Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

sten Legislaturperiode umsetzen werden. Sollte das nicht der Fall sein, wird DIE LINKE sie gern daran erinnern.

(Beifall bei der LINKEN)

Alles in allem bleibt festzuhalten, dass Sie heute die Möglichkeit verstreichen lassen, dieses Land ein bisschen moderner, ein bisschen bürgerfreundlicher und ein bisschen menschlicher zu machen. Da tröstet es auch nicht, dass Sie bei der Umstellung des Wahlverfahrens den richtigen Weg gegangen sind und dass -erstaunlich, dass es so weit kommen würde; es freut mich dann doch - wir zumindest in den Kommunalparlamenten in Zukunft auch noch ein paar FDP-Abgeordnete sitzen sehen oder dass Sie bei der Bürgermeister-Regelung oder den großen kreisangehörigen Städten zumindest gute Ansätze in ihren Gesetzentwürfen haben.

Meine Fraktion allerdings wird den Regierungsentwurf in Gänze ablehnen und bietet den anderen Oppositionsfraktionen an, in der nächsten Legislaturperiode, wenn sie dann vielleicht nicht mehr Oppositionsfraktionen sind und die Mehrheitsverhältnisse in diesem Haus sinnvolle Änderungen wieder möglich machen, in eine konstruktive Diskussion einzutreten.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Für die SSW-Fraktion hat das Wort die Frau Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass die überwältigende Mehrheit in diesem Hause die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW herbeigeführte Klage vor dem Landesverfassungsgericht gegen die Amtsordnung in Schleswig-Holstein nicht als Chance, sondern eher als Last gesehen hat.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Erfolg vor dem Verfassungsgericht gegen die rechtswidrige, verfassungswidrige Handhabung der Amtsordnung war aber ein Erfolg für die kommunale Demokratie.

Was heute in zweiter Lesung beschlossen werden soll, trägt dem leider gar nicht Rechnung. Wir brauchen mit anderen Worten eine umfassende und

langfristige Strategie, wie die kommunalen Strukturen künftig aussehen sollen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der LINKEN)

Wir brauchen eine echte Strukturreform; denn nur so kann handlungsfähige, gestaltungsstarke und bürgernahe Demokratie vor Ort funktionieren. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Urteil des Landesverfassungsgerichts mehrere Optionen eröffnet, wie wir zurück zu einer verfassungskonformen Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene kommen können. Aus Sicht des SSW darf die Verfassungstreue aber nicht den Blick davor verstellen, dass damit die Frage, wie Schleswig-Holsteins kommunale Strukturen endlich funktionsfähig und fit für die Zukunft gemacht werden können, noch lange nicht beantwortet ist. Denn Fakt ist, dass viele kleine Kommunen unseres Landes ihre Aufgaben nicht allein bewältigen können und gezwungen sind, die Hilfe des Amtes in Anspruch zu nehmen.

Konkret liegen uns drei Modelle vor: Der Gesetzentwurf der SPD sieht vor, dass die Amtsordnung einen abgeschlossenen Katalog von fünf Aufgaben enthält, die die Gemeinden auf die Ämter übertragen dürfen. Der Entwurf der Landesregierung geht ebenfalls von einem Katalog aus. Er schreibt vor, dass die Amtsordnung einen abgeschlossenen Katalog von 16 Aufgaben enthält, aus dem das Amt insgesamt fünf Aufgaben übernehmen darf. Zudem werden amtsinterne Zweckverbände zugelassen, deren Verwaltung das Amt zu übernehmen hat. Das dritte Modell hingegen, das Modell von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, geht davon aus, dass die Gemeindeordnung die freiwillige Bildung größerer Gemeinden vorgibt. In der Amtsordnung soll die Möglichkeit der Aufgabenübertragung unverändert erhalten bleiben, die Amtsausschüsse aber direkt gewählt werden.

Während der Gesetzesentwurf der SPD von einem abschließenden Aufgabenkatalog ausgeht, der aus Sicht des Amtes voll ausgeschöpft werden darf, wurde im Rahmen der durchgeführten Anhörung deutlich, dass die „Kataloglösung“ der Landesregierung das Verhältnis von Amt und amtsangehörigen Kommunen schnell strapazieren könnte. Auch das gehört dazu. Soll heißen: Was geschieht eigentlich, wenn sich Gemeinden nicht einigen können? Vieles deutet darauf hin, dass das Gelingen dieses Übertragungsverfahrens einzig und allein von der Stärke der jeweiligen Person abhängt. Das wirkt aus unserer Sicht wenig beruhigend und hat mit der Stärkung der kommunalen Demokratie nun wirklich nichts zu tun.

