Die Fraktionen von CDU und FDP sind dem gefolgt. Wir haben nachgedacht, gehandelt und nach zahlreichen Expertengesprächen in den einzelnen Fraktionen, aber auch gemeinsam, das ursprünglich aus den 50er-Jahren stammende Denkmalschutzgesetz den Anforderungen der heutigen Zeit angepasst.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Herr Fraktionsvorsitzende Dr. Robert Habeck das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben jetzt die Sternstunde der schwarz-gelben Regierungsarbeit: Der Denkmalschutz wird abgebaut, das Investitionshemmnis dieses Landes wird beseitigt.
Und die Debatte schäumt über. Es ist also eine Sternstunde der parlamentarischen Demokratie. Herr Kubicki, ich meine speziell Sie. Ich kann mich an unzählige Wahlkampfauftritte erinnern und auch an Podiumsdiskussionen, die wir beiden gemeinsam hatten, in denen Sie die Ihrer Ansicht nach mangelnde Prosperität des Landes am Denkmalschutz festgemacht haben.
Das war schon damals falsch, denn die Investitionen im Denkmalschutz sind erheblich und betreffen eine Reihe von kleinen und mittelständischen Handwerksbetrieben, die vielleicht ein bisschen unterhalb Ihres Radars fliegen,
die aber doch erhebliche Wertschöpfungen im Land generieren. Das ist aber auch deshalb falsch, weil der vorgelegte Entwurf mit keiner Silbe den Popanz, der aufgebaut wurde, an dieser Stelle rechtfertigt.
Frau Funke, gleichwohl haben Sie jetzt wahrscheinlich wieder einen anderen Text vorliegen als wir, denn drei Aussagen, die Sie gemacht haben, sind falsch.
Denn erstens - ich komme darauf zurück - ist es nicht die obere Denkmalschutzbehörde, die die Bauwerke nach 1950 begutachtet, sondern die oberste, das ist der Minister. Das haben Sie nicht gesagt. Vielleicht war das nur ein Versprecher, aber dann ist es ein Versprecher, der an dieser Stelle verräterisch ist.
Zweitens kann man nun beim besten Willen nicht sagen, dass der Umgebungsschutz durch den Entwurf klarer geworden ist. Das ist er mit Sicherheit nicht. Er ist flexibler geworden, das ist aber das Gegenteil von klarer.
Drittens ist die Einführung des Denkmalwerts als Begriff eine völlig neue Kategorie, die wir vorher noch gar nicht kannten.
Aber wie immer man das beurteilt - an der Stelle bin ich ja noch gar nicht -, klarer ist das Gesetz garantiert nicht geworden.
Haben Sie sich schon mit der Novellierung des niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes auseinandergesetzt?
Sehr gern. Ich weiß, das soll kein Dialog werden, aber ich bin gespannt zu hören, was es da zu lernen gibt.
Eine rhetorische Frage: Dann ist Ihnen also scheinbar auch nicht bekannt, dass der Denkmalwert ins niedersächsische Denkmalschutzgesetz Eingang gefunden hat und dort vom Wissenschaftlichen Dienst des Landtags nicht beanstandet worden ist?
- Da ich das Gesetz und den Vorgang in Niedersachsen nicht kenne, ist mir das nicht bekannt. Aber mir ist nicht klar, wie Sie sagen können, mit dem neuen Begriff Denkmalwert als neue Kategorie sei das Gesetz klarer geworden. Ich habe mich noch gar nicht dagegen ausgesprochen, so einen Begriff in Erwägung zu ziehen. Aber dass das Gesetz dadurch klarer wird, das wird man beim besten Willen nicht sagen können, denn sonst bitte ich Sie, mir zu erklären, was beispielsweise der Denkmalwert des Lübecker Holstentors sein soll. Ist der bezifferbar? Wie bemisst der sich? Ist der historisch herzuleiten? Was soll der Denkmalwert sein? - Das weiß man nicht. Es ist spannend, darüber zu philosophieren, aber klarer - wie Sie es gesagt haben - ist es an dieser Stelle eindeutig nicht geworden.
Ich bin Herrn Wengler ausgesprochen dankbar dafür, dass er am Anfang erklärt beziehungsweise entschuldigt hat, wie es zu den Irritationen und den verschiedenen Fassungen des Gesetzentwurfs gekommen ist. Sicherlich handelt es sich um einen Entwurf, der noch in Arbeit ist. Auch gestern Nachmittag kam noch einmal ein neuer Entwurf des Gesetzes. Das lässt mich frohlocken, dass vielleicht noch einige Änderungen des Gesetzes möglich sind. Er ist ja von einer Nacht auf die andere besser, noch einmal besser, geworden. Das muss ich einräumen. Insofern teile ich den Optimismus, dass im Ausschuss noch einiges zu beraten und besser zu machen ist.
Jedenfalls ist gegenüber dem Entwurf, den es gar nicht hätte geben sollen, einiges aus dem Gesetz herausgenommen worden. Dazu gehört, dass Innengebäude nicht - wie von der FDP ursprünglich überlegt - unter Denkmalschutz gestellt werden. Die Besetzung des Denkmalrates per Gesetz ist entfallen. Das Verursacherprinzip ist weg.
