Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

(Thorsten Fürter)

- Der Appell galt auch Ihnen, Herr Kubicki.

Letzter Punkt: Es ist so, dass uns die Rede des Ministers zur Vorbereitung zur Verfügung gestellt wurde. Ich möchte sehr dafür werben, dass wir diesen norddeutschen Verbund anpacken. Wir sollten da zu einem Konsens kommen. Wir Grüne sind auch bereit, daran mitzuwirken. Ich möchte aber davor warnen - Sie sagten, es komme vielleicht nicht zu einer norddeutschen Lösung; ich weiß, dass es im Bereich der Justizpolitik schwierig ist, eine länderübergreifende Zusammenarbeit herzustellen -, wenn es eine Lösung in Schleswig-Holstein geben muss, das dann nicht zu trennen. Ich plädiere nachdrücklich dafür, das dann auch wirklich zu trennen. Ich bin etwa skeptisch bei Ihrer Rede geworden, als Sie sagten, Sie wollten zentrale Ressourcen nutzen. Ich fürchte, wir laufen damit wieder in genau dieselbe Falle. Was heißt denn zentrale Ressourcen? - Zentrale Ressourcen bedeutet wahrscheinlich die Mauer, die das sichern soll; zentrale Ressourcen heißt die Beschäftigung von Menschen, die ja gut ist - aber das ist die zentrale Ressource Haftanstalt -, und zentrale Ressource betrifft auch den Bereich der Verpflegung, was ein Häftling zu essen bekommt. Damit habe ich nur drei Bereiche genannt.

Ich sage, wenn Sie in all diesen Bereichen wieder sagen, da wollten Sie die Sicherungsverwahrten eine Sicherungsverwahrung wird es ja nach wie vor geben - wieder genauso wie die Strafgefangenen behandeln, werden Sie wieder genau dieselben Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bekommen. Das kann keine Lösung sein.

Sie müssen sich von diesem Gedanken wirklich verabschieden. Die Sicherung und die Strafe sind zwei unterschiedliche Dinge. Wer die Strafe verbüßt hat, kann möglicherweise noch gesichert werden, aber er ist dann eben kein Häftling mehr und darf auch nicht als ein solcher behandelt werden. Dafür stehen die Grünen, und daran würden wir gern mitwirken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Herr Abgeordneter Heinz-Werner Jezewski das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ton wird sich jetzt etwas ändern, denn ich habe kein Interesse daran, im nächsten Juni das Amt des Justizministers zu übernehmen, vor allen Dingen nicht, wenn der Innenminister weiter der CDU angehört.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Sie haben dazu auch gar nicht die Chance!)

Ich will einfach einmal aufführen, worüber wir hier eigentlich reden.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Bisher haben wir noch gar nicht genau gesagt, worüber wir hier reden. Wir reden über zwei Sicherungsverwahrte in Schleswig-Holstein, die dort sitzen, weil sie Kinder sexuell missbraucht haben. Wir reden über sechs Strafgefangene mit anschließender Sicherungsverwahrung, die aus dem gleichen Grund einsitzen. Wir reden über drei Vergewaltiger, die in Sicherungsverwahrung sitzen und drei Strafgefangene, die anschließend in Sicherungsverwahrung gehen sollen und ebenfalls wegen Vergewaltigung sitzen. Wir reden über sexuelle Nötigung, über Totschlag, über versuchten Mord, schweren Raub, räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung, Betrug, Vollrausch, Geiselnahme und Bandendiebstahl. Wir reden über 14 Sicherungsverwahrte in Schleswig-Holstein und 18 Strafgefangene, denen anschließend die Sicherungsverwahrung droht. Das sind insgesamt 32.

Ich danke Ihnen, Herr Minister, übrigens auch für den Bericht. Der Minister hat eben mitgeteilt, dass die Prognose bei 25 bis 30 Sicherungsverwahrten liegt. Die Kollegin Ostmeier hat uns gesagt, es werde kein gefährlicher Straftäter in Schleswig-Holstein entlassen. Was machen wir dann mit den sieben, die übrig bleiben? Hoffen wir, dass sie sterben, oder stimmen da irgendwo die Zahlen nicht? Das frage ich mich.

