Protokoll der Sitzung vom 27.05.2011

Da war das in Ordnung. Wenn ein Grüner auftritt, ist das in Ordnung. Wenn CDU- und FDP-Vertreter ihren Gesetzentwurf vorstellen, ist das etwas Schlimmes.

Herr Kubicki, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Habeck?

Selbstverständlich, ich bin immer gern bereit, zur Weiterbildung von Herrn Habeck beizutragen.

Vielen Dank, Herr Kubicki. Dann klären Sie mich doch bitte einmal auf, wie Herr Vesper gewählt wurde, und wie Sie gewählt wurden!

- Herr Vesper ist wahrscheinlich von der Delegiertenversammlung beim DOSB gewählt worden. Ich bin zunächst von Mitgliedern meiner Partei und anschließend von den Wählerinnen und Wählern des Landes Schleswig-Holstein gewählt worden.

Sehen Sie da einen Unterschied?

- Ich gehe davon aus, dass die Mitglieder beim DOSB gleichzeitig Wählerinnen und Wähler sind.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie sind dem Ge- meinwohl verpflichtet! - Weitere Zurufe)

- Sie meinen, ein Parlamentarier dürfe auf keiner Veranstaltung mehr Positionen vorstellen? Das wäre ja lustig, Frau Heinold. Dann frage ich mich, was die Grünen bei Solarvertretern machen, bei Windenergieanlagenbauern oder bei Biobauern.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Überlegung, Parlamentarier dürften nicht mehr darstellen, wie die Position ist, die sie eingenommen haben, finde ich lustig. Dann können wir in der Demokratie aufhören, für unsere Position zu werben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Widersprüchlichkeit ist das große Manko, das mir beim Antrag der SPD als Erstes aufgefallen ist. Sie unterstützen einerseits die politische Einigung der Ministerpräsidentenkonferenz vom 6. April zur Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags, fordern aber andererseits zwei Absätze später seine Europarechtskonformität. Wie Sie das zusammenbinden wollen, ist mir momentan schleierhaft. Wir müssen uns jetzt nicht mehr mit der Frage beschäftigen, ob eine Öffnung des Sportwettenmarkts überhaupt in Betracht kommt, denn sie ist ja im Glücksspielstaatsvertragsentwurf der 15 Ministerpräsidenten explizit vorgesehen.

Nun müssen wir uns fragen: Hat das, was dort vorgesehen ist, rechtlich überhaupt noch Bestand? Denn nach wie vor gehe ich davon aus, dass wir uns als Parlamentarier dem Recht verpflichtet fühlen und nicht bei Lösungen mitwirken, von denen wir überzeugt sind - jeder von uns auf seine Weise -, dass sie rechtswidrig sind, verfassungs- oder europarechtswidrig.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Kommen wir zunächst zur Frage der Beschränkung der Zahl der Konzessionen! Wie soll es eigentlich Bestand haben, die Zahl der Konzessionen auf sieben zu beschränken? - Anders als bei der

Vergabe der UMTS-Lizenzen, wo wir aufgrund von Kapazitäten im Übertragungsweg eine Beschränkung hatten, gibt es hier keine Beschränkungsmöglichkeiten. Sie können nicht einfach eine Anzahl von Konzessionen festschreiben, sondern nur Bedingungen, die jeder erfüllen muss, der eine solche Genehmigung erhalten will. Spätestens dann, wenn der Achte klagt, wird diese Geschichte sowohl in Deutschland vor Gerichten als auch europaweit zu Fall gebracht werden. Insofern ist die Limitierung der Konzessionen, da sind wir uns doch einig, Frau Heinold -