(Heinz-Werner Jezewski)

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In die gleiche Richtung weist die Einführung amtsinterner Zweckverbände, die, bildlich gesprochen, leicht dazu führen können, dass der Amtsausschuss nach einer kurzen Pause als Zweckverbandsversammlung weitertagt. Darum sage ich: Der nächste Gang vor das Landesverfassungsgericht scheint damit vorprogrammiert zu sein.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der LINKEN)

Die Gesetzentwürfe von CDU/FDP und SPD unterscheiden sich sehr viel deutlicher in einem anderen Punkt: Erhalt der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten bei Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern - die bisherige Grenze - das wissen Sie, liegt bei 15.000 - und die Sicherung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen. Für den SSW ist es bei § 47 f GO ganz wichtig, dass Abs. 1 Satz 2 erhalten bleibt,

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

weil in Abs. 2 des Satzes deutlich wird, dass die Kommunen „bei der Durchführung von Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren“, also der Planung von Radwegen, bei Spiel- und Sportanlagen und der Planung von Neubaugebieten, die Kinder und Jugendlichen in der Gemeinde wirklich beteiligen müssen.

Das heißt, die Mitwirkungsmöglichkeiten für junge Bürgerinnen und Bürger werden bei der Streichung von Abs. 1 Satz 2 reduziert.

Der SSW spricht sich aus sehr unterschiedlichen Gründen gegen die Gesetzentwürfe der Regierungskoalition und der SPD aus. Wir werden uns bei dem Gesetzentwurf der Grünen der Stimme enthalten. Er zeigt in die richtige Richtung, geht aber nicht weit genug. Denn es ist aus Sicht des SSW notwendig, nach einer Phase der Freiwilligkeit die Zusammenlegung von Gemeinden gesetzlich festzuschreiben. Wir brauchen eine Gebiets- und Strukturreform in Schleswig-Holstein, denn nur so sichern wir die Zukunftsfähigkeit unserer kommunalen Demokratie. Kommunale Verwaltung und kommunale Selbstverwaltung müssen auf gleicher Augenhöhe miteinander agieren. Das ist unser Ziel. So muss es kommen. Alles andere ist Augenwischerei.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Andreas Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal auf den Beitrag des Kollegen Kalinka gemeldet. Ich hatte das Gefühl, Herr Kalinka, dass Sie gesagt haben, bei § 47 f GO ändert sich nichts. „Sie wissen nicht, was Sie tun“, das ist ein schöner Titel für einen Roman.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der LINKEN)

Anscheinend haben Sie sich mit der Geschichte des § 47 f GO in Schleswig-Holstein wirklich nicht auseinandergesetzt. Seit 20 Jahren ist § 47 f GO ein Erfolgsmodell für Kinderund Jugendbeteiligung. Viele, Dieter Thiemann, der es damals entwickelt hat, und auch ich selber habe viele dieser Dinge miterleben dürfen. Aber ich habe mich nicht gemeldet, weil es um die Mitwirkungsrechte geht - das hat Frau Spoorendonk schon gesagt -, sondern deswegen, weil Ihr Vorschlag zur Streichung von § 47 f Abs. 1 Satz 2 GO auch einen diskriminierenden Effekt hat. Es ging uns bei § 47 f GO immer um Kinder- und Jugendbeteiligung. Wir wollen § 47 f GO quasi ein Stück weit als Kinderstube der Demokratie verstanden haben wollen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der LINKEN)

Wenn Sie es sich jetzt einmal genau anschauen: Was haben Sie gemacht? Sie haben gesagt: §§ 16 a bis f GO, was wird dort geregelt? - Einwohnerfragestunden, Bürgerentscheide und so weiter. Schauen Sie bitte einmal in §§ 16 a bis f GO hinein. Da wird das Alter 14 Jahre genannt. Das heißt, ein Jugendlicher hat nur ein Fragerecht in einer Einwohnerfragestunde ab 14, ein Jugendlicher hat nur ein Mitbestimmungsrecht bei einem Bürgerentscheid, der im Übrigen auch einmal über einen Spielplatz gehen kann, ab 14. Da in diesem Gesetz „ab 14“ steht, haben wir damals bei § 47 f GO gesagt, wenn die Kinder und Jugendlichen eben nicht bei dem Bürgerentscheid oder der Einwohnerfragestunde mitstimmen können, dann sollen sie wenigstens von der Gemeinde andere Verfahren angeboten bekommen, wie es denn geht. Deshalb ist es hier nicht nur um die Frage der Mitwirkung gegangen, sondern auch um die Kinderrechte.

