Die Zeiten der ungebrochenen lebenslangen Erwerbsbiografien sind vorbei. Notwendig sind armutsfeste Renten. Wir meinen damit armutsfeste gesetzliche Renten, die es auf der Grundlage von Minijobs und Gelegenheitsbeschäftigungen nicht gibt. Armutsfeste Renten setzen sozialversicherungspflichtige und existenzsichernde Arbeitsverhältnisse voraus. Die Schwelle einer existenzsichernden Rente wird durch die Anhebung des Rentenalters auf 67 um zwei Beschäftigungsjahre angehoben. Es ist klar: Eine Alterssicherung, die von vornherein auf gesetzliche Renten plus private Vorsorge gestützt ist, zeichnet den Weg in die Altersarmut für all jene vor, die irgendwann aus der lückenlosen Erwerbstätigkeit herausfallen.
Wer unter den Bedingungen von Armut trotzdem arbeitet, kann zusätzliche private Rentenversicherungen nicht bezahlen. In allen Kommunen steigt die Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter an. Altersarmut entwickelt sich zu einem breiten Problem.
Wir sollten nicht vergessen, dass sich darin eine über die Jahrzehnte verfolgte Unternehmensstrategie ausdrückt, Belegschaften immer weiter zu verjüngen und die älteren Arbeitnehmer so schnell wie möglich aus dem Arbeitsprozess auszumustern. Diese Unternehmenspolitik hat auch damit zu tun, dass infolge von Konkurrenz und Rationalisierungsdruck die Reserven aus dem Arbeitstag herausgequetscht wurden. Die Leistungsanforderungen sind heute so hoch, dass wir altersgerechte Arbeitsplätze benötigen.
Die Beschäftigungschancen hängen bei älteren Menschen im Übrigen genauso wie bei allen Beschäftigten vom Qualitätsniveau ab. Das ist eine Binsenweisheit, wird aber an der Stelle zum Problem, wo der Bedarf an Schonarbeitsplätzen gerade bei gering Qualifizierten besonders hoch ist, die üblicherweise auf Arbeitsplätzen tätig sind, die über Jahre zu körperlichem Verschleiß führen. Gerade diese Arbeitsplätze fehlen aber, und sie werden immer weniger.
Die Landesregierung geht im Bericht davon aus, dass eine aktive und präventiv ausgestaltete Arbeitsmarktpolitik einen hohen Wirkungsgrad erzielen kann. Dann fragen wir uns, warum die Bundesregierung über ihre Kürzungspolitik die Möglichkeiten der aktiven Arbeitsmarktpolitik zusammengestrichen hat.
Die Landesregierung hat die Gelegenheit unseres Berichtsantrags genutzt, um auf die Bedeutung der älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen für die Sicherung des Arbeitskräfteangebots hinzuweisen. Wenn wir heute die Zeitung aufschlagen - Herr Minister Garg hat darauf Bezug genommen - und die aktuellen Arbeitsmarktzahlen sehen, sieht das Bild ganz anders aus: Die Arbeitslosenzahlen sinken, aber sie steigen bei den über 55-Jährigen, im vergangenen Jahr um 9,7 %, also bewegt sich der Trend gegen die älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
Auch der Bericht zeigt: Wir müssen eine aktive Arbeitsmarktpolitik für die älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gestalten. Wir brauchen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, und wir brauchen einen öffentlichen Beschäftigungssektor.
Wir sollten die Lebenserfahrung der älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nutzen, um hier besser zu werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte fast gesagt: Herr Kollege, kommen Sie erst mal in mein Alter!
2005 gab es in Schleswig-Holstein 180.000 Arbeitslose, 2011 sind es weniger als 100.000. Dies ist eine Erfolgsstory. Das besonders Gute daran ist: Die Entwicklung geht nicht an den Älteren vorbei, auch sie profitieren von dieser Entwicklung. Ich zitiere aus dem Bericht der Landesregierung: Mehr als 26 % der Beschäftigten sind über 50 Jahre alt. Seit 2000 ist dies eine Steigerung von 34 auf 42 %, auf das Jahr 2009 umgerechnet. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist seit 2008 um mehr als 10 % in dieser Altersgruppe gestiegen. - Das sind gute Zahlen. Das zeigt eine deutliche Tendenz.
Ältere sind ein besonderer Gewinn für den Arbeitsmarkt, wenn man dies nutzt. Die Bundesregierung hat es wie folgt ausgedrückt: Ältere sind leistungsfähig und motiviert, sie verfügen über langjährig erworbene fachliche Kompetenzen, ein umfassendes Erfahrungswissen und hohe Sozialkompetenz.
Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass auch die Betriebe in Schleswig-Holstein einiges tun. Ich erwähne beispielhaft altersgemischte Teams in Betrieben, flexible Alterszeitmodelle in starkem Maße, Job-Sharing, organisierten Wissenstransfer. Das sind Beispiele aus der Praxis in Schleswig-Holstein, vor denen wir uns nicht verstecken sollten.
Dass in der Aus- und Weiterbildung die Älteren nicht ganz so intensiv dabei sind, ist doch ganz normal, weil sie schlichtweg Erfahrung und Kompetenz haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich brauche keine Weiterbildung mehr, um hier manche Rede halten zu müssen oder zu können.
