich um einen Verteilungskampf zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten handelt. Ebenso natürlich handelt es sich zweitens und parallel dazu um einen nicht minder ernsthaften Verteilungskampf zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern. So, wie unser Gesundheitssystem gestrickt ist, ist das auch kein Wunder. Es geht hier um Marktzugänge, und es geht um Geld.

Aber Gesundheit ist keine Ware. Daher ist die Politik gefordert, ein Verfahren zu finden, bei dem am Ende die Patienten die Gewinner sein müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

CDU und FDP legen hier einen Gesetzentwurf vor, der das Ausführungsgesetz zur Krankenhausfinanzierung um eine Verordnungsermächtigung für das Ministerium erweitert. Solange aber die Diskussion um die Verbesserung der Kooperation im Bereich der ambulanten Behandlung nicht abgeschlossen ist, bedeutet eine solche Ermächtigung den Kauf der berühmten Katze im Sack. Meine Vorrednerinnen von SPD und Grünen haben das auch schon ausgeführt.

Daher ging die Debatte dahin, von der Landesregierung Regelungsvorschläge beziehungsweise die Vorlage eines Konzeptes zu verlangen. Wir finden dieses Vorgehen auch vernünftig. Wenn solche Vorschläge auf dem Tisch liegen und man zu der Auffassung gelangt, man sollte den Verordnungsweg gehen, dann kann man das Ministerium immer noch ermächtigen. So, wie das jetzt aussieht, befürchten wir, dass der Auftrag an die Landesregierung, einen Verfahrensvorschlag zu erarbeiten, von vornherein in einer Rechtsverordnung landet. Damit werden andere Regelungen gleichsam vorab verworfen. Beim jetzigen Stand der Debatte lehnen wir daher eine Ermächtigung des Ministeriums zu einer Verordnungsregelung ab. Mit diesem Gesetzentwurf wird der zweite Schritt vor dem ersten Schritt gemacht. Normalerweise kommen Schritte beim Gehen vor.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

(Dr. Marret Bohn)

Wer Ihre Vorgehensweise mit diesem Gesetzentwurf auf die an sich natürliche Bewegungsform des Gehens überträgt, der fällt unweigerlich auf die Nase und stürzt. Das bringt uns zurück zur Notwendigkeit einer flächendeckenden und jedem zugänglichen medizinischen Versorgung.

Ich freue mich auch auf die konstruktive Debatte im Sozialausschuss und hoffe, dass wir zum Wohle der Patienten hier in Schleswig-Holstein verfahren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun der Herr Abgeordnete Flemming Meyer von der Fraktion des SSW.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP sieht einige Änderungen im Bereich der intersektoralen Zusammenarbeit vor. Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit soll ermächtigt werden, das Antragsverfahren zur Erbringung ambulanter Leistungen durch Verordnung zu regeln. Dieser Verordnungsweg soll dem Ministerium zukünftig auch bei „grundsätzlichen Fragen der intersektoralen Zusammenarbeit“ eröffnet werden.

Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung ist ohne Zweifel ein wichtiges Zukunftsthema. Ich denke, wir alle sehen in der Verbesserung der Zusammenarbeit dieser Sektoren eine dringliche Aufgabe. Die Grundlage dafür, dass die Krankenhäuser zunehmend für die spezialisierte ambulante Versorgung geöffnet werden § 116 b SGB V -, besteht ja bereits seit vielen Jahren. Diese Regelung ist zwar nach wie vor umstritten - hier wurden verschiedene Punkte mittelbar oder unmittelbar angesprochen -, aber die Erfahrung hier in Schleswig-Holstein zeigt, dass man diese Regelung auch recht kooperativ umsetzen kann. Der gewählte Weg der konsensorientierten Moderation ist jedenfalls in den Augen vieler anderer Länder vorbildlich. Nach dem Motto „Kooperation statt Konfrontation“ wurde schon früh ein einvernehmliches Vorgehen zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung unter Beteiligung der niedergelassenen Ärzte gewählt. Vor dem Hintergrund, dass natürlich auch hier im Lande Konkurrenzverhältnisse zwischen dem niedergelassenen und dem stationären Bereich herrschen, wenn es um die ambulante Versorgung geht, ist dies durchaus bemerkenswert.

Es steht außer Frage, dass wir bei der Aufgabe, die Kooperation im Bereich der ambulanten Behandlung zu verbessern, noch vor großen Herausforderungen stehen. Entsprechend liegen dem Sozialausschuss zu diesem Thema ja auch eine Reihe von Anträgen und Stellungnahmen der Betroffenen vor. Hier haben insbesondere die Akteure der Gesundheitsversorgung in ihren Stellungnahmen deutlich gemacht, dass das bisherige Versorgungssystem schon bald an seine Grenzen stößt. Es ist dringend geboten, diesen Bereich weiterzuentwickeln. Dabei ist es für den SSW wichtig, dass die Bewertung der vertragsärztlichen Versorgungssituation in einem Miteinander auf echter Augenhöhe geschieht. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass dabei die Verbesserung der Versorgungsqualität das übergeordnete Ziel sein muss.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Fest steht, dass sich die Fraktionen hier im Haus bei vielen Fragen zu diesem Thema einig sind. Wir alle sehen grundsätzlich die Notwendigkeit, gemeinsam mit den Akteuren der Gesundheitsversorgung eine Verbesserung der Kooperation im Bereich der ambulanten Versorgung zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund verwundert uns der vorliegende Gesetzentwurf, offen gesagt, sehr. Indem zukünftig das Verfahren bei Anträgen von Krankenhäusern auf dem Verordnungsweg - und damit gegebenenfalls über die Köpfe der Beteiligten hinweg - entschieden werden soll, bricht man mit dem bewährten Prinzip der Kooperation.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei SPD)

Hier möchte ich jedenfalls ernsthaft bezweifeln, ob dies der richtige Weg ist. Nicht zuletzt, weil auch die nicht näher definierten „grundsätzlichen Fragen der intersektoralen Zusammenarbeit“ in alleiniger Zuständigkeit des Ministeriums liegen sollen, halten wir es für dringend notwendig, dass wir diesen Entwurf sehr intensiv im Ausschuss beraten.

(Beifall bei der LINKEN und der Abgeord- neten Anke Spoorendonk [SSW])

Für den SSW bleibt unverändert wichtig, dass die Kooperation auch in Zukunft gemeinsam gestaltet wird und nicht auf dem Verordnungsweg ohne Beteiligung der Betroffenen.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei der SPD)

(Antje Jansen)