Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

(Zuruf von der SPD)

- Es ist doch geregelt.

Lieber Herr Kollege Dr. Tietze, um den 6. Mai kommenden Jahres mache ich mir wenig Sorgen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das glaube ich! - Heiterkeit bei der SPD)

Ich weiß, dass die Menschen in Schleswig-Holstein sehr wohl registrieren, welche Arbeitsmarktbilanz, welche Wirtschaftsbilanz, welche Finanzbilanz Rot-Grün 2005 hier hinterlassen hat und wie sich die Situation seitdem positiv entwickelt hat. Deswegen habe ich keine Sorge, ich bin da sehr optimistisch.

(Beifall bei der CDU)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil der Kollege Callsen meine tariftreuelose Zeit, die ich für die nächsten Monate prognostiziert habe, angesprochen hat.

Es geht um Folgendes: Bisher ist nur das abgesichert, was Gegenstand des Arbeitnehmerentsendegesetzes ist. Ich habe vorhin gesagt, es wäre mehr möglich gewesen, zum Beispiel allgemeinverbindliche Löhne. Das wurde gerade eben schon einmal angesprochen durch die beiden Kollegen Schulze und Vogt, die sich darüber unterhalten haben, wie das denn wohl gekommen ist, dass der Herr Sozialminister einen allgemeinverbindlichen Lohn eingeführt hat. Das ist relativ einfach. Der Bundesarbeitsminister kann auf Antrag des Landesarbeitsministers die Befugnis auf die Landesebene übertragen, und dann kann der Landesarbeitsminister einen allgemeinverbindlichen Lohn für sein Bundesland festsetzen in Absprache mit den Tarifpartnern. Das ist hier geschehen.

Das bedeutet, dass es auch möglich ist, einen allgemeinverbindlichen Lohn hier festzulegen, der höher liegt als das, was man anderenorts in der Bundesrepublik hat. Weiterhin ist es bei Tarifpartnern in den Bereichen, die nicht von dem Urteil bezüglich des niedersächsischen Vergabegesetzes erfasst sind, möglich, dass die Bereiche, die jetzt ganz normale Tarifvereinbarungen haben, die im Vergleich zu den Mindestlöhnen, die in der Bundesrepublik Deutschland irgendwo herumschwirren, sehr hohe Löhne haben. Da reden wir von 10 bis 12 € für Busfahrer und nicht mehr von diesen „erbärmlichen“ 4, 5, 6 oder 7 €, die irgendwo als Mindestlöhne durch die Gegend geistern.

Das hätten wir alles absichern können, und das wäre auch alles europarechtskonform gewesen. Das heißt, wir hätten hier für die Beschäftigten etwas in sozialer Hinsicht tun müssen, und wir hätten etwas für den Schutz unserer Unternehmen tun können. Das ist durch die Landesregierung, auch durch CDU und FDP mit dem Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt, unterlassen worden. Das kritisiere ich, und das bezeichne ich als tariftreuelose Zeit. Diese tariftreuelose Zeit müssen wir schnellstmöglich beenden. Das wird ab 7. Mai 2012 Aufgabe derjenigen sein, die dann hier regieren werden.

(Beifall beim SSW)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Andreas Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einlassungen des Herrn Kollegen Vogt haben mich dann doch noch einmal bewegt, hier zum Mikrofon zu gehen.

Dass Sie sich hier hinstellen und unser Gutachten oder die Veranstaltung, die wir durchgeführt hatten, als Komödiantenstadl darstellen,

(Christopher Vogt [FDP]: Ihren Redebei- trag!)

das zeigt schon, in welcher Form - - So habe ich das verstanden. Auf dieser Veranstaltung waren 230 Menschen aus der Wirtschaft; da waren dann auch so hochrangige Vertreter wie Herr Wachholtz und andere dabei, die mit uns genau über diese Frage diskutiert haben.

Herr Vogt, ich darf Sie daran erinnern, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass wir eine Weltwirtschafts-, Banken- und Finanzkrise hatten. Wir haben dabei gemerkt, dass das Thema des Wachstums tatsächlich eine Thematik ist, die uns alle dringend beschäftigt.

