Machen Sie endlich Politik für alle Menschen! Ich habe mit dem Zitat eines Mannes begonnen. Lassen Sie mich nun mit einem Zitat einer Frau, mit einem Zitat von Simone de Beauvoir enden:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung wird in diesem Jahr erstmals einen Gleichstellungsbericht vorlegen. Dies wurde bereits im letzten Jahr von den zuständigen Landesministern begrüßt. Die Europäische Kommission hat im letzten Jahr auch ihre Gleichstellungsstrategie vorgestellt. Grund für diesen regelrechten Gleichstellungsboom ist der wirtschaftliche Aufschwung. EU-Justizkommissarin Viviane Reding sagt es sogar ausdrücklich:
„Um das Wachstum in Europa wieder anzukurbeln, sollten die Talente der Frauen - auch in Führungspositionen - besser genutzt werden.“
Allerorten fehlen Fach- und Arbeitskräfte. Hier kommen die Frauen ins Spiel: Sie sind in der Regel hoch motiviert, ausgesprochen gut ausgebildet und vor Ort. Da sollten sich der Anteil von Frauen in Führungspositionen und die Entlohnung von Frauen insgesamt doch im Handumdrehen verbessern.
Die Legende, nach der sich alles zum Guten entwickelt und sich die Benachteiligung von ganz allein auswachse, ist falsch. Entsprechende Kampagnen, von PR-Agenturen erdacht, auf dass Unternehmen freiwillig etwas ändern, erschöpfen sich in viel gutem Willen und sehr vielen bunten Infoblättern. Jungen Ärztinnen, die nach dem Studium eine familienfreundliche Niederlassungsmöglichkeit suchen, hat es bis heute nicht geholfen. Ihr Anteil ist immer noch geringer, als es dem Studierendenanteil entspricht. Ebenso wenig helfen diese Kampagnen Minijobberinnen, denen die Altersarmut droht, oder der Bäckereifachverkäuferin, die nach drei Jahren Ausbildung weniger verdient als ihr männlicher Kollege in der Backstube. Dieses Lohnungleichgewicht ist sogar tariflich abgesichert.
Gleichstellung darf gerade nicht von wirtschaftlichen Eckdaten abhängen, sondern ist ein elementares Menschenrecht, das derzeit mit Füßen getreten wird. Darum ist der Staat gefragt.
Er muss dafür Sorge tragen, dass alle Bürgerinnen und Bürger gleich behandelt werden. Dazu muss man natürlich zunächst bei sich selbst anfangen. Karriere- und Beschäftigungsmöglichkeiten müssen im öffentlichen Dienst für Männer und Frauen gleich ausgestaltet sein. Der SSW ist davon überzeugt, dass Schleswig-Holstein dabei auf einem guten Weg ist, auch wenn immer noch nicht von einer Gleichbehandlung geredet werden kann.
Im Gegensatz dazu ist die private Wirtschaft immer noch sehr zurückhaltend. Offen frauenfeindlich ist man heute selten. Die Benachteiligung von Frauen geschieht verdeckt. Deshalb ist ihr auch so schwer beizukommen. Das ist der Grund, warum der SSW klare Regeln, genaue Verantwortlichkeiten und deutliche Sanktionen fordert. Norwegen macht es uns in Sachen Aufsichtsrat vor. Norwegen gehört tatsächlich nicht zur Europäischen Gemeinschaft, das ist richtig. Es liegt jedoch in Europa. Deshalb finden wir, dass wir uns daran ein gutes Beispiel nehmen können.
Wir brauchen den Blick aber gar nicht so weit schweifen zu lassen, schließlich sind die Anteile von Frauen in ostdeutschen Führungsetagen sehr viel höher als beispielsweise in Schleswig-Holstein. Dort unterstützen solide und belastbare familienfreundliche Strukturen die Frauen. Deren Ausbau fällt dagegen bei uns gerade den Sparzwängen der klammen Kommunen und dem Sparhaushalt des Landes zum Opfer. Dazu zähle ich ausdrücklich auch die Kürzung bei den Beratungsstellen von „Frau & Beruf“. Diese sind die einzige Anlaufstelle für individuelle Beratung von Berufsrückkehrerinnen.
Die Landesregierung spart eine funktionierende, unbürokratische und nebenbei auch noch sehr erfolgreiche Struktur kaputt.
