Die schlechte Nachricht ist leider auch: Durch den überraschenden Zick-Zack-Kurs der Bundesregierung sind anders als im von Rot-Grün vorgetragenen vertraglich mit den Atomkraftwerkbetreibern vereinbarten Atomausstieg noch viele Fragen offen. Die Klagen gegen die Beschlüsse der noch amtierenden CDU/FDP-Regierung seitens der Atomkraftwerkslobby sind zu erwarten und teilweise bereits angekündigt, wodurch letztlich im Zweifel der Steuerzahler belastet wird.
Fakt ist, dass der Abbau eines Atomkraftwerks mindestens so aufwendig wie der Aufbau ist. Die vier großen Stromkonzerne müssen daher für den Abriss Rücklagen bilden. Dazu sind etwa 1,1 Milliarden € pro Kraftwerk, bisher steuerfrei, erforderlich. Wie sie das Kapital anlegen, ist ihre Sache, da es keine Verpflichtungszweckbestimmung hierzu gibt. Die Gesamtsumme der vier Atomkraftwerkbetreiberfirmen wies zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2008 27,5 Milliarden € aus. Ende 2010 waren es etwa 28 Milliarden €. Mit diesem Geld haben sich die Atomkonzerne in der Vergangenheit unzweifelhaft gegenüber anderen Energieerzeugern Wettbewerbsvorteile verschafft. Das muss aufhören.
Noch kann kein Fachmann konkret die tatsächlich benötigten Gelder für die Stilllegung und den Abbau aller Atomkraftwerke beziffern. Neben den Kosten für den Abbau sind ja noch die Kosten für die Endlagerung des Atommülls zu berücksichtigen. Und hierzu gibt es keinerlei belastbares Zahlenwerk. Dies kritisierte der Bundesrechnungshof bereits im Frühjahr letzten Jahres. Der Rechnungshof moniert, dass der Staat nicht in der Lage ist, die Höhe der vorhandenen Rückstellungen und die erforderliche Höhe für alle anfallenden Kosten der Stilllegung konkret zu ermitteln.
Die im vorliegenden Antrag der Grünen niedergelegte Absicht, die Rückstellungen insolvenzsicher zu machen, ist daher richtig und nachvollziehbar. Inwieweit ein bundeseinheitlicher Rechtsrahmen dies sicherstellen kann, wird allerdings noch zu diskutieren sein. So ist aus meiner Sicht auch ein staatlicher Fonds denkbar, der die Gelder, die tatsächlich benötigt werden, sinnvoll für die Energiewende einsetzen könnte. Darüber hinaus könnte ich mir eine Änderung des Atomgesetzes vorstellen, durch die die Atomunternehmen verpflichtet werden, die Atomkraftwerke nicht nur stillzulegen, sondern tatsächlich in einem angemessenen zeitlichen Rahmen bis zur grünen Wiese abzubauen. Wir wollen nicht, dass die Gebäude der stillgelegten Atomkraftwerke lange Jahre stehen bleiben und „Denkmalschutz“ erhalten.
Sie müssen unter hohen Sicherheitsschranken möglichst bald bis zur grünen Wiese abgebaut werden, damit die betroffenen Kommunen neue Nutzungsformen planen können.
Auch auf Bundesebene wird dieses Thema weiter diskutiert. Wir sollten daher den Antrag im Ausschuss weiter beraten und im Kontext mit dem Bericht der Bundesregierung von Dezember letzten Jahres sondieren, welche Konsequenzen insgesamt zur Frage der Stilllegung von Atomkraftwerken und der erforderlichen Rückstellungen der Betreiber gezogen werden müssen. Dabei ist unser Ziel: aus und weg, kein Denkmalschutz für stillgelegte Atomkraftwerke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über eines sind wir uns alle im Klaren: Die Stilllegung und der Rückbau der Kernkraftwerke sind für Deutschland und Schleswig-Holstein eine große Herausforderung mit vielen neuen Aspekten für die Politik, die Verwaltungen und natürlich auch für die Kraftwerksbetreiber. Ich persönlich freue mich jede Landtagstagung aufs Neue, wenn es um Anträge der Grünen zum Thema Kernenergie geht. Man hätte natürlich auch erwarten können, dass es gerade zu dieser Thematik bereits Gesetzesreglungen
gibt, die Rot-Grün seinerzeit schon bei den ersten Atomausstiegsgesetzen hätte treffen können. Aber das war nicht so, weil man eben auch damals schon keine Notwendigkeit dazu sah. Man muss auch festhalten, dass das Thema weiß Gott nicht neu ist; denn in der Zwischenzeit sind ja auch schon Kernkraftwerke stillgelegt und rückgebaut worden, zum Beispiel in Stade.
