Tariftreueregelungen durch einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn zu flankieren, widerspricht unserem Vorschlag in keinster Weise. Nichts spricht dagegen, heute in Schleswig-Holstein voranzuschreiten und später dann über eine Bundesratsinitiative in ganz Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen einzufordern. Schließlich wäre dies für Schleswig-Holstein sehr wichtig.
Eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der LINKEN hat ergeben, dass in Schleswig-Holstein 23,7 % der Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor arbeiten. Bei Frauen liegt der Anteil der Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnbereich bei 37,7 %. Das sind die höchsten Zahlen von allen Westbundesländern. Über 100.000 Menschen in Schleswig-Holstein würden von einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in ausreichender Höhe profitieren. DIE LINKE wird daher dem SPD-Antrag zum Mindestlohn zustimmen.
Wir finden es aber ein bisschen grotesk, dass die SPD ihre Zustimmung zu unserem Antrag verweigert hat. Jeder Tag mit einem Mindestlohn als Voraussetzung für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen wäre ein guter Tag für diejenigen Menschen in Schleswig-Holstein, die für die öffentliche Hand für Niedriglöhne arbeiten. Ich erinnere an dieser Stelle beispielhaft wieder einmal an die Pförtner hier im Landeshaus. DIE LINKE fordert, einen Mindestlohn von mindestens 10 € in der Stunde festzuschreiben - und dies so schnell wie möglich.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht überall dort, wo Tariftreue draufsteht, ist auch Tariftreue drin. Betrachtet man das Gesetz zur Förderung des Mittelstandes der Landesregierung, so ist allein dieser Gesetzentwurf schon ein Grund dafür, sich einen Wechsel der Landesregierung herbeizuwünschen, denn dieser Gesetzentwurf reduziert sich in der Frage der Tariftreue auf die Regelungen, die im Arbeitnehmerentsendegesetz zusammengefasst sind. Das ist aber bei Weitem nicht das Maximale, was sich herausholen ließe. Da ist zum einen die Möglichkeit, Bereiche mit in das Gesetz aufzunehmen, die nicht vom seinerzeitigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum niedersächsischen Vergabegesetz umfasst waren. Stellvertretend seien hier der ÖPNV und der SPNV genannt. Wir könnten hier immer noch die Tariftreue bezogen auf den Tariflohn und nicht auf irgendeinen Mindestlohn anwenden. Das heißt, hier könnten wesentlich höhere Standards gelten.
Weiter wäre es auch möglich gewesen, regionale branchenspezifische Tariflöhne hier in Schleswig-Holstein für allgemeinverbindlich zu erklären, um so die Tariftreue anwenden zu können, aber die Landesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf genau diese Möglichkeit verbaut und war auch nicht bereit, hier im Sinne der Beschäftigten und der Unternehmen eine konzeptionelle Grundlage zu schaffen. In den meisten Branchen wäre es kein Problem gewesen, mit den Arbeitgebern und Gewerkschaften zu einer regionalen Lösung zu kommen. Das Engagement der Landesregierung war hierbei aber gleich null. Das ist umso schmerzlicher, als schon im vergangenen Jahr durch uns eine Kompromisslösung aufbauend auf das damals bestehende Tariftreuegesetz in den Landtag eingebracht und von der Mehrheit des Haus abgelehnt wurde.
Wir werden also für die nächsten Monate eine tariftreuelose Zeit haben, obwohl alle Oppositionsparteien sich aktiv an der Diskussion beteiligt haben und viele Anzuhörende in den verschiedenen Anhörungen zum Thema eindeutig die Auffassungen und Positionen der Opposition geteilt haben. Es gibt somit einen übergreifenden Konsens, dass Tariftreue wichtig und notwendig ist, und es wird eine
der dringendsten Aufgaben einer neuen Regierung sein, diesen tariftreuelosen Zustand in SchleswigHolstein so schnell wie möglich zu beenden.
Neben vielen Einzelfragen zog sich vor allem die Frage nach der Notwendigkeit eines gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohns durch die Beratungen. Wir haben immer gesagt, dass wir es uns wünschen würden, dass der Mindestlohn durch die Tarifpartner ermittelt würde. Wir können uns auch branchenspezifische Mindestlöhne denken, und bei einer bundesweiten Tariftreuelösung könnte der Mindestlohn sich sogar am vereinbarten Tariflohn orientieren. Dann wären wir ganz nah an den skandinavischen Lösungen.
Das, was wir feststellen können, ist, dass es keine einheitliche Meinung dazu gibt, ob man auf Landesebene, wie in einigen Bundesländern im Rahmen von Vergabegesetzen geschehen, Mindestlöhne festschreiben darf oder ob dies ausschließlich in der Kompetenz des Bundes liegt. Gefühlsmäßig würde ich sagen, dass der überwiegende Teil der Rechtsprechung eher zur Bundeslösung tendiert. Wenn dies so ist, dann geht der Antrag der SPD natürlich in die richtige Richtung. Dann muss es auf Bundesebene eine wie auch immer geartete Mindestlohnlösung geben. Die Frage ist dann: Darf es nur einen geben, oder müsste es branchenspezifische Mindestlöhne geben? - Und wer legt diese fest?