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Die spannende Frage zwischen uns ist ja nicht, dass wir uns polemisch angreifen, sondern dass wir versuchen, eine vernünftige Lösung zu finden und dafür zu werben, dass sich mehrere andere Länder und davon gehe ich aus - dieser vernünftigen Lösung noch anschließen werden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wehre mich dagegen, dass so getan wird, als seien Spiel oder Wette per se etwas Negatives, als seien alle Spieler oder Wetter per se Süchtige. Selbstverständlich gibt es in diesem Bereich Suchtproblematiken, aber man bekämpft Sucht nicht durch Monopole, sondern nur durch Behandlung. Was wir momentan an Süchtigen haben, ist unter einem staatlichen Monopol entstanden. Das deutet darauf hin, dass die bisherige Behauptung, man müsse diesen Bereich staatlich organisieren, um der Sucht entgegenzuwirken, schlicht und ergreifend an den Haaren herbeigezogen ist. Es gibt auch andere Möglichkeiten, und zwar intensivere Möglichkeiten, der staatlichen Kontrolle bei Anbietern, die nicht im staatlichen Bereich organisiert sind, wie wir es in vielen anderen Bereichen erlebt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Begrenzung der Experimentierklausel auf sieben Jahre und die Laufzeit des Glücksspielstaatsvertrags von insgesamt acht Jahren lässt jedem Einzelnen, der sich mit der Materie beschäftigt, klar werden, worauf das hinauslaufen soll. Zu einer Verlängerung der Experimentierklausel wird die Zustimmung von 13 Ländern benötigt, oder umgekehrt, wenn nur vier Ministerpräsidenten dies ablehnen, wird die Experimentierklausel zum 31. Dezember 2019 auslaufen, obwohl der Vertrag noch eine einjährige Gültigkeit hätte. Das ist das Signal an jeden, der sich engagieren will, dass spätestens diejenigen, die sich bereit erklärt haben, dem Entwurf zuzustimmen, in sieben

Jahren sagen werden: Nun ist Schicht im Schacht. Kein privater Anbieter wird Investitionen auf einer so unsicheren Grundlage tätigen, wenn er das Risiko laufen muss, dass die Veranstaltung für ihn nach sieben Jahren zu Ende ist.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Beschränkungen bei den Live-Wetten! Wenn wir erfahren, dass mehr als 60 % der Umsätze in diesem Bereich europaweit bei Live-Wetten gemacht werden, die nicht nur auf das Endergebnis, sondern auch auf Zwischenstände und andere Ereignisse während des laufenden Spiels gemacht werden, dann wissen wir, dass unser Bemühen, den grauen Markt auszutrocknen dadurch, dass wir Anbieter in Deutschland lizenzieren, ihnen Werbemöglichkeiten und die Möglichkeit geben, damit die anderen Anbieter vom Markt zu verdrängen, nicht funktionieren wird. Wer will, dass das Prinzip funktioniert - wir holen die Leute sozusagen zum Spielen nach Deutschland zurück, die sich momentan im Internet und im Ausland organisieren; der Zuwachs beträgt 30 % pro Jahr auf dem deutschen Markt -, der wird diesen Weg gehen müssen, dass die lizenzierten Anbieter durch Werbemöglichkeiten ihre Konkurrenten im Internet verdrängen können. Das müssen Sie mit einem attraktiven Angebot machen können, sonst wird es nicht funktionieren.

(Beifall bei FDP und CDU)

Nun kommt der wichtigste Punkt: Die Konzessionsabgabe beträgt 16,66 % auf den Spieleinsatz. Wem nun bekannt ist, dass die Sportwettenanbieter eine Ausschüttungsquote von 90 % erreichen, der wird feststellen, dass die Sportwettenanbieter mit jedem Euro Ertrag zeitgleich 1,66 € Konzessionsabgabe an den Staat abführen müssten.

Zum Vergleich: Beim Lotto hat eine solch hohe Konzessionsabgabe auch nur einen entsprechenden Erfolg, weil die Ausschüttungsquote bei niedrigen 50 % liegt. Durch eine Abgabe von 16,66 % wären die Sportwettenanbieter gezwungen, eine solch schlechte Quote anzubieten. Das würde wiederum dazu führen, dass eine effektive Austrocknung des Graumarkts nicht mehr erfolgen könnte.

