Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Wahl rund 100.000 Menschen der LINKEN ihre Stimme gegeben haben. Sie fordern Respekt vor jenen ein, die direkt gewählt sind. Ich komme auch nicht auf die Idee zu sagen: Frau Herold hat ja nur 150 Stimmen mehr als der SPD-Kandidat, während jemand anderer doppelt so viele Stimmen hat. Jedes direkte Mandat ist gleich viel wert, und jedes Mandat in diesem Landtag ist für mich gleich viel wert. Das gebietet der Respekt vor dem Wähler.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern sollten wir vorsichtig sein. Gehen Sie uns politisch an, aber sprechen Sie uns nicht die Legitimität ab, nur weil wir die LINKEN sind und weil wir vielleicht nicht so funktionieren, wie Sie das gern möchten.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Kollegin Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich vorhin zum Beispiel von Herrn Kollegen Stegner direkt angesprochen wurde.

In meiner Rede habe ich die - zugegeben zugespitzte - Formulierung benutzt, man wolle seine Schäfchen ins Trockene bringen. Damit wollte ich niemanden persönlich beleidigen. Falls ich das -

(Lachen bei der FDP)

- Das ist mir schon wichtig. Ich sage es noch einmal ganz deutlich, weil ich schon verstehe, dass man sich persönlich getroffen fühlt. Aber ich habe Aussagen - zum Beispiel des Fraktionsvorsitzenden der CDU - in Erinnerung, aus denen deutlich hervorging, dass die Wahlkreise auch als - ich sage einmal - im Besitz der großen Parteien aufgefasst wurden.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Unan- ständig ist das!)

- Nein, ich will hier nicht unanständig argumentieren.

(Zuruf von der CDU: Ist es aber! - Weitere Zurufe von der CDU)

Ich will nur deutlich machen, dass die Auffassung, dass man sich besonders einschränken muss, in der Debatte eine Rolle gespielt hat.

Eine zweite Bemerkung! Der Kollege Kubicki hat vorhin vom SSW und von der Befreiung von der Fünfprozentklausel gesprochen. Nur weil er uns damit ein Stöckchen hingehalten hat, werde ich jetzt nicht drüberspringen. Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass es diese Diskussionen nicht immer wieder geben wird. Es hat sie in der Vergangenheit immer gegeben, und es wird sie auch in Zukunft geben. Ich halte aber daran fest und hoffe, dass dies auch die einhellige Meinung dieses Parlaments ist, dass die Befreiung des SSW von der Fünfprozentklausel Teil unserer Landesverfassung ist und dass daraus auch das vollgültige politische Mandat des SSW zu schlussfolgern ist.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich fühle mich an die Diskussion erinnert, die wir im Jahr 2005 geführt haben. Darum sage ich: In diesem Punkt bin ich ganz sensibel.

Eine letzte Bemerkung. Die Verfassungsänderung im Jahr 2003 - das ist es letztlich, worauf alles hinausläuft - führte meines Wissens erstmals in der Geschichte unseres Landes dazu, dass die Mandatsgröße des Landtags in die Verfassung hineingeschrieben wurde. Das hatte nichts mit der Verfassung zu tun, es hatte nichts mit Demokratie vor Ort hier in Schleswig-Holstein zu tun; es hatte andere Gründe. Darum sage ich noch einmal: Diese Verfassungsänderung im Jahr 2003 hat uns diese Situation eingebrockt. Darum ist es für uns wichtig festzuhalten: Das, was man 2003 meinte, muss auch heute noch gelten. Ansonsten hat man überhaupt nichts mehr, woran man sich, verfassungsmäßig betrachtet, halten kann.

1992 gab es meines Wissens - ich lasse mich gern korrigieren - diese Formulierung in der schleswigholsteinischen Landesverfassung nicht. Ich denke, es ist wichtig, das noch einmal deutlich zu formulieren. Für die künftige Debatte ist es, so denke ich, allemal notwendig.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

(Heinz-Werner Jezewski)

Liebe Frau Kollegin Spoorendonk, könnten wir vielleicht darin einig sein, dass es möglicherweise ein Fehler gewesen ist, die Verfassung damals in diesem Sinne zu ändern?

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Damals die Verfassung zu ändern. - Zweitens wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie feststellen könnten, dass in der heutigen Begründung des Kompromissvorschlags von niemandem hier im Landtag vorgetragen worden ist, dass er Wahlkreise als seinen Besitz betrachtet, sondern dass im Gegenteil der Respekt vor allen Abgeordneten im Landtag zum Ausdruck gebracht worden ist.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

- Diesen Respekt vor allen Abgeordneten habe ich. Aber, lieber Herr Kollege Stegner, zwischen der ersten und zweiten Lesung dieses Wahlgesetzes hat es ja auch Pressemitteilungen und andere Aussagen gegeben. Wenn man sich diese Aussagen noch einmal vor Augen führt, so hat das, was ich vorhin das räume ich ein - zugespitzt angedeutet habe, eine Rolle gespielt. Das kann man auch nicht vom Tisch wischen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Unglaublich!)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Kollegen Dr. Christian von Boetticher.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eine Debatte darüber geführt, wer bei diesem Wahlrecht und in den Vorschlägen bereit ist, auch auf etwas zu verzichten. Darüber haben wir gesprochen. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, dass die Direktwahlkreise in der Tat in den letzten Jahrzehnten ausschließlich entweder von der SPD oder von der CDU gewonnen worden sind und zwar abwechselnd. Im Augenblick gibt es 34 Wahlkreise, in denen CDU-Abgeordnete direkt gewählt wurden.

