Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Kollege Fürther, was mich an Ihnen wirklich langsam besorgt macht - darüber sollten die Grünen einmal nachdenken - ist - ich habe es hier mehrfach

(Dr. Ralf Stegner)

gehört -: Die Politik soll sich zurücknehmen. Was wollen Sie sich selbst, Ihrer Partei, Ihrer Fraktion und der Öffentlichkeit damit sagen, wenn Sie sagen, die Politik soll sich zurücknehmen? In welchen Bereichen und warum? Bisher habe ich es so verstanden, dass Parlamentarismus darin besteht, dass sich Menschen und Politik einmischen, dass wir die Repräsentanz des Volkes sind und bei der Willensbildung mitwirken.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Mit besonderer Belustigung habe ich zur Kenntnis genommen, dass in Lübeck offensichtlich Sechsklässler noch 16 Jahre alt sind oder - umgekehrt mit 16 Jahren noch in die 6. Klasse gehen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Denn Sie haben es als Beispiel dafür gebracht, dass man das Wahlalter absenken soll. Diese Fragen sollten wir intensiver diskutieren als nur populistisch. Es hat auch andere Konsequenzen. Unter Umständen müssten wir auch die Frage stellen, ob wir das Volljährigkeitsalter dann nicht absenken müssten. - Ja, Sie schütteln den Kopf, aber Sie können doch nicht in einem Gesetzgebungsverfahren sagen, dass Menschen ohne Weiteres mit 16 Jahren wählen dürfen. Darüber kann man diskutieren, aber man muss es breiter diskutieren, als nur zu sagen: Wir senken einfach einmal das Wahlalter ab. Haben Sie sich einmal angeguckt, was in Sachsen-Anhalt dabei herausgekommen wäre, wenn das Wahlalter 16 Jahre gewesen wäre? - 30 % Wahlentscheidung zugunsten der NPD. Wir sollten es doch intensiver diskutieren, als es bisher so populistisch geklungen hat.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ein Letztes. Unsere Verfassung sieht eine Überschreitung der Zahl von 69 Abgeordneten ja ausdrücklich vor. Anders wäre die Regelung, Überhangmandate müssen durch Ausgleichsmandate ausgeglichen werden, gar nicht zu verstehen. Insofern ist die Behauptung, 69 Abgeordnete müssen auf jeden Fall eingehalten werden, schlicht und ergreifend falsch.

Besonders bedrückt hat mich, dass der Abgeordnete der LINKEN, der hier gesprochen hat, offensichtlich den Unterschied zwischen Grund- und Organisationsrechten nicht begreift. Parlamentsrechte sind Organisationsrechte. Die Frage ist, was sind Organisationsrechte? - Dass die Menschenwürde nicht angetastet werden darf, hat damit überhaupt nichts zu tun, abgesehen davon, dass das durch niemanden geändert werden kann. Diese Regelung hat

Ewigkeitsgarantie. Das ist für unser Gemeinwesen gut, dabei sollte es auch bleiben.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD - Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich jetzt Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte von der Gemeinschaftsschule Viöl. - Seien Sie uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag herzlich willkommen!

(Beifall)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Kollegin Silke Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion war wieder sehr interessant. Herr von Boetticher, ich bedaure es sehr, dass Sie erneut darauf hingewiesen haben, dass die CDU auf fünf Wahlkreise verzichtet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das ha- be ich nicht gesagt!)

- Das haben Sie im November schon einmal gesagt. Sie haben es jetzt wieder gesagt. Für uns ist es wirklich nicht mehr nachvollziehbar. Wir können nachher gern noch einmal ins Protokoll hineingucken.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Ja, ja! - Weitere Zurufe)

Ich habe darauf geachtet, weil ich das sehr ehrlich finde. Umgekehrt ist es aber so, dass ich es trotzdem bedauere, weil - ich weise darauf hin, und das wissen ja alle -, die zurzeit bestehenden Wahlkreise tatsächlich in der überwiegenden Zahl von den großen Parteien - und das sind CDU und SPD - gewonnen werden. Wenn wir auf das wechselnde Wahlergebnis gucken, sehen wir, dass die SPD häufig die Wahlkreise direkt gewonnen hat, wie auch die CDU.