Dass eine unabhängige Kommission den oder die Mindestlöhne überprüft und in der Höhe anpasst, ist ein vernünftiger Gedanke. Wir haben dies schon in mehreren Debatten angeregt, weil es die Chance bietet, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften in einer solchen Kommission ebenfalls vertreten sind und dass so die Tarifautonomie gewahrt bleiben kann.
Ob man allerdings dabei mit einem gesetzlichen Mindestlohn auskommt, ist immer noch unsicher. Ein einziger Mindestlohn kann in manchen Branchen, in denen es derzeit noch gute Löhne gibt, zu einer Abwärtsspirale führen. Darüber sollten wir deshalb im Ausschuss noch einmal beraten.
Abschließend möchte ich noch einmal deutlich machen, dass wir mit dem vom SSW seinerzeit initiierten Tariftreuegesetz schon wesentlich weiter waren, als wir es mit dem Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz von CDU und FDP sein werden. Rückschritte sind bekanntermaßen etwas, was wir uns gar nicht leisten können. Deshalb muss es in der neuen Wahlperiode wieder Fortschritte in unse
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion hatte mich gewarnt, dass ich allein fünf Minuten Redezeit brauchen würde, um zu erläutern, warum meine Fraktion im Wirtschaftsausschuss zu einzelnen Punkten auf eine bestimmte Weise abgestimmt hat und es auch jetzt tun wird. Sie werden es gleich sehen. Einen Punkt muss ich aber doch erläutern. Er richtet sich an den Kollegen Dr. Tietze.
Die Überschrift lautet im Grunde: die Entdeckung der ILO-Kernarbeitsnorm. Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass wir uns im Wirtschaftsausschuss bei der Abstimmung über Ihren Änderungsantrag zum Gesetzentwurf enthalten haben. Das hatte den Grund, dass wir den Gesetzentwurf der Regierung so schlecht fanden, dass wir ihn nicht dadurch adeln wollten, dass wir daran herummachen. Wenn Sie dies nachlesen wollen: In unserem Gesetzentwurf ist in § 17 sehr wohl die ILO-Kernarbeitsnorm enthalten. Unser Gesetzentwurf lag um einiges früher auf dem Tisch als der Gesetzentwurf der Regierung.
Es ist mir einfach wichtig, dass wir nicht gerade heute entdecken, dass es hier Übereinkünfte anzuerkennen gibt, die sich gegen Zwangsarbeit, gegen Kinderarbeit und gegen andere schlimme Dinge richten. All dies hat die SPD schon ganz früh in ihrem Gesetzentwurf gehabt. Alles andere, was die Abstimmungen angeht, werden Sie gleich sehen. Diesen Punkt nehmen Sie aber bitte zur Kenntnis.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Dr. Tietze muss es sich selbst zuschreiben. Er hat mit seinem komödiantischen Beitrag erreicht, dass ich mich noch einmal zu Wort melde.
Herr Kollege Tietze, ich halte Sie für durchaus intelligent. Insofern hätte ich erwartet, dass Sie unsere Haltung zur Kernenergie in den vergangenen Jahren zumindest zur Kenntnis genommen hätten und nicht das Gegenteil behaupten würden. Das ist aber nicht der Grund für meine Wortmeldung. Grund ist vielmehr, dass Sie hier so ein bisschen den Klassenkampf ausgepackt haben. Sie wollen das, was wir an Beiträgen zum Thema Mindestlohn und Lohnuntergrenze - wie immer man das Kind auch nennt - geleistet haben, anscheinend auch nicht zur Kenntnis nehmen. Das finde ich schon bemerkenswert.
Ich habe auf die Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Bäckereihandwerk hingewiesen. Sie zeigt, dass es besser nicht sein kann. Die Tarifpartner, die Wirtschafts- und Sozialpartner, einigen sich, und der Staat erklärt dies für allgemeinverbindlich. Das ist aus unserer Sicht ein vorbildlicher Weg, den auch andere Branchen gern gehen können.
Werter Herr Kollege Vogt, es ist ja interessant, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie als Vertreter der FDP jetzt für Mindestlöhne sind. Was schwebt Ihnen denn da so vor?
- Ich glaube, ich habe das bereits gesagt. Sie sollten an Ihrem Vermögen arbeiten, anderen Leuten zuzuhören. Ich habe bereits in meinem Redebeitrag gesagt, dass es differenzierte Lösungen geben muss, dass die Branchen natürlich auch regionalspezifisch sein müssen. Insofern habe ich auch das Modell gerade aus dem Bäckereihandwerk in Schleswig-Holstein gelobt. Das ist ein Weg. Wir können uns auch gern über weitere Formen unterhalten.