Es gibt tatsächlich nicht nur die eine Antwort; das ist richtig. Es gibt sicherlich auch nicht nur den einen oder anderen einzigen Index. Aber die Debatte darüber zu führen, den Diskurs darüber zu führen, wie wir Wachstum künftig messen wollen und dass wir uns über die Frage unterhalten, ob wir wohlstands- und wohlfahrtsauslösende Indikatoren brauchen und wie wir damit auch die Wirtschaft mitnehmen, das war hoch spannend. Und da hat

man tatsächlich auch erkennen können, dass man mit grünen Ideen tatsächlich auch schwarze Zahlen schreiben kann. Das nehmen Sie einfach einmal zur Kenntnis, Herr Vogt!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

Ja, sehr gern.

Vielen Dank. Herr Kollege Tietze, Sie hatten heute ja schon einige Verständnisprobleme. Würden Sie erneut zur Kenntnis nehmen, dass ich weder Ihre Veranstaltung noch Ihre Studie als komödiantisch bezeichnet habe, sondern vielmehr Ihren Redebeitrag mit dem Beispiel des Autounfalls? Das fand ich etwas unangemessen. Würden Sie das bitte zur Kenntnis nehmen?

- Das nehme ich sehr gern zur Kenntnis, aber auch im Rahmen dieses Gutachtens werden genau solche Fälle genannt - das mit dem Autounfall ist natürlich sehr schrecklich -, weil das Thema Kriminalität und Verkehrssicherheit natürlich ein zentrales Thema bei der Indikatorenfestlegung ist. Wenn Sie kein Tempolimit in den Staaten haben, wenn Sie das Rasen erlauben, gibt es mehr Verkehrsunfälle mit Todesfolge. Das trägt nicht unbedingt zur Wohlfahrt eines Landes bei.

Das trägt im Übrigen auch nicht zum Wirtschaftswachstum bei; denn wir alle müssen diese Rechnung tragen. Die Gesellschaft muss für alles aufkommen, was sich im Reparaturbetrieb befindet. Deshalb ist es modern, wenn wir uns diesen Indikatoren stellen und wenn wir diese Beispiele bringen. Die sind auch im Rahmen des Gutachtens in der Presse nachzulesen gewesen. Insofern habe ich hier nichts erfunden, sondern ich habe mich nur auf das berufen, was über unser Gutachten und unsere Veranstaltung berichtet worden ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat der Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herr Jost de Jager, das Wort.

(Lars Harms)

(Unruhe)

Das Wort hat der Minister.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will gleich mit dem Exkurs beginnen, der eigentlich sehr wenig mit unserem Mittelstandsgesetz zu tun hat, der aber sehr wohl die letzten Wortbeiträge im Hinblick auf die Formen der Bemessung von Wachstum und Wohlfahrt geprägt hat. Deshalb möchte ich zwei Dinge zur Diskussion ergänzen.

Einmal haben wir am Beispiel Griechenlands in der Tat gesehen, dass das Bruttoinlandsprodukt allein wirtschaftliche Stärke nicht messen kann, weil es vielleicht auch andere Faktoren gibt. Sie können das Bruttoinlandsprodukt mit bestimmten Faktoren in die Höhe treiben, die aber zu einer Wertschöpfung in einem Land nicht wirklich etwas beitragen. Das ist übrigens auch das Problem der sehr stark finanzbasierten Volkswirtschaften in Irland und Großbritannien gewesen.

(Beifall bei der CDU - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: So ist das!)

Allerdings liegt aus meiner Sicht die Gefahr des Wohlfahrts-BIP, das Sie vorgestellt haben, darin, dass die Grenze zum Selbstzufriedenheits-BIP viel zu fließend ist; denn Sie können in eine Situation kommen, in der Sie auf Wachstum verzichten und das Wohlfahrts-BIP in die Höhe schnellt, aber die Wettbewerbsfähigkeit leidet.

Das ist ein weiterer Punkt, um den es geht. Es geht um Wettbewerbsfähigkeit, und zwar unter den Konditionen, die ein Weltmarkt bietet. Insofern meine ich, dass allein die Frage des Wohlfahrts-BIP die Antwort nicht ist,

(Beifall bei CDU und FDP)

aber die Antwort ist natürlich, wie nachhaltig wir eine Wirtschaft gestalten. Damit ist übrigens der Bogen zu dem Mittelstandsförderungsgesetz in dem Sinne geschlagen, weil es um den Mittelstand geht.