Es sind keine Fälle bekannt, in denen Rückstellungsmittel nicht bedarfsgerecht für die Stilllegung zur Verfügung standen oder künftig voraussichtlich nicht zur Verfügung stehen werden. Genauso hat das auch schon im Jahre 2001 die rot-grüne Bundesregierung in einer Stellungnahme gegenüber der Europäischen Kommission geschrieben.
Meine Damen und Herren, die Abwicklung der Stilllegung von Kernenergieanlagen ist in § 7 Abs. 3 Atomgesetz geregelt. Es bedarf eines atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Keine der beiden Betreibergesellschaften der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel hat bisher einen Antrag auf Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung zur Stilllegung des jeweiligen Kraftwerks gestellt. So steht es auch in der Antwort auf die Kleine Anfrage von Herrn Matthiessen.
Die Verantwortung für einen Rückbau und die Entsorgung der in den Kernkraftwerken befindlichen radioaktiven Stoffe tragen nach dem Verursacherprinzip grundsätzlich die Betreiber der Kernkraftwerke. Die Kraftwerksbetreiber haben für den mit der Stilllegung ihrer Kernkraftwerke und deren Entsorgung verbundenen Aufwand in ihren Bilanzen logischerweise Rückstellungen gebildet. Diese Rückstellungen erfolgen aufgrund handelsrechtlicher Vorschriften. Herr Matthiessen, was Sie gerade über das Handelsgesetzbuch gesagt haben, gilt nicht nur für Kernkraftwerksbetreiber, sondern für sämtliche Unternehmen, die laut HGB ihre Buchführung machen.
Der Rechtsrahmen ist also durch das HGB gegeben. Insoweit erübrigt sich eigentlich die Antwort, Herr Matthiessen. Außerdem stand das deutsche Rückstellungssystem für die Kernenergie bereits mehrfach auf dem Prüfstand. Das Rückstellungssystem wurde regelmäßig bestätigt von der Bundesregierung, von der Europäischen Kommission sowie vom Europäischen Gerichtshof. Die Rückstellungen sind dazu da, dem Verursacherprinzip in angemes
sener Weise Rechnung zu tragen, indem die Verantwortung für die Verfügbarkeit ausreichender Mittel den zur Stilllegungsentsorgung verpflichteten Unternehmen auferlegt wird.
Kollege Kumbartzky, nachdem Sie mir nun so freundlich kollegial unterstellt haben, ich hätte mich nicht mit dem Handelsgesetzbuch beschäftigt und mit Rückstellungssystematiken, wollte ich Sie dann doch mal fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass im Vergleich mit einer Kiesgrube die Rückstellungsmittel, die dafür gebildet werden, abzusichern sind und bei Atomkraftwerken nicht.
- Erstens das, und zweitens haben Sie in Ihrer Rede gesagt - darauf habe ich mich bezogen -, dass man Rückstellungen bilden kann, die laut HGB steuerliche Vorteile haben. So ist das HGB nun mal. Nach § 49 HGB, den Sie ja anscheinend doch kennen, sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sowie für finanzielle Verpflichtungen zu bilden, die dem Grunde nach feststehen, deren Höhe und Fälligkeitszeitpunkt aber noch nicht exakt zum Bilanzstichtag bestimmt werden können.
Die entstehenden Stilllegungskosten sind von zahlreichen Faktoren abhängig; das ist schon gesagt worden. Diese Faktoren sind beispielsweise die unterschiedlichen baulichen Gegebenheiten der Anlagen, die Stilllegungsstrategie und die vorgesehenen Zeiträume. Da die Betreiber, wie gesagt, noch keine atomrechtlichen Genehmigungen zur Stilllegung beantragt haben, ist es schwer abschätzbar, wie hoch die Rückstellungen genau sein müssen.
Die Rückstellungen werden laufend von Gutachtern errechnet und aktualisiert. Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der Rückstellungen für die Kernkraftanlagen nicht ausreichend sein könnten, gibt es laut Landesregierung nicht. Auch das steht so in der Antwort auf die Kleine Anfrage.