Ich beziehe mich hier nicht nur auf den mündlichen Bericht des Ministers, sondern auf die Drucksachen 17/1007 und 17/1062. Das sind die Antworten auf zwei Kleine Anfragen, die ich dem Minister bereits im Laufe des Jahres zu dem Thema gestellt habe.

Am 17. Dezember 2009 hat der Europäische Gerichtshof sein Urteil gefällt, im Oktober 2010 hat die Bundesregierung auf dieses Urteil reagiert und ein neues Gesetz zur Sicherungsverwahrung gemacht. DIE LINKE hat daran kritisiert, dass dieses

(Vizepräsidentin Dr. Gitta Trauernicht)

Gesetz ein restriktives, ein populistisch-restriktives Gesetz ist und die Chance auf eine freiheitlich orientierte Neuregelung der Sicherungsverwahrung nicht genutzt worden ist. DIE LINKE hat davor gewarnt, dass dieses Gesetz vor dem Grundgesetz keinen Bestand haben würde, und sie hat recht behalten.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun Anfang 2011 entschieden. Es hat wichtige Punkte in dem Urteil herausgearbeitet. Der Minister hat einige davon angesprochen. Das Abstandsgebot zwischen Sicherungsverwahrung und Strafhaft gehört dazu. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch gesagt, die Sicherungsverwahrung muss freiheitsorientiert sein, die Sicherungsverwahrung muss therapieorientiert sein, und für diese Grundsätze muss es einen Rechtsanspruch geben.

Wir können uns anschauen, was bisher passiert ist. Ich will das niemandem vorwerfen, aber ich habe den Minister gefragt, wie viele von den fünf Sicherungsverwahrten, die bis 2012 entlassen werden sollen, an sozialtherapeutischen Maßnahmen teilgenommen haben. Der Minister hat mir geantwortet, von den fünf Sicherungsverwahrten, die bis 2012 entlassen werden sollen, habe keiner an sozialtherapeutischen Maßnahmen teilgenommen.

Ich habe den Minister auch gefragt, wie viele von den 14 derzeit sich in Sicherheitsverwahrung befindlichen Straftätern während der Sicherungsverwahrung oder während der Strafhaft an sozialtherapeutischen Maßnahmen teilgenommen haben. Es hat während der Strafhaft ein Straftäter von den 14 an sozialtherapeutischen Maßnahmen teilgenommen. Von den insgesamt 14 Sicherungsverwahrten haben insgesamt vier - wobei der eben genannte schon dabei ist -, also drei zusätzlich, an sozialtherapeutischen Maßnahmen teilgenommen. Nun könnten wir einfach sagen, na ja, jetzt ändert sich alles, aber ich glaube, dass wir im Moment eher auf dem Weg sind zu sagen, die Sicherungsverwahrung ist da, wir haben zwei Jahre Zeit und können uns mit den sozialtherapeutischen Maßnahmen Zeit lassen. Das ist der falsche Ansatz. Ich glaube, wir müssen da, wo jetzt Sicherungsverwahrte und Straftäter sitzen, die irgendwann einmal in Sicherungsverwahrung sollen, versuchen, über sozialtherapeutische Maßnahmen die Sicherungsverwahrung zu vermeiden. Das ist mein Ansatz, nämlich die Vermeidung der Sicherungsverwahrung, weil der Täter dann bis dahin einfach so weit therapiert ist, dass er in Freiheit leben kann.

Wenn das nicht funktioniert, da bin ich natürlich voll Ihrer Ansicht, muss die Bevölkerung vor die

sem Straftäter geschützt werden, dann muss die Sicherungsverwahrung zum Tragen kommen.

Aber wir denken uns ja auch Mittel aus, die uns dabei helfen können. Hier möchte ich kurz über die Fußfessel reden. Im Moment ist es noch so, dass wir über die Fußfessel nachdenken. Es gibt ein gemeinsames Modell. Aber was wird die Fußfessel schon anderes sein als eine Ausrede, Entlassungsvorbereitung schleifen zu lassen und sozialtherapeutische Maßnahmen nicht in ausreichendem Maße anzuwenden? Wir werden Leute mit einer Fußfessel am Fuß auf die Allgemeinheit loslassen und ahnen überhaupt nicht, was die machen werden, wenn sie draußen sind.

