Protokoll der Sitzung vom 25.03.2011

Rechtssicherheit für Landwirte setzt aber auch voraus, dass für Züchter - also Saatguthersteller und Händler auch eindeutige Bestimmungen bestehen müssen. Es kann der Fall eintreten, dass sich trotz aller Kontrollen genveränderte Saatkörner in einer Charge befinden, aber nicht zu den beprobte 1.000 Körnern gehören. Insofern sollte eine Grenze eingezogen werden, die für solche Fälle den Züchter oder Händler von Saatgut entlastet, weil eben der 100-prozentige Nachweis nicht geführt werden kann. Vor allem die Saatgutlieferanten, die ihr Saatgut im Ausland beziehen, stehen vor einem Problem. Allein bei Mais beträgt die Quote des Import-Saatguts in etwa 33 %. Der größte Teil dieses Saatguts stammt aus den USA, die bekanntlich im Bereich gentechnisch veränderter Organismen eine ganz andere Einstellung haben als wir in Europa. Es ist vorhin schon darauf hingewiesen worden.

Deshalb werden die Lieferanten in den nächsten Jahren zunehmend Schwierigkeiten mit der Nulltoleranzgrenze haben. Um diese Grenze aber weiterhin sicher einhalten zu können, müssen wir den Import aus Ländern, in denen GVO angebaut werden, sofort stoppen. Dies ist aber aus vielerlei Gründen nicht möglich oder nicht realistisch.

Auch die Europäische Kommission hat dieses Problem erkannt und steuert in ihrem Sinne bereits dagegen an. Am 22. März 2011 entschied der ständige Ausschuss für Futtermittel, dass in Zukunft bei der Einfuhr von Futtermitteln Spuren von GVO bis zu einem Grenzwert von 0,1 ‰ enthalten sein dürfen, sofern sie in der EU zugelassen sind. Es ist nun wirklich die Frage zu stellen, ob es bei den Futtermitteln bleibt, oder ob zum Beispiel noch Saatgut oder Lebensmittel folgen werden. Ich denke, hier müssen wir unbedingt wachsam sein, damit so etwas nicht passieren kann.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort erteile ich jetzt der Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE, der Frau Abgeordneten Ranka Prante.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Danke schön, dass Sie mir so viel zutrauen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es sehr verwunderlich, dass wir jetzt ein Siegel verändern wollen, weil wir nicht in der Lage sind, richtig zu kontrollieren, und dass wir das Siegel nicht der Gesundheit der Menschen anpassen, sondern der Industrie. Das ist etwas irritierend für mich, weil ich auch weiß, dass mir beim letzten Mal in der Diskussion vorgeworfen worden ist, dass ich Hysterie verbreite, wenn ich sage, dass der Mensch nicht zu 100 % sicher ist, was jetzt aber mit dem, was hier vorliegt und was eben berichtet worden, bewiesen worden ist.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Meine Damen und Herren, meine Ansicht: „Mit dem Essen spielt man nicht!“ Das ist ein Satz, den wir alle schon einmal in der Kindheit gehört haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen, ich glaube, Sie haben damals Ihren Eltern nicht so ganz zu gehört. Oder warum halten Sie sich nicht daran?

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wollen den Einstieg in die Agrotechnik bei Saatgut ermöglichen. Das haben Sie mit Ihrem Antrag im Bundesrat zur Nulltoleranz für gentechnisch veränderte Organismen deutlich gezeigt - gegen den Willen der Verbraucherinnen und Verbraucher, gegen den Willen der Landwirte - unter anderem auch Ihre Wählerinnen und Wähler - und gegen Umwelt- und Naturschutz.

Sie wollen wieder einmal eine kleine, nach unserer Ansicht nicht gerade unterstützendwerte, finanzstarke Gruppe bedienen - die Gentechniklobby ohne Rücksicht auf unsere Bevölkerung. Zum Glück wurde der Antrag zur Aufhebung der Nulltoleranz im Saatgut im Bundesrat mehrheitlich abgelehnt. Denn Ihnen muss klar sein, dass die biologische Landwirtschaft und eine gentechnikfreie konventionelle Landwirtschaft praktisch unmöglich gemacht werden, wenn die Nulltoleranz aufgehoben wird. Ihnen muss klar sein: Saatgut ist die Grundlage des Lebens. Denn schließlich landet das auf unserem Teller, was vorher gesät wurde - entweder als Kartoffel oder Blumenkohl oder - indirekt über die Futterpflanze - als Steak.

(Günther Hildebrand)

Saatgut ist also existenziell für die Menschen. Deshalb sage ich noch einmal: Damit spielt man nicht!

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb dürfen Entscheidungen nicht von Konzerninteressen beherrscht werden, zumal keine Koexistenz, also die Trennung von Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik, möglich ist. Der Einsatz von Gentechnik widerspricht dem gesunden Menschenverstand.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Flemming Meyer [SSW])

Dazu gehört auch die Entscheidung auf europäischer Ebene, dass in der EU nicht zulässige GVO ohne Kennzeichnung im Futtermittel geduldet werden solle, wenn ihr Anteil weniger als 0,1 ‰ beträgt. Das stellt für die gentechnikfreie konventionelle Landwirtschaft auch ein absolutes Fiasko dar. Ein bisschen Gentechnik geht nicht. Es gibt nur Entweder Oder - entweder für Gentechnik oder dagegen. Mit ein bisschen Gentechnik haben wir gleich auch ganz viel Gentechnik, wie das der Herr Abgeordnete Voß eben schon sehr gut dargestellt hat.

Mit solchen Entscheidungen soll doch nur eine - in unseren Augen - schleichende Verseuchung aller Bereiche der Landwirtschaft mit GVO ermöglicht werden. Letztlich wollen Sie die Gentechnik so doch nur gesellschaftsfähig machen. Schließlich kommen GVO dann ja ohnehin schon überall ein bisschen vor.

