Es werden aber auch wieder Fragen aufgeworfen, auf die es keine zufriedenstellenden Antworten gibt. Dort lagern 500 Fässer mit Atommüll, zum Teil seit Jahrzehnten, und niemand ist für die Überwachung zuständig. Kaum zu glauben!
Erstaunlich ist auch die Aussage, dass die Kavernen in der Regel nicht betreten werden, weil sie keine Arbeitsräume sind. Dann frage ich mich aber, wie diese 500 Fässer im Laufe der Jahrzehnte dort in die Kaverne gekommen sind. Irgendwie und durch irgendwen müssen sie doch dahingelangt sein. Und dabei soll niemandem aufgefallen sein,
dass dort Fässer liegen, die kaum noch als solche zu erkennen sind? Ebenso ist zu hinterfragen, warum es anscheinend keine Strahlengrenzwerte für solche Kavernen gibt.
Eines wird allerdings wieder einmal deutlich: Das Atomgesetz ist so löchrig wie die Fässer in den Kavernen in Brunsbüttel.
Das Atomgesetz gibt den Ländern kaum Möglichkeiten an die Hand, wirklich aktiv gegen die Betreiber vorzugehen, also den Betreibern die Betriebserlaubnis zu entziehen. Anscheinend ist es auch nicht rechtlich geregelt, wie die Lager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll an den Kraftwerkstandorten betrieben und überwacht werden sollen, oder wer oder was zu informieren ist, wenn es dort zu Vorfällen kommt. Hier, meine Damen und Herren, besteht der eigentlich dringende Handlungsbedarf.
Daher ist meines Erachtens nicht davon auszugehen, dass an anderen Kraftwerksstandorten anders vorgegangen wird. Soll heißen: Wir brauchen dringend Informationen darüber, wie und in welchem Zustand die Fässer an anderen Standorten sind. Hier kann sich kein Betreiber mehr darauf zurückziehen, dass die Lagerbereiche für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll nicht überwachungsoder meldepflichtig sind. Hier brauchen wir Klarheit und Sicherheit. Da muss auch etwas von den Betreibern selber kommen.
Nun ist wichtig zu erfahren, wie viel von dem Müll bundesweit gelagert wird und wie weiter damit verfahren werden soll. Inwieweit der Schacht Konrad wirklich als Endlager für diesen Müll zur Verfügung stehen wird und vor allem wann dies sein wird, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Schließlich geht der Schacht Konrad nicht wie geplant 2014, sondern frühestens 2019 in Betrieb. Außerdem bleibt abzuwarten, ob nicht doch Bedenken hinsichtlich der Tauglichkeit auftauchen. Im Hinblick mit den Erfahrungen, die wir mittlerweile mit der Asse gemacht haben, würde mich das zumindest nicht wundern. Wir sollten uns also nicht zu früh darauf versteifen, dass wir den Dreck ab 2019 im Schacht Konrad loswerden. Das kann möglicherweise auch anders werden.
Vielmehr müssen wir weiter daran festhalten, dass vorurteilsfrei und bundesweit - also auch in Bayern
- nach einem echten Endlagerstandort für alle radioaktiven Abfälle gesucht wird. Dabei müssen wir uns auch darauf einstellen, dass diese Suche leider noch viele Jahre andauern wird, weil es in den letzten Jahrzehnten Versäumnisse gegeben hat. Deshalb brauchen wir in der Zwischenzeit für Fälle wie in Brunsbüttel neue gesetzliche Regelungen, die so eine Katastrophe wie die rostigen Atommüllfässer in Brunsbüttel in Zukunft ausschließt.
Die Atomaufsicht muss nach unserer Auffassung endlich die Mittel in die Hand bekommen, um einem Betreiber wie Vattenfall endlich das Handwerk legen zu können. Solange die Atomaufsicht diese Mittel nicht hat, hat sie keine Handhabe. In dem Rahmen, der ihr jetzt gegeben ist, handelt sie nach unserer Auffassung richtig und verantwortungsbewusst. Das hat sie immer getan. Deshalb: Die Atomaufsicht ist nicht das Problem, sondern das Atomgesetz ist das Problem.
In Wahlkampfzeiten haben wir eine Tendenz dazu, einen Schlüsselreiz, immer gleich auf die Regierung draufzudreschen. Ich glaube, das ist heute und in diesem Fall nicht gerechtfertigt. Die Atomaufsicht hat nach Recht und Gesetz gehandelt und mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, wahrscheinlich auch das Maximale herausgeholt. Davon bin ich überzeugt. Das hat sie in den vergangenen Jahren auch immer wieder dokumentieren können.
Unser Problem ist, dass wir ein Atomgesetz haben, das nicht dazu da ist, die Atomlobby zu kontrollieren, sondern alles das, was die Atomlobby macht, möglich zu machen.
Wenn wir es ernst meinen, müssen wir alle uns einmal an einen Tisch setzen und überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, aus diesem Hohen Haus heraus eine Bundesratsinitiative zu starten, mit der das Atomgesetz geändert wird, damit das Land überhaupt die Handhabe hat, eine echte Kontrolle ausüben zu können, und dann auch Sanktionsmöglichkeiten hat.
