Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Kooperation mit Hamburg knirscht es im Moment gewaltig. Wir haben dies hier an mehreren Stellen diskutiert. Der Streit um die HUSUM Wind hat gezeigt, dass es keine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gibt. Außerdem fehlen Strukturen, um die Kommunikation bei gegenläufigen Interessen aufrechtzuerhalten. Das ist mehr als bedauerlich. Wir müssen lernen, miteinander zu reden und nicht allein vorzupreschen. Nur gemeinsam sind wir in vielen Feldern stärker als allein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der Abgeordneten Ingrid Brand- Hückstädt [FDP])

Wie erreichen wir solche Strukturen, und wie finden wir überhaupt heraus, an welchen Punkten es gut ist, einen gemeinsamen Weg zu gehen? Wann lohnt es sich zu kooperieren oder Einrichtungen gemeinsam zu betreiben?

Die Enquetekommission „Norddeutsche Kooperation“ geht genau diesen Fragen nach. Schon im Arbeitsprozess der Enquete ist sehr deutlich geworden, dass die Fraktionen ganz unterschiedliche Bewertungen treffen.

Die SPD schlägt in ihrem Antrag einen gemeinsamen Ausschuss mit Hamburg vor, aus beiden Ländern mit je 13 Mitgliedern, also so wie Landtagsbeziehungsweise Bürgerschaftsausschüsse besetzt.

Der Ausschuss soll sowohl gemeinsame Einrichtungen kontrollieren als auch neue Kooperationsprojekte entwickeln. Der Antrag geht inhaltlich für uns Grüne in die richtige Richtung. Er verankert gemeinsame Sitzungen und zeigt, dass es uns ernst ist mit dem Kooperationsgedanken. Er überlässt Entscheidungen über Länderkooperationen nicht Verwaltung und Regierungshandeln, sondern unterstellt sie der parlamentarischen Kontrolle. Das finden wir gut und richtig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Auch für die Idee der CDU aus Schleswig-Holstein und Hamburg haben wir Sympathie. Sie schlägt einen Ausschuss vor, der paritätisch mit je einem Mitglied jeder Fraktion beider Länder besetzt sein soll. Für ein Arbeitsgremium ist das eine gut handhabbare Größe. Im Sinne der Fachlichkeit einmal auf politische Mehrheitsverhältnisse zu verzichten, halten wir Grünen für eine bemerkenswerte Idee.

Ein gemeinsamer Ausschuss ist der richtige Weg. Der SPD-Antrag lässt aber zu viele Fragen offen:

(Beifall des Abgeordneten Markus Matthie- ßen [CDU])

Auf welcher rechtlichen Grundlage wird dieser Ausschuss eingerichtet? Wie soll die Kontrolle der gemeinsamen Institutionen erfolgen? Nehmen wir das Beispiel Dataport: Wer würde über das Budget entscheiden, wer über die Ausweitung auf weitere Länder, wer über strukturelle Veränderungen, wer über Aufgabenerweiterungen, wer über die Personalfragen? Geben die Landtage Entscheidungskompetenzen an den Ausschuss ab, oder bereitet der gemeinsame Ausschuss nur Beschlüsse vor, die letzten Entscheidungen werden aber wieder in den Landesparlamenten oder Landesregierungen getroffen? Ähnlich ist es mit der Planung zukünftiger gemeinsamer Projekte: Was passiert mit einer Kooperationsidee des gemeinsamen Ausschusses? Wer entscheidet letztlich darüber?

Um es klarzustellen: Wir sind keine Bedenkenträger. Im Gegenteil! Wir sehen eine vertiefte Kooperation als unbedingt notwendig an. Deshalb haben wir einen Antrag gestellt, mit dem gemeinsame Ausschüsse in der Verfassung verankert und damit legitimiert werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns ist bewusst, dass eine Verfassungsänderung eine breite Mehrheit im Parlament benötigt. Diese breite Mehrheit ist zwingend erforderlich und wäre ein wichtiges Signal. Sie würde deutlich machen,

(Martin Habersaat)

dass wir eine enge Kooperation im Norden tatsächlich wollen. Dieses Startsignal wollen wir mit unserem Antrag geben. Wir sehen die engen Vernetzungen im norddeutschen Raum sowohl in der Gesellschaft als auch in der Wirtschaft. Die Politik muss dieser Entwicklung endlich Rechnung tragen und Kooperationen voranbringen. Das hat auch die Arbeit in der Enquetekommission „Norddeutsche Kooperation“ gezeigt.

