- Ich kann das nicht als Vorwurf erkennen. Ich glaube, dass die Justiz in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet hat. Hier ist jedoch etwas, über das wir reden müssen. Das ist eine ganz normale Sache, Herr Kubicki. Das haben Sie früher in der Opposition nicht anders gemacht.
- Wahrscheinlich. Ich denke, ich sollte jetzt dazu kommen, für die SPD-Fraktion Vorschläge dahin gehend zu machen, was wir für Schleswig-Holstein aufgrund des vom Europäischen Gerichtshofs gefassten Urteils für notwendig erachten: eine qualitativ hochwertige Begutachtung der Straftäter vor ihrer Gerichtsverhandlung. Das ist etwas, was momentan nicht selbstverständlich ist. Ausreichende
therapeutische Angebote bereits während der Haftstrafe. Auch dies ist nicht in jedem Fall und immer geboten. Momentan erhalten diese Menschen im Schnitt einmal in der Woche Therapieangebote.
Ausreichende fachlich speziell geschulte psychologische Gutachterinnen und Gutachter, um die jedes Jahr zu erfolgenden Gutachten erstellen zu können, denn künftig wird es jedes Jahr erforderlich sein, ein Gutachten zu erstellen. Einrichtungen, die sich deutlich von Haftanstalten unterscheiden, der Bevölkerung jedoch auch Schutz gewähren. Ausreichende psychotherapeutische Angebote während der Sicherungsverwahrung. Als vorbeugenden Schutz einen Ausbau kostenfreier und anonymer Behandlungen zum Beispiel von Männern mit pädophilen Neigungen. Einen Ausbau der Sektion für Sexualmedizin, um Forschung und Entwicklung weiter ausbauen zu können. Ziel muss dabei insbesondere die Vorbeugung sein.
Das Ganze muss in Absprache mit den anderen Bundesländern, zumindest aber in Absprache mit den Nachbarländern erfolgen, damit wir als Land die Aufgabenlast und die Finanzen nicht allein schultern müssen. Hier stimmen wir vollkommen überein. Politisches Ziel ist, ausreichenden Schutz für die Bevölkerung zu erlangen bei gleichzeitiger Beachtung der Grundrechte, die das Bundesverfassungsgericht zu Recht auch den Sicherungsverwahrten zuspricht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Begrüßen Sie mit mir gemeinsam Mitglieder der Grünen Jugend Kiel und Mölln. - Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist das Recht der Opposition, in aktuellen Situationen kritische Fragen zu stellen. Ich begrüße es, dass wir den Bericht heute gehört haben, denn er bringt uns in dieser wichtigen Frage zumindest heute auf den gleichen Sachstand.
Ich möchte mich an dieser Stelle vorerst bei Minister Schmalfuß für den Bericht bedanken. Es ist keine leichte Aufgabe, einen solchen detaillierten Fragenkatalog, wie er hier gestellt wurde, in einem
mündlichen Bericht zu beantworten und uns in so kurzer Zeit angemessen auf diesen Sachstand zu bringen. Herzlichen Dank dafür!
Was mich allerdings in dieser anspruchsvollen Fragestellung ein bisschen überrascht und was ich ein bisschen schwierig finde, ist die Art und Weise, wie bisher die Vertreter der Opposition den Vorwurf in den Raum gestellt haben, die Landesregierung agiere bei der Sicherungsverwahrung planlos und tatenlos. Das ist nicht zutreffend. Als diese Vorwürfe bereits am 10. Mai über die Presse erhoben wurden, war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 nicht einmal eine Woche alt.
Mir ist nicht bekannt, dass zum Beispiel SPD-Justizminister in anderen Bundesländern in so kurzer Zeit bereits ausgearbeitete neue Unterbringungskonzepte für ihre Länder vorgelegt hätten.
Aber es geht weiter. Wie das Verfassungsgericht konkret urteilen wird, das haben doch alle nicht nur mit ungeduldigem Interesse erwartet, sondern auch zu Recht abgewartet. Immerhin sind die finanziellen Folgen für die Länder - ich glaube, das wird hier jeder teilen; das ist unbestritten - nicht unbedeutend.
Es ist doch klar, dass man erst selbst prüft und auch mit anderen Ländern abstimmen muss, ob man bei der Unterbringung eigene oder gemeinsame Wege geht, und dies nicht im Vorwege selbst entscheidet. Es ist doch auch kein Zufall, dass das Bundesverfassungsgericht für die Neuordnung der Rechtslage eine großzügige Frist bis 2013 gesetzt hat. Das Gericht wusste ganz genau, dass sein Urteil Abstimmungsprozesse und Planungen nötig macht, die Zeit brauchen. Hierzu aber gleich am Anfang des Weges leichtfertig den Vorwurf von „Planlosigkeit“ in den Raum zu stellen, das ist bei diesem Thema eine unangemessene Rhetorik.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ganz ehrlich, wenn ich an die Debatten und an die Diskussionen, wie wir uns im Innen- und Rechtsausschuss damit befasst haben, denke, dann finde ich, wird es der Begleitung dieses Themas aller Fraktionen im Ausschuss nicht gerecht, und sie führen hier zu Unrecht zu einer Verunsicherung der Öffentlichkeit.
Ich kann auch nicht die Behauptung gelten lassen, dass nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vor anderthalb Jahren die Rechtslage bereits völlig eindeutig und klar gewesen sei.