Wenn die Landesregierung Sanktionsmöglichkeiten hat - gleich, welche Landesregierung regiert - und sie dann nicht nutzt, bin ich gern dabei, auf sie einzudreschen. Solange das nicht der Fall ist, macht die Atomaufsicht, was sie machen muss, und das macht sie recht gut.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe einfach einmal eine Zwischenmeldung über die Redezeiten: Der CDU stehen aus dem Kontingent noch 4,5 Minuten zu, der SPD 4,53, der FDP 6, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4,53, der LINKEN 5,28 und dem SSW 8,15 Minuten. - Mir liegen jetzt Wortmeldungen zu Dreiminutenbeiträgen vor. Ich bitte, mir zu sagen, wer im Rahmen eines Dreiminutenbeitrages spricht und wer im Rahmen des Kontingents.
Als Erstes rufe ich Herrn Abgeordneten Markus Matthießen aus der CDU-Fraktion auf. Danach ist die Frau Kollegin Anke Erdmann aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dran.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, länger als drei Minuten werde ich nicht brauchen. Herr Kollege Harms, Sie haben mit Ihrem Beitrag am Ende einigermaßen die Kurve gekriegt, was die Lösung der Probleme, die wir haben, angeht.
Ich möchte kurz auf den Kollegen Matthiessen von den Grünen eingehen. Er hat hier vorhin etwas in den Raum geworfen. Es ging um Verantwortung und Schuldfrage. Ich bin 1973 geboren. Die Kernenergie wurde in den 50er- und 60er-Jahren eingebracht. Da war sowohl die CDU dabei, als auch die SPD, als auch die FDP. Hier von einer Sippenhaft zu sprechen und mir nur, weil ich in der CDU bin, eine persönliche Verantwortung zu unterstellen, finde ich schon eine wirkliche Frechheit. Zur Lösung haben Sie damit nicht beigetragen. Sie machen sich einen „sehr schlanken Schuh“, wenn Sie sagen: Die haben Verantwortung, und die müssen es auch lösen. So funktioniert das nicht.
Wir haben heute wieder einen bunten Strauß der Skandalisierung in der Diskussion erlebt. Wir machen hier Politik für die Menschen im Land Schleswig-Holstein. Die Feststellung ist die, die auch der Kollege Kumbartzky vorhin getroffen hat: Bei den Vorgängen, die wir erlebt haben, ist kein Bürger oder Mitarbeiter des Kraftwerkes zu Schaden gekommen. Minister Schmalfuß hat vorhin darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter die Atomaufsicht aufgrund fachlicher und wissenschaftlicher Gesichtspunkte ohne tagespolitische Hektik durchführen. Das ist nach meiner Auffassung auch richtig so.
Das aufgetretene Problem haben wir unter anderem, weil es kein zentrales Zwischenlager gibt und keine Aussicht auf ein Endlager, zumindest was den hochradioaktiven Bereich angeht. Ein Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall lässt auch noch auf sich warten.
Ich stelle aber auch fest, dass Rot und Grün während ihrer jeweiligen Regierungsverantwortungszeit gerade im Bund unser Land in dieser Frage nicht einen Millimeter weitergebracht haben.
Die sachliche und fachliche Abarbeitung dieser Vorgänge und Fragen, wie sie Minister Schmalfuß geschildert hat, ist daher der richtige Weg und eignet sich nicht dazu, hier eine Generalabrechnung vorzunehmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spreche hier nicht als Energieexpertin. Vielleicht ist es ganz gut, Herr Matthießen. Wir sind ungefähr ein Jahrgang. Ich bin 1972 geboren. Es gibt einen guten Grund, aus dem die Wogen hier so hochschlagen. Als Protestantin finde ich es gut, wenn jemand vom Saulus zum Paulus wird. Aber ich finde, man darf nicht vergessen, dass man einmal Saulus gewesen ist.
Sie sagen, man dürfe Sie nicht in Mithaftung nehmen. Ich frage Sie: Sind Sie in die CDU eingetreten trotz der atompolitischen Perspektive? Die CDU war jahrelang Verhinderer des Ausstiegs.
Das muss man doch zur Kenntnis nehmen und kann das nicht so einfach „abwischen“. Das ist der Punkt, der mich kaum auf meinem Stuhl hat sitzen lassen.
Ich finde es gut, dass es einen Wechsel gegeben hat. Ich finde es gut, dass die Kanzlerin gesagt hat: Wir steigen aus. Aber man kann doch nicht so tun, als habe man jahrelang für den Atomausstieg gekämpft.
- Ja, gegen Rot-Grün. Herr Matthießen, ich erinnere mich, dass ich 2009 in Berlin auf der Straße war, weil wir Sorge hatten, dass der Atomkompromiss aufgekündigt wird. Sie sagen, Rot-Grün habe nichts erreicht. Ich sage Ihnen: Es gab einen Atomkonsens. Ich wäre bei den Grünen fast ausgestiegen, weil er mir nicht weit genug ging. Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie enttäuscht ich war, wie lange es noch dauern sollte, bis wir ausgestiegen sind.
- Herr Schippels, wir sprechen uns später. Sie wollen gar nicht regieren und wollen auch keine Verantwortung übernehmen.
Ich möchte kurz in Richtung des Ministers sprechen. Ich glaube schon, dass es Fragen aufwirft, wenn man weiß, dass das Ministerium seit Mitte Januar Bescheid weiß, dass die Leitung des Ministeriums also nach einigen Wochen informiert wird, es aber noch eine Woche dauert, bis sie die Informationen herausgibt. Sie haben jetzt ausführliche Antworten auf einen Fragenkatalog in das Internet eingestellt. Als wir unseren Antrag eingebracht haben, war das noch nicht online. Für mich stellt sich - als „Verwaltungstante“ - die Frage, warum man, wenn man eine solche Information bekommt, eine Woche braucht, bis man damit an die Öffentlichkeit geht.