Wenn wir jetzt fünf Wahlkreise wegschneiden - das werden wir tun müssen, weil wir uns dazu entschlossen haben - und man sich ansieht, welche in

frage kommen, dann stellt man fest, dass das jedenfalls ganz überwiegend Wahlkreise sind, in denen Abgeordnete der CDU, die hier sitzen, direkt gewählt worden sind. Das heißt, hier geht es um eine persönliche Betroffenheit. Fünf Abgeordnete, die jetzt eifrige Wahlkreisarbeit leisten, ein Wahlkreisbüro unterhalten und sich um die Menschen vor Ort kümmern, wissen, dass sie, weil der Wahlkreis wegfällt, in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr im Landtag sitzen werden.

Wenn Sie fragen, was die CDU einbringt, dann sage ich: Wir bringen ein, dass wir ganz konkret in unseren Reihen denen die Chance nehmen, wieder zu kandidieren, weil dieser Wahlkreis dann nicht mehr vorhanden ist. Das ist unzweifelhaft ein Opfer, das von vielen anerkannt wird. Das heißt doch aber nicht, dass wir die Wahlkreise als unser Eigentum sehen. Natürlich entscheiden die Bürgerinnen und der Bürger am Ende darüber. Uns das an der Stelle zu unterstellen, ist wirklich unanständig, ich wiederhole das: unanständig!

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei der SPD)

Jetzt noch einmal zu dem Vorwurf - ich habe es einige Male gehört -, wir würden mit der Deckelung der Ausgleichsmandate ankommen. Ich habe das vorhin extra vorgelesen. Ich weiß, dass Sie dann nicht zuhören, das ist das Problem. Aber Sie können es auch selbst nachlesen. Das Landesverfassungsgericht hat nicht die Deckelung für verfassungswidrig erklärt, jedenfalls nicht per se, sondern im Zusammenhang mit der Zahl von 69 Abgeordneten. Das heißt, da die Zahl von 69 Abgeordneten nicht mehr in der Verfassung steht, ist es natürlich damit wieder möglich, auch einen Deckel einzuführen. Darum habe ich den Vorschlag gemacht. Im Übrigen - auch das sollten Sie zur Kenntnis nehmen - gibt es seit 1949 einen komplett gedeckelten Ausgleich im Bundestag. Der Bundestag hat immer alle Ausgleichsmandate gedeckelt, und zwar komplett - nicht nur teilweise, sondern komplett. Jetzt zu sagen, darum könne der Bundestag auch gleich das Mehrheitswahlrecht einführen

(Zuruf)

- doch, Sie haben gesagt, mein Vorschlag führe dazu, dass man auch gleich Mehrheitswahlrecht einführen könne -, ist doch wirklich komplett absurd. So etwas Unsinniges im Zusammenhang mit Wahlrecht habe ich wirklich selten gehört.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Anke Spoorendonk)

Man sollte sich überlegen, Frau Kollegin: Wenn man von einem Sachverhalt keine Ahnung hat, dann sollte man auch einmal schweigen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Kollegen Thorsten Fürter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Angst, ich schaue jetzt ausnahmsweise nicht in Richtung von CDU und FDP, sondern in Richtung der SPD. Um ein Missverständnis aufzuklären: Mir ist selbstverständlich bekannt, dass die SPD weiterhin für das Wahlalter von 16 Jahren streitet. Wenn durch meine Äußerung vorhin der Eindruck entstanden sein sollte, dass ich das in Zweifel ziehe - ich weiß, dass Serpil Midyatli und ich gemeinsam dafür gekämpft haben -, dann bedauere ich das und entschuldige mich dafür.

(Zurufe von CDU: Oh, oh!)

- Jetzt muss ich ja doch Sie anschauen.

(Zurufe von der CDU - Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der Respekt für den Abgeordneten jetzt?)

Es gehört allerdings auch dazu, dass es im politischen Geschäft immer so ist, dass, wenn man gegen seine eigene Überzeugung stimmen muss, das einem von den politischen Konkurrenten vorgehalten wird. Da ist die SPD auch nicht besser als die Grünen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung über den Punkt 3 a), Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/669 (neu). Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs Drucksache 17/669 (neu). Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat beantragt, über den Gesetzentwurf selbst abzustimmen. Ich frage daher, wer dem Gesetzentwurf Drucksache 17/669 (neu) zustimmen will. Ich bitte um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW. - Wer stimmt dagegen? Das sind die Fraktionen von CDU, SPD und FDP. - Gibt es Enthaltun

gen? - Es gibt keine Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 3 b), Gesetzentwurf der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE.

Ich rufe zunächst den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf, Drucksache 17/1122. Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Änderungsantrages. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von CDU, SPD und FDP. - Gegenstimmen? - Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW. - Enthaltungen? - Keine. Damit stelle ich fest, dass dieser Änderungsantrag abgelehnt worden ist.