Frankreich ist vor Jahren mit einem ähnlichen Versuch gestartet. Frankreich hat damals eine Konzessionsabgabe in Höhe von 7,5 % auf den Spieleinsatz verlangt - also weniger als die Hälfte - und konnte im Ergebnis nur 20 % des bestehenden Graumarkts kanalisieren.

(Wolfgang Kubicki)

Die Aussage im Antrag der SPD, der Landtag verurteile ausgeprägten Lobbyismus, trifft bei mir auf ein gewisses Unverständnis.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das können wir uns vorstellen!)

- Herr Kollege Dr. Stegner, da Sie nicht bereit sind, argumentativ, sondern sozusagen denunziatorisch an den Markt der Meinungen zu treten, macht es keinen Sinn mehr, auf Sie einzugehen. Selbstverständlich werden bei Gesetzgebungsverfahren in Bund und Ländern die Vertreter von Verbänden und Vereinigungen eingeladen. Deren Aufgabe ist es, ihre Interessen zu vertreten. Das nennen wir Lobbyismus. Unsere Aufgabe ist es, die Argumente abzuwägen und zu einer Entscheidung zu kommen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Niemand von uns hat sich dagegen verwahrt, dass Vertreter des Lottoverbandes, der Lottogesellschaften - auch Lobbyisten in eigenen Sache - an den Markt der Meinungen herangetreten sind mit Gutachten, die wir zur Kenntnis nehmen und auf die wir teilweise eingehen werden, weil natürlich auch dort vernünftige Vorschläge vorhanden sind. Aber zu sagen, wir nähmen die Stellungnahmen von Vereinen und Verbänden, die Lobbyvertretungen sind, nicht mehr zur Kenntnis, Herr Dr. Stegner, ist eine Ausdünnung von Wirklichkeit, die mit dem Gesetzgebungsverfahren nichts mehr zu tun hat.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Heinold, wir suchen tatsächlich nach einer bundeseinheitlichen Regelung, weil alles andere unsinnig wäre.

(Demonstrativer Beifall der Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber genauso, wie andere Länder erklären, sie wollten von ihrem Standpunkt nicht abrücken, erklären wir zunächst, dass wir von unserem Standpunkt nicht abrücken.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wer das Ergebnis von Verhandlungsprozessen zu seiner Voraussetzung macht, wird nie zu einem vernünftigen Ergebnis kommen.

(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Wir sind doch nicht beim Pokern!)

- Dass Sie davon nichts verstehen, leuchtet mir ein.

Aber wenn ich meinem Gegenüber bereits sage, dass das, was er formuliert, von mir akzeptiert wird, brauche ich nicht mehr in Verhandlungen einzutreten.

(Beifall bei der FDP)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Dr. Habeck?

Selbstverständlich, Frau Präsidentin.

Herr Kubicki, ich wollte fragen, ob das Wörtchen „zunächst“ eine Bestätigung der Aussage von Herrn Arp ist, dass, anders als noch im Ausschuss, der Zeitpunkt, eine zweite Lesung im Juni durchzuführen, jetzt zunächst vom Tisch ist.

- Das ist zunächst nicht vom Tisch, aber das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Auch Sie, Herr Kollege Habeck, wissen, dass man natürlich Öffnungsklauseln derart bereithalten kann, dass, wenn sich die Länder darauf verständigen, in dem vorgegebenen Zeitrahmen einen vernünftigen Vorschlag zu unterbreiten, auch das Land SchleswigHolstein die Möglichkeit hat, sich diesem vernünftigen Vorschlag anzuschließen.

Gestatten Sie eine Zusatzfrage?

Selbstverständlich.

Haben Sie jetzt Herrn Kollegen Arp widersprochen, dass Sie doch eine zweite Lesung im Juni vorschlagen und anstreben?