Diese Methoden sind schlicht und ergreifend undemokratisch, denn damit haben Landwirte und Verbraucherinnen und Verbraucher überhaupt keine Entscheidungsfreiheit mehr.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei SPD und SSW)

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war ein guter Tag für unsere Landwirte und für die Verbraucher, als der Bundesrat in der letzten Woche entschieden hat, an der Nulltoleranzgrenze festzuhalten.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lothar Hay [SPD])

Noch am 28. Februar wurde dem Antrag von Niedersachen, Baden-Württemberg und SchleswigHolstein im Agrarausschuss des Bundesrates zugestimmt, einer praktikablen technischen Lösung für die Nulltoleranzgrenze zuzustimmen. Damit wäre die Nulltoleranz-Grenze real gekippt.

Begründet wurde dieser Antrag damit, dass der steigende Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und eine zunehmende Globalisierung des Handels die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass GVOSaatgut unbeabsichtigt ins Saatgut gelangt und dies letztlich zu gravierenden haftungsrechtlichen Problemen führt. Mit anderen Worten: Es ging nur darum, wirtschaftliche Interessen zu schützen. Die Interessen der Landwirte, die auf Gentechnik verzichten wollen, oder die Interessen der Verbraucher, die keine Gentechnik in ihrem Essen haben wollen, finden keine Berücksichtigung.

Dass dieser Antrag letztlich doch gekippt wurde, verdanken wir dem massiven Protest gegen den Ausschussbeschluss. 65.000 Unterschriften wurden binnen kürzester Zeit gesammelt. Das hat dazu geführt, dass diese Empfehlung gekippt wurde.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Dieser Druck aus der Bevölkerung macht deutlich, dass die Menschen die sogenannte grüne Gentechnik ablehnen. Die Agrar- und Ernährungswirtschaft braucht klare Regelungen für alle Bereiche der Warenkette. Daher halten wir an der Nulltoleranzgrenze fest.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und des Ab- geordneten Lothar Hay [SPD])

Diese Grenze darf nicht aufgeweicht werden. Wir wollen die absolute Reinhaltung von Saatgut. Daher ist es gut, dass der Antrag der Koalition der Gentechnik-Willigen abgelehnt wurde. Dass SchleswigHolstein dieser Koalition auch angehört, macht deutlich, dass Herr Carstensen nicht die Interessen der Landwirte hier im Land im Auge hat, sondern sich auf die Seite der Gentechniklobby geschlagen hat.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Für den SSW halte ich fest: Solange es keine absolute Sicherheit im Zusammenhang mit der Agrogentechnik gibt und Risiken nicht ausgeschlossen werden, muss die politische Aufgabe sein, den Umgang mit der Agrogentechnik gesetzlich so zu re

(Ranka Prante)

geln, dass keine Gefahr davon ausgeht - weder für Mensch noch für Natur.

(Beifall der Abgeordneten Detlef Buder [SPD] und Ranka Prante [DIE LINKE])

Aus diesem Grund haben wir seinerzeit für Schleswig-Holstein die Ausweisung gentechnikfreier Regionen gefordert. Hierzu hat es im letzten Jahr eine Anhörung im Agrarausschuss gegeben. Der schleswig-holsteinische Bauernverband hat sich unter anderem wie folgt geäußert - ich zitiere mit Erlaubnis -:

„Auch ein solch freies Verbietungsrecht unabhängig von Bedenken des Umwelt- oder Verbraucherschutzes halten wir nicht für zweckmäßig oder sinnvoll und lehnen es ab.“

Ich muss schon sagen, das sind erschreckend starke Worte.

Im Gegenzug macht die Verbraucherzentrale deutlich, dass Verbraucherbefragungen ergeben haben, dass es eine breite Ablehnung der Gentechnik im Bereich der Lebensmittel gibt. Daher kann ich dem Bauernverband nur raten, seine verbraucherunfreundliche Haltung zu überdenken.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Mit dem Märchen der Koexistenz muss endlich aufgeräumt werden. Pollen werden unkontrolliert von Wind und Bienen verbreitet. Damit ist eine geografische Begrenzung unmöglich, und sie geraten in den Naturkreislauf. Solange wir keine abschließenden Kenntnisse über die Auswirkungen von Gentechnik haben, ist es an der Politik, für die notwendige Sicherheit zu sorgen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile Herrn Kollegen Dr. Michael von Abercron das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht wieder einmal ums Korn, Herr Kollege Meyer. Ich komme gleich darauf.

Zunächst geht es um das Thema genverunreinigter Wald. Herr Voß, Sie sollten das vielleicht einmal rechtlich überprüfen. Es gilt ein generelles Ausbringungsverbot nach der EU-Richtlinie 2001/28. Das heißt, wir haben rechtlich keinen Spielraum. Wenn wir es machen würden, wie es drin war, wäre es

rechtlich falsch, weil die EU diese Regelung für uns getroffen hat. Das zur Klarstellung!

Es geht hier nicht um die Frage der Gentechnikfreiheit, sondern es geht um einen statistischen Wert. Es geht um die Möglichkeit, reproduzierbare Ergebnisse und rechtssichere Ergebnisse zu erzielen, die statistisch sauber sind. Wir müssen dafür eine Norm haben. Wenn wir sie nicht haben, können wir nicht vernünftig untersuchen, und die Regelungen sind überall ungleich. Das können wir doch nicht im Ernst wollen!

(Beifall bei CDU und FDP - Wortmeldung des Abgeordneten Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf: Zu spät!)

Es gibt keine Zwischenfrage, da der Redner das Rednerpult verlassen hat.