Das heißt, es ist nicht nur die CDU, die verzichtet.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Hinsichtlich des Kompromisses, den Sie heute vorgestellt haben, ist es richtig, dass wir es begrüßen, dass das Auszählungsverfahren von d’Hondt auf Sainte Laguë/Schepers verändert worden ist. Das ist

(Wolfgang Kubicki)

sehr gut. Des Weiteren ist es gut, dass es beim Zweistimmenwahlrecht bleibt. Ihr Vorschlag, Herr von Boetticher, lautete ja noch am Montag, vor dem Kompromiss, dies solle alles gar nicht so geschehen. Für mich wäre es ehrlicher gewesen zu überlegen, ob man nicht einfach das Mehrheitswahlrecht einführt. Daran erinnerte damals Ihr Vorschlag. Deshalb bin ich froh, dass drei Parteien zusammengefunden haben.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Was hat das mit dem Mehrheitswahlrecht zu tun?)

- Sie haben ausdrücklich gesagt: Keinen Ausgleich mehr. Da wäre wirklich langsam zu überlegen, ob man nicht wie in England das reine Mehrheitswahlrecht einführen sollte.

Aufgrund der Tatsache, dass sich drei Parteien zusammengeschlossen haben, kann ich diesem Kompromiss wirklich gute Seiten abgewinnen. Allerdings - ich weise noch einmal darauf hin; im Ausschuss habe ich es bereits getan - fehlt es im Hinblick auf das, was im Verfassungsgerichtsurteil steht, weiterhin noch beim Zuschnitt der Wahlkreise.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich denke, es sollten eher 15 % statt 20 % sein, weil damit die größte Abweichung 40 % beträgt. Diese hatte ja das Landesverfassungsgericht kritisiert.

Wir werden aber damit leben müssen und können. Ich freue mich trotzdem, dass Sie einen Kompromiss und auch einen Wahltermin gefunden haben. Er ist zwar später, als wir uns das gewünscht haben, aber ich bin froh, dass es ihn überhaupt gibt.

Ganz zum Schluss möchte ich noch sagen: Komisch finde ich es dennoch, dass der SSW immer dann besondere Erwähnung findet, wenn wir uns zu solchen Themen äußern. Herr Kubicki hat es eben schon richtiggestellt. Er zweifelt nicht an unserem Mandat. Darüber bin ich sehr froh. Allerdings finde ich es bedauerlich, dass wir über Zwischenrufe etwas anderes gesagt bekommen.

(Wortmeldung des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich würde es begrüßen, wenn Sie es immer so sagen würden, wie Sie es nachher in Ihrer Rede klargestellt haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Darf ich?)

Die Abgeordnete gestattet eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki.

Frau Kollegin Hinrichsen, haben Sie eine Vorstellung davon, was es für die Größe des Landtags bedeutete, würden wir, wie von verschiedenen Parteien des Landtags gefordert, die Fünfprozenthürde abschaffen?

- Nein, das kann ich so schnell nicht errechnen.

(Beifall beim SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Einhundertzwanzig!)

Meine Damen und Herren, zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Kollegen Heinz-Werner Jezewski das Wort.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich empfehle wirklich viel Gelassenheit. Sie sollten nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.

(Zuruf von CDU und FDP: Oh!)

- Auch nicht jedes Zitat, vor allen Dingen nicht immer meine.

Herr Kollege Kalinka, Sie wissen: Seltsamerweise bin ich relativ oft mit Ihren Positionen teilweise einverstanden.

(Gerrit Koch [FDP]: Aha! - Christopher Vogt [FDP]: Herzlichen Glückwunsch, Herr Kol- lege!)

- Ich habe die Absicht, ihn voll in die Pfanne zu hauen. Deswegen lobe ich ihn jetzt öffentlich. - Mit einem kann ich allerdings nicht gut umgehen. Wenn DIE LINKE einen guten Antrag stellt, können Sie - das tun Sie auch - sagen: Den unterschreiben wir nicht; wir schreiben ihn ab, setzen noch ein Wort ein und bringen ihn dann als eigenen Antrag ein. Damit bin ich einverstanden. Damit kann man leben. Sie können uns im politischen Umgang vorwerfen, was Sie wollen. Sie können uns vorwerfen, wir seien politikunfähig, regierungsunfähig sowieso.

(Demonstrativer Beifall bei CDU und FDP)

Das ist in unseren Augen nicht einmal ein Vorwurf. Aber bitte beachten Sie doch, dass bei der letzten

(Silke Hinrichsen)

Wahl rund 100.000 Menschen der LINKEN ihre Stimme gegeben haben. Sie fordern Respekt vor jenen ein, die direkt gewählt sind. Ich komme auch nicht auf die Idee zu sagen: Frau Herold hat ja nur 150 Stimmen mehr als der SPD-Kandidat, während jemand anderer doppelt so viele Stimmen hat. Jedes direkte Mandat ist gleich viel wert, und jedes Mandat in diesem Landtag ist für mich gleich viel wert. Das gebietet der Respekt vor dem Wähler.