Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

Herr Abgeordneter, erlauben sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. von Abercron?

Herr Kollege, stimmen Sie mir zu, dass das CCSGesetz europarechtlich geboten ist? Wenn ja, wie wollen Sie das dann umsetzen, wenn Sie das nur ablehnen wollen. Haben Sie einen Gegenvorschlag?

- Herr Dr. von Abercron, wenn Sie die EU-Richtlinie, die auf nationaler Ebene der Umsetzung dieses Gesetzentwurfs dient, gelesen hätten, würden Sie dort eine Passage finden, die es den nationalen Regierungen ermöglicht, CCS-Technik im Geltungsbereich ihres Staates auszuschließen. Wir empfehlen, das zu tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Ich erläutere Ihnen, warum die Länderklausel aus ganz einfachen rechtlichen Überlegungen nicht ziehen kann. Das CCS-Gesetz, das die Ermöglichung dieser Technologie zum Ziel hat, verlagert die Flächenauswahl auf die Landesebene: Das ist der Vorgang. Das CCS-Gesetz verlagert die Flächenauswahl auf die Landesebene.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie nunmehr eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Damerow?

Darf ich den Gedanken noch zu Ende führen, Frau Kollegin? - Wir verlagern das auf die Länderebene. Wer meint, in Deutschland sei Verhinderungsplanung erlaubt, der hat unser Rechtssystem nicht be

(Oliver Kumbartzky)

griffen, Herr Kubicki. Da hilft auch kein Jurastudium. Wer anderes behauptet, tut das nicht als Jurist, sondern als Politiker, von dem das Volk weiß, was es von ihm zu halten hat.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Bitte, Ihre Zwischenfrage!

Herr Kollege Matthiessen, würden Sie mir bitte erklären, warum die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag dem Antrag der LINKEN, CCS bundesweit auszuschließen, in namentlicher Abstimmung nicht gefolgt ist?

- Ich vermute einmal, dass das mit den komplexen Wegen und Wirrungen der Politik zusammenhängt, die auch uns hier im Landtag bekannt sind.

(Heiterkeit und Zurufe von CDU und FDP)

Wir wissen ja alle, wie es ist. Es gibt zum Beispiel die vom Kollegen von der FDP richtig zitierte Klausel im Koalitionsvertrag von NordrheinWestfalen, wo in der Tat eine Erprobung der CCSTechnologie zugelassen wird, allerdings nicht für Kohle - es wird dort ausdrücklich für Kohleverfeuerung in Kraftwerken ausgeschlossen -, sondern für den Bereich der Prozessenergie, also Stahlgewinnung, Kupferverhüttung und so weiter. Ich kenne den konkreten Hintergrund nicht und kann Ihnen nur meine Vermutung als Antwort anheimstellen, dass dem dort mit Rücksicht auf die gesamtpolitische Lage und die verschiedenen Koalitionsverpflichtungen nicht zugestimmt wurde.

(Zurufe von der FDP)

Genauso widersprüchlich ist natürlich das Verhalten der LINKEN, die dem im Bundesrat zustimmt und in der Landespolitik die CCS-Technologie befürwortet, um EU-Zuschüsse abzugreifen, das ist wohl der wesentliche Hintergrund in Brandenburg. So ist die Politik. Was soll ich Ihnen anderes darauf antworten?

(Heiterkeit und Beifall)

Natürlich gibt es in Schleswig-Holstein aus Sicht der Kohleindustrie geeignete Einlagerungsräume, sonst hätte RWE Dea keinen Antrag auf Erforschung von Lagerstätten in unserem Land gestellt. Da wird es verdammt schwer, in einem Flächenplan so viel Tourismus und so viel Natur nachzuweisen, dass wir wirklich für das ganze Land rechtssicher und dauerhaft eine CCS-Technik und -einlagerung

ausschließen können. Das ist schlicht nicht möglich; das unterstreichen die vielen Gutachten.

Meine Damen und Herren, die unsichere Länderklausel ist Ihnen so wertvoll, dass Sie andere Gefahren in dem Gesetzentwurf ignorieren. Ist es Ihnen egal, welche Folgen die Verbringung gigantischer CO2-Mengen unter dem Meer vor SchleswigHolsteins Küsten haben kann? Ist es Ihnen egal, welche Folgen die Haftung des Landes für Spätfolgen der CO2-Verpressung haben kann? Wird schon gut gehen, oder?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gerade nicht!)

Andere Bundesländer handeln nicht so verantwortungslos, andere Bundesländer, und zwar die Mehrheit von ihnen, lehnen den Gesetzentwurf ab.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung handelt halbherzig und widersprüchlich. Sie will neue große Kohlekraftwerke in Brunsbüttel bauen lassen. Diese sollen „CCS-ready“ gebaut werden für eine Nachrüstung mit CCS. Die Landesregierung steht also positiv zur CCS-Technologie und hält sie für zukunftsfähig.

Die Landesregierung will im Bundesrat einer Risiko-Technik zustimmen, die sie aber im eigenen Land nicht ausprobieren will. Das ist doch schizophren. Wo soll das CO2 aus schleswig-holsteinischen Kraftwerken denn hin?

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Nach Brandenburg etwa, wie Minister de Jager hier im Landtag auf meine Nachfrage schon einmal ausführte?

(Christopher Vogt [FDP]: Ihre Freunde aus NRW wollen das hierher bringen!)

Da werden die Brandenburger aber ganz schön jubeln.