Gleichstellung ist von so vielen Faktoren abhängig. Eine unumstößliche Tatsache bleibt auf jeden Fall: Gleichstellung kostet Geld. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit kostet Geld. Familienfreundliche Strukturen kosten Geld, und eine qualifizierte Ausbildung kostet auch Geld. Gleichstellungsstrategien versanden ohne vernünftige finanzielle Unterfütterung. Genau das ist der EU-Kommission in diesem Fall aber vorzuwerfen, denn die EU plant wenig Handfestes. Es soll alljährlich einen Tag der Lohngleichheit als PR-Aktion geben, und Unternehmer und Gewerkschaften sollen in einen Dialog eintreten. PR und Dialog sind uns wirklich zu wenig. Wir fordern deshalb nachdrücklich gesetzliche Regelungen zur Gleichstellung, denn nur sie sind dauerhaft und nachhaltig. Wir stützen daher sehr gern den Antrag der SPD-Fraktion.
Ich habe mich am Wochenende bemüht herauszufinden, welches die Ziele der Konferenz der Gleichstellungsministerien sind. Herr Minister Schmalfuß ist ja der Vorsitzende der Konferenz. Dazu begab ich mich auf die Internetseite. Dort fand ich die Erklärung, dass Sie ab dem 1. Januar 2011 Vorsitzender sind. Leider fand ich nicht mehr dazu. Ich fand nur noch heraus, wann die Konferenz stattfindet und dass die Vorkonferenz bereits stattgefunden hat. Ich bedauere das. Ich würde es begrüßen, wenn auf der Internetseite insbesondere zu Ihren Zielen mehr stehen würde. Im CDU- und FDP-Beitrag habe ich das gelesen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, das war ausführlicher als der eigene Internetauftritt. Das galt zumindest bis zum Wochenende.
Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, Herrn Emil Schmalfuß, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Sommer letzten Jahres habe ich an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es viele gute Gründe dafür gibt, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, dass ich die Quote jedoch nicht für den richtigen Weg halte. An dieser Aussage halte ich auch heute fest. Ich sehe mich dabei nicht im Widerspruch zur Gleichstellungsstrategie der EU-Kommission vom 21. September 2010.
Selbstverständlich weist auch dieses Papier darauf hin, dass der Frauenanteil auf allen Managementund Führungsebenen in der Wirtschaft zu gering ist. Darüber streitet hier keiner. In der Strategie findet sich jedoch weder die Forderung nach einer Quote noch nach einem Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Die EU-Kommission hat auch nicht die Bitte ausgesprochen, regionale Maßnahmenpläne aufzustellen. Auch in der Begründung des Antrags der SPD-Fraktion findet sich eine Formulierung in dieser Form nicht. Die EU-Kommission formuliert mit diesem Strategiepapier vielmehr einen elementaren Wert und gleichsam ein Fundament der Europäischen Union neu aus, nämlich die Gleichstellung von Frauen und Männern. Sie gibt sich damit ein Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre.
Der Titel besagt es. Bei dieser Mitteilung der EUKommission handelt es sich um ein übergeordnetes Strategiepapier, das die EU ganz bewusst neben eine zweite und besser bekannte Strategie gestellt hat, die Strategie Europa 2020.
Mit der Verabschiedung der Europa-Strategie 2020 als Nachfolgerin der Lissabon-Strategie hat die EU ihre Beschäftigungspolitik reformiert. Geprägt vom Eindruck der letzten Finanzkrise liegen die Prioritäten nun auf intelligentem, nachhaltigem und integrativem Wachstum. Die EU verfolgt einen langfristigen Ansatz, der neben Wachstum und Be
schäftigung die gesellschaftliche Integration einbezieht und damit ganz deutlich auch auf die Potenziale und Talente von Frauen setzt.
Die EU-Gleichstellungsstrategie formuliert sechs wesentliche Bereiche mit zentralen Aussagen. Diese sind heute schon angesprochen worden, aber ich wiederhole sie gern. Diese Bereiche lauten: Gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit, gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit, Gleichstellung in Entscheidungsprozessen, Schutz der Würde und Unversehrtheit, Gleichstellung in der Außenpolitik und in Querschnittsfragen.