Ich will das gar nicht so sehr als Kritik am Minister vorbringen, aber ich glaube, die wirksamsten Maßnahmen zur Vorbeugung sind Therapie- und Entlassungsvorbereitung schon der Straftäter, aber auch noch der Sicherungsverwahrten.

Ich möchte auch - ein bisschen zumindest - in die gleiche Kerbe wie der Kollegen Fürter schlagen, obwohl ich immer noch nicht Minister werden will, aber auch mir geht es ein bisschen um die Informationspolitik des Ministers. Auf Kleine Anfragen bekomme ich gute Antworten. Dafür bedanke ich mich. Auch dieser Bericht heute war ein großer Schritt. Ich bin auch nicht der Ansicht, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer in Pressekonferenzen die ganze Weisheit der Landesregierung vertreten müssen, denn die Weisheit der Landesregierung gehört hierhin, in die Parlamentssitzung. Sie haben hier einen ordentlichen Bericht gegeben, der einige Schritte weiter gegangen ist als die Aussagen auf der Pressekonferenz.

Aber die Fragen, die uns wirklich interessiert haben, sind offen geblieben. Ich nehme eine davon heraus. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die Justizministerin, hat am 18. Mai 2011 den Ländern Unterstützung beim Umbau der Unterbringung von Sicherungsverwahrten angekündigt. Sie weiß genau, das wird teuer. Sie waren am 18. und 19. Mai 2011 mit allen Justizministern zusammen. Ich gehe davon aus, Frau Leutheusser-Schnarrenberger war auch mit dabei. Ich möchte einfach wissen, wie sich der Bund an den Kosten für den Umbau der Unterbringung für Sicherungsverwahrte beteiligen wird. Gibt es da jetzt schon feste Modelle? Sind dazu schon Aussagen getroffen worden, oder bleibt das alles an uns hängen? War das vielleicht alles einfach nur eine Ankündigung, um vielleicht den Fehler des falschen Gesetzes aus dem letzten Jahr wettzumachen? Solche Fragen möchte ich beantwortet haben.

(Heinz-Werner Jezewski)

Ich habe aber gelernt, dass man, um solche Fragen konkret beantwortet zu bekommen, eine Kleine Anfrage stellen muss. Das werden wir tun. Wir gehen dann davon aus, dass wir uns im Ausschuss oder hier im Plenum weiter mit dem Thema beschäftigen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat jetzt Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, vielen Dank für den Bericht. Er hat einige Aspekte, die in der Anfrage enthalten waren, beantwortet. Im Mai gab es die Konferenz der Justizminister, von der der Kollege Jezewski eben schon berichtete. Dort sind mehrere Dinge besprochen worden, die im Zusammenhang mit der Sicherungsverwahrung standen beziehungsweise von den davon betroffenen Menschen handelten. Das ist zum einen die elektronische Aufenthaltsüberwachung, die sogenannte Fußfessel, mit dem räumlichen Distanzgebot zum Schutz der Opfer von Gewalttaten und zum anderen der Kriterienkatalog für die Neuausrichtung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung, der bereits vom 30. November 2010 stammt. Sie haben das in Ihrem Bericht schon genannt.

Damit ist das Thema Sicherungsverwahrung, wie sich auch aus den vorangegangenen Konferenzen ergibt, ein Thema, welches gerade nicht erst durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 in Gang gesetzt wurde.

In der überhitzten Debatte um die Sicherungsverwahrung wurden die Regeln immer wieder hektisch geändert. Laut der Bundesjustizministerin wurde das Recht der Sicherungsverwahrung seit 1998 insgesamt zehnmal novelliert. Die Politik versuchte fälschlicherweise, dem meinungsmachenden Boulevard gerecht zu werden, der das Thema für sich entdeckt hatte. Die Verschärfungen führten zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der Deutschland auf die Verletzungen gerade dieser Menschenrechte hinwies und sagte: So kann das nicht weitergehen.