- Gut, das ist jetzt wieder drin, aber Sie wollten es wegnehmen. Also gut, dass der alte Entwurf nicht Wirklichkeit geworden ist. Er wäre nämlich bürokratisch gewesen, er wäre unsinnig gewesen, und er wäre vor allen Dingen nicht gesetzeskonform gewesen, weil das Verursacherprinzip ja ein europäisches Recht ist. Gut, dass Sie das rausgenommen haben.
Zwei Sachen sind noch drin, die problematisch sind. Eine davon wurde von Ihnen in dankenswerter Offenheit schon angesprochen, das ist die Unterschutzstellung der Gebäude ab 1950. Das ist ein totaler Systembruch, weil Sie ja - wie Sie gesagt haben - nicht Schönheit - darüber mag man vielleicht streiten -, sondern den Denkmalwert für die Gesellschaft als Kriterium ansetzen wollen. Dabei ist es total systemwidrig zu sagen, ab 1950 legen wir andere Kriterien an. Das ist bei dieser Sache einfach nicht vorgesehen. Es verrät Sie allerdings, weil Sie entgegen Ihren Äußerungen - und das konnte man auch an den Wahlkampfsottisen Ihres Fraktionsvorsitzenden sehen - einen antimodernen Kulturbegriff vertreten. Das ist der Punkt an dieser Stelle. Es geht überhaupt nicht um Schönheit, es geht um den kulturhistorischen Wert. Dass jetzt Minister Klug als oberste Denkmalschutzbehörde
darüber entscheiden muss - ob ein Gebäude schön ist, das könnte er ja noch beurteilen -, ob ein Gebäude einen kulturhistorischen Wert hat, indem er sich jetzt auch noch kulturhistorisches Fachwissen für Gebäude nach 1950 aneignen muss, das ist - bei allem, was ich Herrn Klug zutraue; er ist ja schon sehr belastet; er muss Y-Streite schlichten, er muss Lehrer entlasten, er muss Kulturentwicklungspläne aussitzen -, zuviel. Das traue ich ihm nicht zu. Also was wird passieren? Sie müssen eine Kulturabteilung ausbauen, sie aufblähen, mehr Bürokratie schaffen. Das nennt sich dann Deregulierung - tolles Gesetz!
Der zweite Punkt, und der ist eigentlich viel entscheidender, ist: Dass der Vollzug des Denkmalschutzes allein bei den unteren Denkmalschutzbehörden - also in den Kreisen - angesiedelt ist, diese aber in weiten Teilen gar keine Abteilung für Denkmalschutz mehr vorhalten, und der Denkmalschutz inkraft tritt und als genehmigt gilt, wenn eine Frist verjährt ist - die haben Sie von vorgestern auf gestern dankenswerterweise von einem Monat auf drei Monate hochgesetzt; das ist ja ein Schritt in die richtige Richtung - ist doch schon einmal eine Logik, die bemerkenswert ist. Die untere Denkmalschutzbehörde soll genehmigen, sie haben keine Leute und keine Kompetenzen. Die müssen sie erst aufbauen. Nach dem Gesetz gilt es als genehmigt, wenn nicht widersprochen wird. Das ist ein Zirkelschluss, den Sie konstruiert haben, der letztlich dann doch den Denkmalschutz in seiner Substanz gefährden wird. Es gibt an dieser Stelle die große Gefahr, dass es gar keinen Denkmalschutz auf der kommunalen Ebene geben wird.
Deshalb hoffe ich wirklich sehr, dass das, was Herr Wengler gesagt hat, eintreten wird, dass nämlich die Beratungen im Ausschuss dazu führen werden, dass an dieser Stelle nachgebessert wird, damit wirklich solider und fachkundiger Denkmalschutz im Land gewährleistet werden kann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde jetzt nicht die fachliche Diskussion weiterführen, denn ich denke, die gehört in den Ausschuss. Frau Funke, Sie haben dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass Denkmal nicht nur eine Definition, sondern auch ein Imperativ ist. Ich wünschte mir, Sie hätten diesen Imperativ ernst genommen und wären ihm gefolgt.
Dass in den Fraktionen von CDU und FDP der Erinnerungskultur ein ähnlich niedriger Stellenwert beigemessen wird wie der Zukunft unseres Landes, das haben wir schon bei der Diskussion des Berichts der Landesregierung zum Archivwesen feststellen müssen.
Was mit diesem Gesetzentwurf erreicht werden soll, ist einfach die weitere Verminderung der Pflicht privater Eigentümer, Denkmäler zu schützen und zu pflegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 2. März 1999 festgestellt, dass der Denkmalschutz eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang ist. Viele Länder haben - daraufhin oder auch schon vorher - den Denkmalschutz in ihren Landesverfassungen festgeschrieben. SchleswigHolstein hat das leider nicht getan. Sie aber ignorieren dieses Urteil und würdigen den Denkmalschutz zu einer Aufgabe herab, die im Rang eindeutig hinter der Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Eigentümer steht. Ansonsten hätten Sie nämlich zumindest ernsthaft darüber nachgedacht, das deklaratorische Verfahren einzuführen und das konstitutive Verfahren abzuschaffen.
Es ist durchaus so, dass man über Erleichterungen für Eigentümer von schützenswerten Denkmälern nachdenken kann. Aber im Vordergrund dürfen dabei nicht wirtschaftliche Interessen stehen, sondern immer nur die Interessen des Denkmalschutzes.