Herr Kollege Tietze, ich möchte auch gern auf den weiteren Inhalt ihrer Wortmeldung eingehen. Sie haben ja Ihre Wirtschaftspolitik modern genannt. Das finde ich toll. Alles, was die Grünen machen, ist gleich modern, das ist toll, ohne dass Sie dies hier großartig belegen. Sie haben ja auch Ihren grünen Wohlfühlindex vorgestellt. Ich habe mir das auch durchgelesen, ich habe mir das angetan.
hen. Ich glaube, neben der linken Wachstumsskepsis der vergangenen Jahrzehnte, wie sie dort Anklang findet und was ich nicht gerade modern finde, sind dort auch andere altbackene Elemente linker Wirtschaftspolitik zu finden. Herr Dr. Tietze, wir haben uns dazu ja auch medial geäußert. Natürlich ist das Bruttoinlandsprodukt nicht fehlerfrei.
Nebenbei gesagt, finde ich Ihr plakatives Beispiel mit dem Autounfall einigermaßen geschmacklos. Aber ich möchte auf jeden Fall betonen, dass auch wir es so sehen, dass das Bruttoinlandsprodukt ergänzt werden muss um die Aspekte öffentliche Finanzen und finanzielle Nachhaltigkeit und, Frau Heinold, natürlich auch Umweltaspekte. Aber Ihre Studie, die Sie da haben erarbeiten lassen, verfehlt das Ziel einer sinnvollen Ergänzung wirklich deutlich. Insofern, das muss ich ganz ehrlich sagen, finde ich, dass Ihr Vorstoß ja ganz nett ist. Sie können das hier auch ganz toll verkaufen. Aber ich glaube, das ist mehr eine Rechtfertigung Ihrer schlechten Wirtschaftspolitik. Insofern, glaube ich, ist das eher eine komische Randnote in der Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein.
Lieber Kollege Vogt, können Sie mir mal die Gesetzesgrundlage nennen, auf der der Minister Dr. Garg den Mindestlohn des Bäckerhandwerks für allgemeinverbindlich erklärt hat? Meines Wissens nach ist das eigentlich nur möglich auf Bundesebene. Insofern würde ich gerne mal wissen, weil Sie das ja hier immer so loben und gerne anführen, auf welcher Gesetzesgrundlage das gewesen ist.
- Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich das nicht genau beantworten kann, da ich keine so tolle juristische Ausbildung habe wie Sie wahrscheinlich. Insofern kann ich das an dieser Stelle nicht beantworten. Ich halte es trotzdem für einen guten Weg. Sollte es juristisch umstritten sein, kann auch die SPD das gerne öffentlich kritisieren. Ich habe davon noch nichts gehört.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weil eben davon richtigerweise die Rede war, dass Menschen von ihrem Einkommen leben können sollen, will ich - der Herr Kollege Kalinka hat es in einem seiner letzten Debattenbeiträge gesagt, eben auch noch einmal durch einen Zwischenruf - deutlich auch auf die Beschlusslage der Landes-CDU seit einigen Jahren hinweisen, damit sich das auch im Protokoll wiederfindet. Der Unterschied ist allerdings folgender: Wir sagen immer - ich habe das auch in der Rede gesagt -: Wir haben auch die Tarifautonomie, die ein hohes Gut in der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist, zu beachten. Insofern, lieber Herr Kollege Harms, stehen wir nicht in einer tariftreuelosen Zeit. Auch dieser Hinweis ist mir sehr wichtig. Wir haben eine rechtliche Grundlage für Tariftreueregelungen, die EU-konform und aus unserer Sicht absolut rechtssicher ist. Man kann darüber streiten, ob der SPNV, also der Schienenpersonennahverkehr, möglicherweise mit hineingehört; darüber gibt es ja unterschiedliche Rechtsauffassungen. Wir sind der Auffassung, dass es rechtlich problematisch wäre. Aber eine tariftreuelose Zeit haben wir nicht.
An die SPD gewandt möchte ich Folgendes sagen: Sie scheinen eine als einen Ihrer größten Erfolge gefeierte Entscheidung in der Großen Koalition schlichtweg vergessen zu haben. Entweder haben Sie sie vergessen, oder Sie trauen Ihrer damaligen Forderung nicht das zu, was Sie sich davon versprechen, nämlich die Regelung von verbindlichen Lohnuntergrenzen über das Mindestarbeitsbedingungengesetz. Davon ist heute überhaupt noch nicht die Rede gewesen. Wenn ich es richtig weiß, dann gibt es derzeit in der Call-Center-Branche entsprechende Bemühungen, eine verbindliche Lohnuntergrenze auf Basis dieser Rechtsgrundlage einzuführen, in die auch die Tarifpartner einbezogen sind.