(Anke Spoorendonk)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Wortmeldung der Abge- ordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Das haben Sie hier anscheinend, Herr Kalinka, bei Ihrer Darstellung vergessen. Sie haben noch nicht einmal die Bedeutung der Mitwirkung erfasst. Sie haben schlicht und ergreifend an dieser Stelle überhaupt nicht verstanden, worum es bei § 47 f GO geht. Das ist traurig, das ist ein Armutszeugnis für Sie persönlich und auch für Ihre Fraktion, die das jetzt abschafft.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss noch einmal zu einem Punkt Stellung nehmen, der in der Aussprache angesprochen wurde. Vielen Dank an Grüne und SSW, dass Sie die Überprüfung beim Landesverfassungsgericht beantragt haben. Das Landesverfassungsgericht ist zu einem Urteil gekommen. Das Landesverfassungsgericht hat in seinem Urteilsspruch eindeutig Wege aufgezeigt, wie eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Lösung aussehen kann.

(Unruhe)

Der eine Vorschlag war die Direktwahl der Amtsausschüsse, und der andere Vorschlag war, die Aufgaben, die zu übertragen sind, zu begrenzen. Genau diesen Punkt haben wir beziehungsweise hat das Ministerium mit unserem Modell aufgenommen, indem wir die Aufgaben begrenzen, die von einer Gemeinde - das muss die Gemeindevertretung selbst beschließen - auf das Amt übertragen werden können. Wir haben einen Katalog zur Verfügung gestellt, aus dem ausgewählt werden kann. Wir haben dann gesagt, dass die Aufgaben, die beim Amt landen, die Zahl sechs insgesamt nicht übersteigen dürfen. Es kann nicht sein, dass jede Gemeinde sechs Aufgaben überträgt, sondern insgesamt dürfen nur sechs Aufgaben beim Amt landen. Das Landesverfassungsgericht hat diesen Weg ganz bewusst mit aufgezeigt und als verfassungsrechtlich konform dargestellt. Wir machen nichts anderes, als dies auszuführen.

Wenn Professor Ewer darüber spekuliert, ob sich das später in der Praxis möglicherweise so darstellt

- wir haben uns hier eindeutig nach dem Spruch des Verfassungsgerichts verhalten und das dementsprechend ins Gesetz geschrieben.

Eben wurde auch noch einmal die Frage mit den amtsinternen Zweckverbänden aufgeworfen. Amtsinterne Zweckverbände müssen genehmigt werden. Insofern kann es gar nicht dazu kommen, dass auf einmal eine Vielzahl von Zweckverbänden gegründet wird. Die müssen von der Kommunalaufsicht genehmigt werden, und die Kommunalaufsicht wird schon aufpassen, dass die wesentlichen Aufgaben nach wie vor in der Kompetenz der Gemeindevertretung liegen.

Dann wurde eben noch über § 47 f GO gesprochen. Ich bin der Auffassung, dass da in der Substanz nichts geändert wurde. Da können Sie noch so viel sagen, wie Sie wollen.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Andreas Tiet- ze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bei den Gleichstellungsbeauftragten haben wir von der FDP früher den Standpunkt vertreten, dass die Gemeinden selbst entscheiden sollten, ob sie eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte haben. Da haben wir uns überzeugen lassen und den Passus bei den Gleichstellungsbeauftragten so belassen, wie er in der alten Regelung war.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage? - Offensichtlich nicht. - Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch einmal drei Bemerkungen! Lieber Kollege Hildebrand, ich habe in meinem Redebeitrag vorhin deutlich gemacht, dass die Kataloglösung eine verfassungskonforme Lösung darstellt. Ich habe aber bedauert, dass diese Lösung zu kurz gesprungen ist und die Chance vertan wurde, die kommunale Demokratie zu stärken.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bleibe dabei: Die Kataloglösung ist eine sehr statische Lösung. Ich frage mich, wie man damit in fünf Jahren umgehen will. Vielleicht hält sie gar