Die Sicherungsverwahrung wurde und wird manchmal nämlich damit verwechselt, eventuelle Täter einfach wegzusperren. Es muss an dieser Stelle wiederholt werden: Menschen, die schuldfähig

sind, kommen in die Sicherungsverwahrung, um die Allgemeinheit zu schützen. Sie müssen den Freiheitsentzug als Sonderopfer hinnehmen. Ihre Strafe haben sie nämlich schon längst verbüßt. Grund ist die negative Prognose, in der von einer hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten ausgegangen wird. Damit werden Taten geahndet, die noch nicht begangen worden sind, weil möglicherweise eine psychische Störung vorliegt.

Der SSW hat eine klare Position zur Sicherungsverwahrung: Der Umgang mit Sexual- und Gewaltverbrechern nach Verbüßung der Freiheitsstrafe ist der Lackmustest des Rechtsstaats.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Taten, auch wenn sie jedes Maß der Vorstellbarkeit sprengen, gilt es, im Rahmen eines demokratisch fundierten Vollzuges einzuordnen, und es gilt, die Menschen entsprechend zu behandeln. Die von der Boulevardpresse zu Monstern hochgeschriebenen Täter sind und bleiben Menschen. Sie haben Rechte, und diese verwirken sie nicht. Deshalb sind die Anforderungen so hoch, wenn ihre Rechte eingeschränkt werden. Das mag für viele Außenstehende beklemmend und teilweise auch nicht nachvollziehbar sein - doch diese Anforderungen müssen bleiben. Sicherungsverwahrung wird es wohl auch in der Zukunft geben. Sie kann jedoch nur als Ultima Ratio im Strafurteil angeordnet werden.

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde Wert darauf gelegt, dass sich die Sicherungsverwahrung fundamental vom übrigen Strafvollzug zu unterscheiden hat. Das Abstandsgebot zwischen Sicherungsverwahrung und Strafhaft muss eingehalten werden. Was noch viel wichtiger ist: Jetzt ist auch klargestellt worden, Sicherungsverwahrung soll zukünftig nicht mehr ohne Therapie möglich sein. Der Herr Kollege Jezewski ist in seiner Rede schon auf die Therapie auch während der Strafhaft eingegangen. Was man aber auch wissen muss, ist: Nicht jeder Täter möchte eine Therapie. Unabhängig davon muss sie ihm angeboten werden, er muss sie aber nicht wahrnehmen. Das gilt für alle, die auch in Strafhaft sitzen. Für alle, die in angeordneter Sicherungsverwahrung sind, soll diese nunmehr regelmäßig überprüft werden. Damit kann eventuellen Therapieerfolgen Rechnung getragen werden, was den Täter vielleicht genau zu dieser Therapie motiviert.

Mit einem mündlichen Bericht zu den neu zu schaffenden Strukturen in Schleswig-Holstein ist es un

(Heinz-Werner Jezewski)

ter diesen Umständen nicht getan. Im nächsten Jahr muss nämlich nicht nur das Gesetz fertig sein, sondern es sind auch neue Therapie- und Vollzugsstrukturen zu schaffen und die Altfälle zu regeln. Umfangreiche Umbauten und Restrukturierungen stehen auch noch an, insbesondere bei den Haftanstalten in Schleswig-Holstein. Der Minister wird sicherlich in unmittelbarer Zukunft zu all diesen Komplexen ein belastbares Konzept vorlegen müssen.

Was wir für sinnvoll halten, ist, dass die Sicherungsverwahrung öffentlich und transparent diskutiert wird; denn die bisherige Diskussion, angeheizt durch die Boulevardpresse, schafft bei den Menschen viel Angst. Menschenrechte haben aber in einer solchen Angstdiskussion ganz schlechte Karten. Das sollte nicht so sein.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 17/1515 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Es ist kein Antrag gestellt. Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Vermittlung von Fremdsprachen in SchleswigHolstein

Große Anfrage der Fraktion der SPD Drucksache 17/1014

Antwort der Landesregierung Drucksache 17/1423

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.