Unser Gesetzentwurf wird im Innen- und Rechtsausschuss beraten werden. Ich finde es wichtig, dass sich auch die Enquetekommission damit befasst.

(Ingrid Brand-Hückstädt [FDP]: Ach!)

Dort haben wir viele Expertinnen und Experten gehört, die wichtige gemeinsame Themenfelder und Projekte, die in ein Kooperationskonzept hineingehören, klar benannt haben. Deshalb halten wir es für wichtig, die vorliegenden Anträge in allen Gremien zu diskutieren und auch in unsere Abschlussbewertungen einzubeziehen.

Mit einem gemeinsamen Ausschuss ersetzen wir nicht die Aufgabe der Parlamente; wir schaffen lediglich ein parlamentarisches Arbeitsgremium, das legitimiert ist, länderübergreifend konkrete Maßnahmen und Schritte für eine verstärkte Kooperation zu entwickeln. Diese bilden die Grundlage für die Entscheidungen, die nach wie vor im Parlament und mit Beteiligung der Bevölkerung zu treffen sind.

Die Zeit ist reif für eine gemeinsame norddeutsche Zukunftsstrategie. Lassen Sie uns damit beginnen mit Konzepten und auf Augenhöhe.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Markus Matthießen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Aussprache stehen drei umfangreiche Anträge. Allen gemein ist die Intention, enger mit unserem Nachbarn Hamburg beziehungsweise den anderen Nachbarn im norddeutschen Raum zusammenzuarbeiten.

Das Thema der besseren Kooperation im Norden liegt mir wie auch vielen anderen hier im Haus sehr am Herzen. Es reizt natürlich sehr, zu den einzelnen

Punkten inhaltlich Stellung zu beziehen. Ich werde mich jedoch auf einige wenige Punkte beschränken. Ich möchte aber durchaus meine Enttäuschung darüber zum Ausdruck bringen, dass vor dem Vorliegen des Abschlussberichts der Kommission nun einzelne Punkte herausgegriffen werden. Ob das Wahlkampftaktik ist oder nicht, sei dahingestellt.

SPD und Grüne lassen eine Enquetekommission einsetzen, die Fragen der norddeutschen Zusammenarbeit aufarbeiten soll, und warten das Ergebnis nicht ab, wobei wir nach dem Ende der Anhörung mit der Arbeit am Abschlussbericht aus meiner Sicht auf einem relativ guten Weg waren und es hoffentlich immer noch sind und zwischen jenen, die an dieser Arbeit teilnehmen, Einvernehmen darüber bestand, dass die Empfehlungen im Abschlussbericht möglichst einvernehmlich getroffen werden sollten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das, was Sie von SPD und Grünen jetzt machen, kann man unter der Rubrik Wahlkampfmanöver abheften.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD])

Die Erkenntnis, dass eine engere Verzahnung in Norddeutschland erforderlich ist, hat sich durchgesetzt, und die Menschen können zu Recht von uns erwarten, dass wir an der Sache orientiert dauerhaft ernsthaft und nicht nur in Wahlkampfzeiten arbeiten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die CDU-Fraktion wird diesen konstruktiven Weg in jedem Fall fortsetzen. Wenn die hier im Haus vertretenen Fraktionen nach Vorlage des Abschlussberichts zu unterschiedlichen Erkenntnissen oder Handlungsempfehlungen kommen, dann ist das selbstverständlich legitim. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das aus meiner Sicht jedoch völlig fehl am Platz und der Sache wenig dienlich.

Wir reden hier auch nicht von einer Kleinigkeit, wenn es um die Änderung unserer Landesverfassung geht. Mein Eindruck aus den letzten zwei Jahren war der, dass bei einer geplanten Änderung der Landesverfassung im Vorwege zumindest der Versuch unternommen wird, diese gemeinsam auf den Weg zu bringen. Stattdessen wird hier ein Antrag auf den Tisch geklatscht. Die SPD stellt einen Antrag auf einen gemeinsamen Ausschuss, ohne sich über die verfassungsmäßigen Auswirkungen Gedanken zu machen. Die Grünen legen mit einem gemeinsamen Antrag zur Änderung der Verfassung

(Ines Strehlau)

nach, um den formalen, aber nicht unerheblichen Fauxpas der SPD geradezubügeln. Bravo!