Erst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat für die nationale Rechtsordnung und bestimmte Fallgruppen die letztendlich klaren Maßstäbe gesetzt. Mitnichten war es eindeutig, wie das Bundesverfassungsgericht die Wertungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte konkret einordnen würde und welche neuen Folgerungen es zieht. Die bisweilen unterschiedliche Spruchpraxis der beiden Gerichte in der Vergangenheit ist nur ein Indiz dafür. Die notwendige Klarheit haben wir jetzt.
Außerdem ist es ja auch nicht so, dass nichts passiert wäre, wie Sie eben selbst konzediert haben. Das hat der Justizminister eindeutig berichtet.
Ich möchte nur betonen, dass nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Ende 2009 das Therapieunterbringungsgesetz des Bundes verabschiedet wurde, das seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist. Der Bund hatte hier den ersten Aufschlag. Dieses Gesetz ist übrigens nicht vom Bundesverfassungsgericht beanstandet worden, wie man der Entscheidung entnehmen kann.
Für die Menschen in Schleswig-Holstein zählen in dieser Diskussion drei Botschaften: Erstens. In Schleswig-Holstein wurden und werden keine hochgefährlichen Sexualstraftäter freigelassen. Zudem sind mit der Unterbringung in der AMEOSKlinik und durch die Zusammenarbeit der Ministerien die bestmöglichen Vorkehrungen für die Sicherheit der Bevölkerung geschaffen worden.
Zweitens. Die Landesregierung hat an Lösungen gearbeitet und arbeitet an Lösungen. Dabei muss es allerdings auch erlaubt sein, dass in der vom Verfassungsgericht eingeräumten Frist gearbeitet und hier ausgewogen und besonnen abgewogen wird, welches der richtige Weg ist. Ich finde es in dieser Frage auch sehr wichtig, nicht zu kurz zu springen und besonnen zu agieren. Für die CDU ist hierbei die Sicherheit der Bevölkerung allerdings ein sehr wichtiges Anliegen.
Drittens. Die Konsequenzen des neuen Urteils sind unter anderem hohe Kosten. Das haben wir uns nicht ausgesucht, und es wäre schön, wenn es anders wäre. Wenn sich eine länderübergreifende Kooperation als die günstigste und beste Variante herausstellt, dann unterstützen wir dies.
Ich möchte es mir ersparen, jetzt eigene Vorschläge aufzuzählen. Aber ich finde es schon bemerkenswert, dass die Vorschläge, die Sie hier zitiert haben, überwiegend die Vorgaben benennen, die das Bundesverfassungsgericht selbst aufzählt. Natürlich sind wir alle der Meinung, dass wir diese Vorgaben fraktionsübergreifend zu respektieren und in unseren Vorschlägen auch umzusetzen haben.
Das sind die wichtigen Punkte, auf die es ankommt. Unnötige Unruhe und Streit braucht es um die Sicherungsverwahrung nicht zu geben, weder hier im Plenum noch im Ausschuss. Ich freue mich auf weitere konstruktive Diskussionen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank auch von unserer Seite an den Justizminister für seinen Bericht. Zehn Fragen, für die eigentlich nur 5 Minuten zur Verfügung standen, so ausführlich zu beantworten, das ist schon eine gute Leistung. Vielen Dank dafür!
Das Thema Sicherungsverwahrung steht einmal mehr auf der Tagesordnung der parlamentarischen Behandlung. Das ist gut so. Denn es geht um Freiheit und Verantwortung.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und das erst wenige Wochen alte Urteil des Bundesverfassungsgerichts fordern uns alle auf, aus einer gesetzlich misslichen Lage
herauszukommen und eine verfassungskonforme Form der Sicherungsverwahrung zu schaffen. Eine Lösung des Problems ist auf Bundesebene bereits in Arbeit. Da gehört es auch zuerst hin.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs wurden seitens des Bundesjustizministeriums Vorschläge auf den Tisch gelegt und bereits offen diskutiert. Das Bundesverfassungsgericht hat durch seine konkreten Vorgaben diese Arbeit beschleunigt, um zu einer rechtssicheren Situation zu kommen. Ich freue mich, dass Herr Beran es auch so sieht, dass die Forderungen des Verfassungsgerichts umgesetzt werden sollen.
Populistischen Forderungen, bestimmte Täter einfach ein Leben lang wegzusperren, hat das Gericht seinerseits einen Riegel vorgeschoben. Unmissverständlich hat es formuliert, dass der Vollzug „freiheitsorientiert“ und „therapiegerichtet“ sein muss. Diesen Menschen ist eine Perspektive zu bieten, um dem grundgesetzlich verbrieften Recht auf Schutz der Menschenwürde und Freiheit gerecht zu werden. Denn die eigentliche Strafe haben die Betroffenen bereits abgesessen.
Zugleich rechtfertigt das Gericht das Instrument der Sicherungsverwahrung als Schutz der Allgemeinheit vor der potenziellen Gefahr, die von diesen gefährlichen Straftätern ausgehen könnte. Es geht eben auch um die Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit.
Eine Therapierung der Sicherungsverwahrten ist das unbedingte Ziel der Sicherungsverwahrung. Da sind wir uns hier sicherlich alle einig. Dieses Ziel ist aber nicht zum Nulltarif zu erreichen. Auch das ist sicherlich in unseren Köpfen. Die besondere Art der Unterbringung im Gegensatz zum regulären Strafvollzug und der zu erwartende Personaleinsatz werden große finanzielle Anstrengungen bedeuten. Darüber sind wir uns klar.