Wo soll die CO2-Pipeline verlaufen? Die Landesregierung hat ihre CO2-Politik jedenfalls nicht zu Ende gedacht.

Tiefengeologen vermuten eine großräumige Kommunikation der sogenannten tiefen salinen Aquifere. Und eine Gefährdung der Trinkwasservorkommen in Küstennähe liegt doch auf der Hand, wenn nicht durch CO2, Herr von Abercron, dann aber vielleicht doch durch die 30-prozentige Salzlösung, die im großen Umfang aus den Lagerstätten herausgepresst wird. Wo soll die gewaltige Menge Salz denn hin? Es wird sicherlich - nach Ihrer Annahme - um unsere Grundwasservorräte einen

(Detlef Matthiessen)

großen Bogen machen! - Ist Ihnen das egal? Geht es Ihnen um das CCS-Gesetz? Oder geht es um Wählerberuhigung?

Neben Umweltgefahren macht CCS im Übrigen auch energiewirtschaftlich keinen Sinn, man muss für dieselbe Strommenge 1,3 t verbrennen statt einer. Wir alle wissen: Strom wird nicht billiger. Dafür haben die Bürger auch Verständnis. Aber niemand will den CCS-Unsinn bezahlen. Das Märchen von der sauberen Kohle ist und bleibt eine dreckige Lüge!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Flemming Meyer [SSW])

Und ich sage Ihnen auch: Greenpeace draußen vor dem Tor des Landtages verteidigt die Interessen Schleswig-Holsteins jedenfalls in dieser Frage mehr als die Landesregierung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Atom und Kohle sind von gestern. Stimmen Sie, Herr de Jager und Herr Carstensen, im Bundesrat gegen das CCS-Gesetz!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW sowie vereinzelt bei SPD und der LIN- KEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Ulrich Schippels das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei Frau Damerow von der CDU dafür bedanken, dass sie noch einmal darauf hingewiesen hat, wer im Bundestag eindeutig gegen die CCS-Technologie ist und wer sich da windelweich heraushält. - Frau Damerow, ich wäre nicht auf die Idee gekommen - danke schön für die Hilfe. Außerdem möchte ich Herrn Matthiessen für die ehrliche Antwort danken.

Meine Damen und Herren, die Länderklausel ist und bleibt eine Luftnummer. Wir diskutieren jetzt schon zum x-ten Mal über das Thema. Bei Ihnen bewegt sich leider immer noch nichts. Deswegen werden wir wahrscheinlich auch noch länger darüber diskutieren müssen.

Die gemeinsame Pressekonferenz von Greenpeace und BUND vor wenigen Tagen hier im Landeshaus

hat genau das bestätigt, was eigentlich jeder von uns und jede von uns wissen müsste: Das CCS-Gesetz, das am 23. September 2011 verabschiedet wird, wird weitreichende Folgen auch für uns haben, wenn es denn verabschiedet wird. Zum Glück gibt es ja zurzeit noch eine andere Entwicklung, und wahrscheinlich landet das Ganze im Vermittlungsausschuss.

Sollte das Gesetz aber verabschiedet werden, kann Schleswig-Holstein nicht verhindern, dass es zukünftig Lagerstätten für CO2 in Schleswig-Holstein geben wird. Mehr müsste zu dem Thema eigentlich nicht gesagt werden, wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, die richtige Konsequenz aus dieser einfachen Tatsache ziehen würden. Aber Sie machen es nicht, und auch die Landesregierung windet sich.

Sie müssten das CCS-Gesetz ablehnen, Sie müssten mit Ihren Bundestagsabgeordneten sprechen und die Ablehnung des Gesetzentwurfs anraten. Das wäre verantwortungsvolle Politik für das Land. Sie sind dazu offensichtlich nicht in der Lage. Herr Kumbartzky, es geht nicht darum, den Wortlaut eines Koalitionsvertrages zu erfüllen, sondern es geht darum, Schaden von unserem Land abzuwenden.

(Beifall bei der LINKEN und SSW - Christo- pher Vogt [FDP]: Das muss ja kein Wider- spruch sein!)

- Doch, das ist ein Widerspruch in diesem Falle, und wenn ich gleich darauf komme, werde ich es Ihnen erläutern.

Wir wissen alle: Es gibt die Karten der Bundesanstalt für Geowissenschaften. CO2 soll im Wattenmeer unter dem Meeresgrund gelagert werden. Die möglichen Gefahren sind uns alle bekannt. In einem Radius von 100 km - das ist weit mehr als die 12-Meilen-Zone - kann es zum Aufstieg von stark salzhaltigem Wasser kommen mit Ein- und Auswirkungen auf Tourismus, Fischerei, Meeresumwelt und vielleicht sogar auf die Trinkwasservorkommen in Küstennähe.

Übrigens kann es nach Expertenmeinung - auch das ist hier schon gesagt worden, aber es kann nicht oft genug gesagt werden - bis zu 80 Jahre dauern, bis die Schäden durch die CO2-Verpressung auftreten, aber der jetzige Gesetzentwurf lässt die Betreiber schon nach 30 Jahren aus der Verantwortung. Wie soll das denn zusammengehen? Noch einmal: Radius 100 km, Auswirkungen auf den Tourismus, Fischerei und Meeresumwelt - da hilft dann auch der Wortlaut im Koalitionsvertrag nicht, da müssen Sie nachbessern. Sie wollen uns aber die sogenann