Dass der Bundesrechnungshof die Rückstellungen im letzten Jahr thematisiert hat, halte ich auch nicht für überraschend. Schließlich ist die Gesamthöhe der für die Stilllegung, den Rückbau und die Entsorgung beziehungsweise Endlagerung zu bildenden Rückstellungen schwer exakt abschätzbar.
Die zuständigen Bundesministerien haben dem Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags einen Bericht vorgelegt. Wir sollten abwarten und sehen, was dabei herauskommt.
Ebenso spielt die Entwicklung rund um das Thema Endlagerung eine wichtige, auch rückstellungstechnische Rolle. Vor diesen zahlreichen Hintergründen halten wir den Antrag der Grünen momentan nicht für zielführend. Der Rückstellungsantrag gehört quasi zurückgestellt. Wir können aber gern im Ausschuss noch einmal darüber beraten. Dann werden wir ja auch sehen, wie die Bilanzen 2011 der Kernkraftwerksbetreiber aussehen; denn dort spiegeln sich ja erst die Atomausstiegsbeschlüsse aus dem Jahre 2011 wider.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin jung, bin 1963 geboren, bin in den 70er-Jahren aufgewachsen, als überall die AKWs im Lande wie die Pilze gesprossen sind. Mir wurden immer zwei Sachen gesagt: Zum Ersten, Atomkraft sei sicher, ganz sicher, und zum Zweiten, Atomkraft sei billig. Dann kam auch noch Herr Stoltenberg, der sagte, dass die Lichter ausgingen, wenn wir keine haben; aber das lassen wir einmal beiseite.
Wie sicher Atomkraftwerke sind, ist uns allen spätestens seit Fukushima bekannt. Vorher gab es schon die Unfälle in Three Mile Island, in Tschernobyl 1986 und andere, die nicht so bekannt sind. Ich erinnere auch an die Krebsraten bei uns in der Elbmarsch.
Das zweite Argument: Atomkraft sei billig. Es gab für die Erforschung der Technologie sehr viele Staatsgelder, massive Subventionen der AKW-Betreiber. Und es gab einen Raubbau an der Natur mit ökologischen und ökonomischen Folgen, vor allen Dingen beim Abbau des Uran. Die Entsorgung jetzt komme ich zur sogenannten Entsorgung - wur
- Herr Kubicki, die Haftpflichtversicherungen für AKWs sind im Hinblick auf die Folgen eines Super-GAUs viel zu gering.
Jetzt komme ich zu den Rückstellungen für den Rückbau der AKWs und zur Frage der Insolvenzsicherheit. Es gibt inzwischen 28,7 Milliarden €, die in Gesamtdeutschland in Rückstellungen eingestellt worden sind, die steuerlich absetzbar sind. Der Bund der Steuerzahler hat im April letzten Jahres zwei Feststellungen getroffen: Erstens, die Rückstellungen sind nicht insolvenzsicher. Zweitens, sie sind nicht ausreichend.
Es wurden hier schon Zahlen genannt. Aktuell betragen die Rückstellungen für Brunsbüttel 1,602 Milliarden €, für Krümmel 1,857 Milliarden €. Das ist völlig unzureichend, meine Damen und Herren. In Greifswald zum Beispiel, Herr Kubicki, kostete der Rückbau des AKW 3 Milliarden €. Vor Kurzem wurde für die fünf AKWs in der Schweiz festgestellt, dass der Rückbau 20 Milliarden Franken kosten wird. 20 Milliarden Franken sind 16,3 Milliarden €. Das bedeutet mehr als 3,25 Milliarden € pro AKW.
Warum gibt es so geringe Rückstellungen, Herr Kubicki? Weil das niemand kontrolliert. Die Finanzbehörden haben Einblick in die Unterlagen der Konzerne, aber sie haben nicht das Know-how, um die gemachten technischen Annahmen zu Rückbau und Endlagerung zu beurteilen. Auf der anderen Seite gibt es zum Beispiel Fachkompetenz für Endlagerfragen im Bundesamt für Strahlenschutz, aber das darf nicht in die Zahlen schauen.
Was mich schockiert, ist der Stillstand in der Regierungskoalition. Es gibt Anfragen von Herrn Kalin
ka, es gibt Anfragen von Herrn Matthiessen. Reaktion der Regierung: Nichts, null! Das Problem wird einfach nicht angegangen, und das bei drei AKWs, die wir hier haben.