Ich glaube, dass wir uns in diesem Hause alle einig sind, dass der Mittelstand tatsächlich eine sehr nachhaltige Form der Wirtschaft in diesem Land ist. Ich glaube, die guten Zahlen, die wir in der Tat heute beim Arbeitsmarkt haben, sind auch ein Verdienst des Mittelstands in Schleswig-Holstein, der nämlich während der Krise so gut wie gar nicht entlassen hat und während des Aufschwungs auch tatsächlich wieder einstellt. Das ist der Grund, wes

halb wir bei 7 % und unter 100.000 Arbeitslosen liegen, was ein sehr gutes Ergebnis für SchleswigHolstein ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb ging es der Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen darum, durch das Mittelstandsförderungsgesetz dem Mittelstand im Lande noch einmal den Rücken zu stärken. Es ist von der Opposition die Frage gestellt worden, ob man das braucht und ob das ein gutes oder ein schlechtes Gesetz ist. Dieses Mittelstandsförderungsgesetz regelt das für den Mittelstand, was Sie landesgesetzlich regeln können. Zugegebenermaßen können Sie das meiste nicht landesgesetzlich regeln. Dort, wo wir Handlungsspielräume und eine Kompetenz haben, müssen wir die auch nutzen. Ich glaube, das haben wir in den 16 Einzelparagrafen dieses Mittelstandsförderungsgesetzes auch tatsächlich getan. Es ist vor allen Dingen das Ordnungs- und Wettbewerbsrecht, das das Kernstück dieses Mittelstandsförderungsgesetzes ausmacht.

Das Mittelstandsförderungsgesetz, das wir haben, ist auch das Vergabegesetz des Landes SchleswigHolstein mit den §§ 14 und 15. Dort werden die Anforderungen, die an die Vergabe von öffentlichen Aufträgen sowohl vom Land als auch von den Kommunen zu stellen sind, beschrieben. Das ist nicht neu. Neu ist allerdings, dass Aufträge grundsätzlich in Losen vergeben werden sollen, um die mittelständischen Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge noch stärker zu berücksichtigen.

Neu ist auch die Aufnahme der Tariftreueverpflichtung in diesem Gesetz, nachdem das alte Tariftreuegesetz sich als europarechtswidrig erwiesen hat und auslaufen musste. Da wir die Tariftreueregelung rechtssicher gestalten wollen, haben wir genau die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs eingehalten. Es dürfen nunmehr öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die sich verpflichten, die Mindestarbeitsbedingungen, die aufgrund der Arbeiternehmerentsendegesetze festgelegt worden sind, einzuhalten beziehungsweise nach diesen Bedingungen Löhne zahlen. Das gilt übrigens auch für deren Nachunternehmer. Spätere Verstöße dagegen werden mit Sanktionen belegt.

Auch beziehen sich die Tariftreueregelungen nicht mehr auf die vorgegebenen Branchen, wie zum Beispiel die Baubranche, die Abfallwirtschaft oder den Verkehrsbereich. Nunmehr gelten die Regelungen nur noch für Bereiche, in denen es für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge gibt. Also

(Vizepräsidentin Dr. Gitta Trauernicht)

gelten sie derzeit nicht für den Schienenpersonennahverkehr oder den öffentlichen Personennahverkehr. Ich weiß, dass es dazu unterschiedliche Auffassungen gibt, die aber eben auch einer unterschiedlichen Rechtsauffassung entspringen. Ich bleibe bei meiner Rechtsauffassung und möchte mit dem Gesetz, das wir vorlegen und das gleich verabschiedet wird, einen rechtssicheren Weg vorschlagen.

Ich glaube, dass ein weiterer Punkt, der aus meiner Sicht wichtig ist und der auch zu kritischen Anmerkungen geführt hat, der Vorrang der privaten Leistungserbringung durch die mittelständische Wirtschaft in diesem Gesetz ist. Frau Poersch, das ist übrigens kein Vorrang der Privatisierung. In dem Gesetz steht nicht, dass Sie eine öffentliche Leistung, die eine Stadt oder wer auch immer vorhält, privatisieren müssen. Das bedeutet nur, dass es dann, wenn eine Stadt einen Auftrag vergibt, wenn sie eine Leistung von anderen erbringen lassen will, den Vorrang einer privaten Leistungserbringung geben muss. Das halte ich übrigens auch für zwingend erforderlich.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht ist das einer der Punkte, wo sich tatsächlich die Dinge auch trennen; denn wer dagegen ist, dass es einen Vorrang der privaten Leistungserbringung gibt, glaubt immer noch, dass der Staat der bessere Unternehmer ist.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)