Ich bin zwar kein Jurist, aber ein gemeinsamer Ausschuss mit entsprechenden Kompetenzen wirft verfassungsmäßig sehr viele Fragen auf, auf die ich aus Zeitgründen an dieser Stelle nicht eingehen kann. Frau Kollegin Strehlau hat aber schon einige Punkte genannt.

Korruption macht nicht an Ländergrenzen halt. Herr Kollege Eichstädt, das ist korrekt. Ihr Antrag auf ein gemeinsames Korruptionsregister wurde noch schnell nachgeschoben, um das Thema rund zu machen. Das gelingt aber leider nicht, weil in Ihrer Argumentation eine gewisse Unwucht liegt. Dass dieses Thema beileibe nicht neu ist, zeigt unter anderem die Diskussion im Deutschen Bundestag vom 20. März 2009. Die regierungstragenden Fraktionen waren damals CDU und SPD. In diesem Zusammenhang nenne ich ein kurzes Zitat aus der Rede des SPD-Bundestagsabgeordneten Reinhard Schultz. Ich zitiere:

„Wir, die Koalition, haben Ihnen erklärt, dass wir es für falsch halten, ein eigenständiges Register einzuführen.“

Korruption ist überwiegend im Zusammenhang mit dem Außenhandel problematisch. In dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Deutschland zum Zeitpunkt der Debatte Rang 13. Immer dann, wenn es bei uns zu Korruptionsfällen kommt, sind unsere Unternehmen mit Gepflogenheiten anderer Ländern in Kontakt gekommen, die auf dem Rang 50 oder auf noch schlechteren Rängen verzeichnet sind.

Ziel sollte es vielmehr sein, das Gewerberegister so weiterzuentwickeln, dass dort rechtskräftig verurteilte Fälle von Korruption auftauchen sollten. Den Eintrag in ein Register aufgrund eines bloßen Verdachts hin halten wir für eine überzogene Brandmarkung von Unternehmen und deren Mitarbeitern. Diese Diskussion hat aus meiner Sicht mindestens eine bundesweite, wenn nicht sogar eine europäische oder weltweite Dimension. Einen Zusammenhang im Rahmen einer norddeutschen Kooperation herzustellen, halte ich in diesem speziellen Fall für erheblich zu kurz gegriffen. Die weiteren Einzelheiten werden wir ebenso wie die Verfahrensfragen im Innen- und Rechtsausschuss besprechen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Ingrid Brand-Hückstädt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

„Zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutende Sachkomplexe kann der Landtag eine Enquetekommission einsetzen. Auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder ist er dazu verpflichtet.“

So heißt es in § 12 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung.

Eine Enquetekommission ist also eine überfraktionelle Arbeitsgruppe, die langfristige Fragestellungen lösen soll, in denen unterschiedliche juristische, ökonomische, soziale oder ethische Aspekte abgewogen werden müssen. In der Enquetekommission soll eine gemeinsame Position erarbeitet werden. Ziel ist es, bei Problemen zu Lösungen zu kommen, die von einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, auch von denen, die sich von der Mehrheitsfraktion nicht vertreten fühlen, mitgetragen werden können. Sie soll Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe vorbereiten, die das Parlament dann beschließen könnte, und zwar parteiübergreifend.

Offenbar hat die hiesige Opposition den Sinn und Zweck von Enquetekommissionen aber gründlich missverstanden, denn gemeinsame Positionen mit CDU und FDP werden von SPD und Grünen offensichtlich nicht gewünscht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die Mitglieder und die Geschäftsführung des Ausschusses ein Jahr lang die Arbeit machen zu lassen, um dann kurz vor Ende allein mit einer Idee vorzupreschen, die ein mögliches Ergebnis und damit eine gemeinsame Empfehlung aller Fraktionen hätte sein können, ist schon ziemlich frech.

(Beifall bei FDP und CDU)