„Die Kommission wird die Förderung der Gleichstellung bei der Umsetzung aller Aspekte und Vorreiterinitiativen der Strategie ‚Europa 2020’ unterstützen … und genau beobachten, mit welchen Strategien die Mitgliedstaaten für eine stärkere Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt und sozialer Eingliederung von Frauen sorgen wollen.“
Hier erwartet die EU Maßnahmen. Deshalb ist es zutreffend, dass auch das Bündnis für Fachkräfte in Schleswig-Holstein diesen Schwerpunkt betont. Auch in der EU wird eine Quotendiskussion geführt - das ist mir natürlich nicht unbekannt -, aber eben nicht an dieser Stelle.
An dieser Stelle verdeutlicht die EU-Kommission vielmehr die Bedeutung der Gleichstellungspolitik für sämtliche Politikfelder und schafft eine Grundlage für einen fruchtbaren Ausgleich zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission, auch mit Sozialpartnerländern und internationalen Organisationen, um eine breite Basis für die Betrachtung von Belangen für Frauen zu schaffen. Die Gleichstellungsstrategie 2010 bis 2015 ist wie die europäische Beschäftigungspolitik offen für den Ansatz der Lebensverlaufsperspektive.
Damit komme ich gleich auf die Konferenz und das Hauptthema dazu. Die Lebensverlaufsperspektive verdeutlicht, welche Institutionen und Regularien die Lebensverläufe von Frauen und Männern nachhaltig beeinflussen. Unter diesem Ansatz haben die von der damaligen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau von der Leyen, im Juni 2008 beauftragten Sachverständigen ein interdisziplinäres Gutachten als Teil des ersten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung verfasst. Mit diesem Gutachten wurde eine Grundlage für eine zukunftsorientierte Gleichstellungspolitik geschaffen. Aus der Analyse der gegenwär
tigen Situation sind Empfehlungen formuliert, die das Ziel unterstützen, gleiche Chancen für Frauen und Männer in allen Phasen des Lebensverlaufs zu gewährleisten.
In einem besonderen Fokus stehen dabei die Ziele einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern im Erwerbsleben und die Erweiterung von geschlechtsspezifischen Rollenbildern. Insbesondere die Frage zur Veränderung der Lebenschancen der Geschlechter im Lebensverlauf wurde in den Blick genommen. Dieser im Januar 2011 vorgestellte Bericht der Sachverständigenkommission und seine Empfehlungen sind Grundlage des Leitthemas der 21. Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz, die im Juni dieses Jahres in Plön stattfinden wird und deren Vorsitz ich habe.
Wir wollen eine Analyse und eine offene Diskussion über die Realität von Wahlmöglichkeiten von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft. Gesellschafts- und gleichstellungspolitisch ist es eine Zukunftsfrage, dass wir für Frauen und Männer gleiche Chancen und Wahlmöglichkeiten bieten und diese auch systematisch absichern. Tatsache ist: Frauen unterbrechen deutlich länger als Männer ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen. Das wirkt sich spürbar vor allem in ihrer Altersversorgung aus.
Als Vorsitzender der Konferenz habe ich deshalb eine Debatte initiiert, die die bestehenden Anreize etwa in den Sozialsystemen hinterfragt und sich klar gegen Fehlsteuerungen wendet. Anreize für asymmetrische Rollenverteilungen sollen abgebaut werden.
Herr Minister, ich habe eine Frage zur Analyse, die da gemacht wird. Wie ist Ihre Einschätzung zum geplanten Betreuungsgeld, das landläufig auch Herdprämie genannt wird? Wird das für die Frauen hilfreich sein?
- Ich glaube, dass wir die gesamte soziale Situation in den Blick nehmen müssen, Auswirkungen auf Steuerrecht und andere Dinge. Auch die Betreu
ungsfrage kann natürlich individuell entschieden werden. Es muss Wahlfreiheit herrschen. Genau das ist das Thema, das ich eben genannt habe.
Ich hoffe, dass wir gemeinsam neue Wege beschreiten, wenn wir uns am Lebensverlauf der Geschlechter orientieren, um die tatsächlichen Auswirkungen der jeweiligen Entscheidungen für Frauen und Männer aufzuzeigen. Das ist ein konkreter neuer Ansatz. Den halte ich auch für sinnvoller als einen regionalen Maßnahmenplan. Mein Ziel ist es, für wesentliche Lebensentscheidungen eine wirkliche Wahlfreiheit - Frau Bohn, da kommt das Wort wieder - beider Geschlechter zu eröffnen
und damit auch die Frage nach mehr Frauen in Führungspositionen zu beantworten. Über diesen neuen Politikansatz und die Ergebnisse der Konferenz werde ich Sie gern unterrichten.