(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Dr. An- dreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man lernt nie aus! - Weitere Zurufe)
Wir haben im Februar 2011 rund 26.700 Langzeitarbeitslose in Schleswig-Holstein gehabt. Frau Kollegin, Gott sei Dank ist auch hier eine positive Entwicklung in Schleswig-Holstein sichtbar. Wir hatten 2006 rund 52.000 Langzeitarbeitslose. Die Lage hat sich - ich zitiere aus dem Bericht, Herr Minister - deutlich verbessert. Insofern ist die Gesamtsituation im Bereich der über 50-Jährigen positiv, auch dank vieler Förderprogramme und unterstützender Hilfen.
Gleichwohl haben es Langzeitarbeitslose - das liegt in der Natur der Sache - schwerer, und Langzeitarbeitslose werden es auch künftig in bestimmten Bereichen schwer haben, gute Arbeitsbeschäftigungen zu bekommen.
Das Thema Arbeitsmarkt für Ältere ist nicht nur eine Frage der Zahlen, es ist auch eine Frage der Inhalte und Gewichtungen. Ältere werden immer vitaler. Wir haben heute eigentlich nicht mehr drei, sondern vier Generationen. Das ist eine Chance für die Wirtschaft. Wir haben mehr Gesundheitsbewusstsein. Das muss auch in den Betrieben deutlich werden. Denn wer älter wird, hat andere körperliche Voraussetzungen. Die Zahl derer, die frühzeitig in Rente gehen, wird geringer werden. Das liegt nicht nur am Altersbereich, sondern auch an der
Ältere haben gute Chancen, wenn man sie an der richtigen Stelle arbeiten lässt. Es liegt im Wesentlichen auch an einem selbst, wie man dies sieht. Wenn jemand Lust und Freude an Arbeit hat, dann läuft es besser, als wenn er es nicht hat. Ich habe eine Nachbarin, die morgens um sieben in den Garten geht. Das Schöne ist, sie macht einen Teil unseres Gartens gleich mit, weil sie Lust und Freude hat, zu arbeiten und etwas zu tun, weil sie es ihr Leben lang getan und Spaß daran hat.
Die Frage, mit welcher Einstellung man an diese Dinge herangeht, ist wichtig und wertvoll, die Dinge nicht allein in Freizeit zu sehen, sondern auch in anderen Fragen. Man ist so alt, wie man sich fühlt.
Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, Probleme nicht zu verschweigen. Ich kann das ergänzend hinzufügen. Wir sollten nicht übersehen, dass auch Generationenzusammenarbeit manche Konflikte in sich birgt, die in der Natur der Sache liegen. Wir sollten nicht übersehen, dass gerade manche Ältere über Mobbing klagen, dass sie über Ausgrenzung klagen. Das sind Themen, die in Betrieben und zum Teil auch in Verwaltungen Wirklichkeit sind. Dies darf man nicht übersehen. Auch die Arbeitsverdichtung stellt manche Ältere vor größere Herausforderungen als Jüngere. Eines ist auch klar: Es gibt Arbeiten, die man in einem bestimmten Alter nicht mehr machen kann. Man kann mit 67 nicht mehr aufs Dach steigen, und deswegen muss der Polizeibeamte bei uns mit 57 nicht mehr in den Nachtdienst. Das ist auch richtig und gut so.
Deswegen sollten wir flexible Arbeitszeitmodelle und die Wahlfreiheit weiter als wichtig ansehen. Wenn man früher in Rente oder Pension geht, hat man übrigens deutliche Abschläge hinzunehmen. Das wird in dieser Diskussion häufig vergessen. Mancher will mehr Flexibilität, weil er Zeit für die Enkelkinder haben möchte, vielleicht auch, weil er jemanden pflegt oder einfach Zeit für sich selbst haben möchte. Dies alles spielt eine große Rolle.
Frau Präsidentin, mein letzter Satz: Man wird schneller älter, als man denkt. Aber dies ist auch eine Chance, wenn man das weiß, wenn man das sieht und wenn man danach lebt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einem Zitat aus dem vorliegenden Bericht der Landesregierung beginnen. Auf Seite 15 heißt es:
„Insgesamt ist davon auszugehen, dass sowohl die Beschäftigungschancen Älterer steigen als auch die Beschäftigungsquoten in der Altersgruppe 50 plus zunehmen werden. Dies erfordert eine aktive arbeitsmarktpolitische Begleitung und Unterstützung.“
Sehr wohl und sehr richtig formuliert! Nur: Warum folgt dann nicht der Aufschrei über die Streichungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik durch die Bundesregierung? Insgesamt werden durch die Bundesregierung die finanziellen Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik nämlich in diesem Jahr um 1,3 Milliarden € gekürzt,
Erstens. Bei der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach dem SGB III wird die Aufstockung für die Rentenversicherung ersatzlos gestrichen. Damit wird deren Bereitschaft, geringer entlohnte Jobs anzunehmen, praktisch auf null gesenkt.
Zweitens. Die Eingliederungsgutscheine für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden gestrichen.
Drittens. Die Maßnahmen zur Aktivierung beruflicher Eingliederung werden von Pflicht- in Ermessensleistungen umgewandelt.
Das sind nur einige Punkte, mit denen die Bundesregierung bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik gnadenlos kürzt.