Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

(Zuruf von der SPD: Das gibt mir schon zu denken!)

Es ist auch eine leicht widerlegbare Mär vom gepriesenen Preisstabilisierer Atomstrom, wie der Kollege Magnussen eben auch wieder ausgeführt hat. Durch die Wiederholung wird es nicht besser. Der Strompreis entsteht nicht bei der Erzeugung, sondern an der Strombörse in Leipzig. Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke verbilligen nicht den Strompreis für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern lassen nur die Gewinne der Atomkraftwerksbetreiber explodieren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesbank Baden-Württemberg - vielleicht nicht unbedingt der Sozialdemokratie nahe - rechnet damit, dass die vier großen Energieversorger bei einer Laufzeitverlängerung um 25 Jahre und einem Strompreis von 80 € pro Megawattstunde gut 233 Milliarden € einstreichen würden.

(Zuruf von der SPD: Was spenden die denn?)

Die Steigerung von Unternehmensgewinnen darf nicht Leitschnur politischer Entscheidungen sein.

(Beifall bei der SPD)

Die Sicherheit der Bevölkerung, die mehrheitlich am Atomausstieg festhalten will, gebietet die sofortige Stilllegung der Pannen-Atomkraftwerke nicht nur im von Atomkraftwerken besonders betroffenen Schleswig-Holstein.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schleswig-Holstein darf nicht wackeln, sondern muss die - bis auf Teile in der CDU - fraktionsübergreifende Erkenntnis in der letzten Legislaturperiode aufgreifen: Am Atomausstieg in seiner heute gültigen und mit den Energieerzeugern vereinbarten Fassung muss festgehalten werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt mit einem Blick auf das Wahlprogramm, mit dem sie zur Wahl angetreten ist, besonders für die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich zitiere: „Daher bekennt sich die FDP Schleswig-Holstein zum Atomkonsens und den damit ver

(Olaf Schulze)

einbarten Reststrommengen für die einzelnen Atommeiler.“

(Zuruf von der SPD: Hört, hört! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich habe nie etwas anderes behauptet!)

Ich kann mich noch gut an eine Veranstaltung mit Wolfgang Kubicki zur Frage unterschiedlicher Positionen zwischen der Landes- und Bundestagsparteien vor der Landtagswahl erinnern.

(Zuruf von der SPD: Das war vor der Wahl!)

Hier hat er mir versichert, dass die Position der FDP-Landespartei auch für die Bundes-FDP gilt. Lieber Herr Kubicki, halten Sie Ihr Wort und setzen Sie sich auf Bundesebene für Ihre Wahlaussagen ein, stimmen Sie dem vorliegenden Antrag der Grünen mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Stimmabgabe im Bundesrat zu, wie wir es machen werden!

(Lebhafter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann noch eine kurze Anmerkung zu Ihrem Änderungsantrag: Einfach nur aus dem Koalitionsvertrag abzuschreiben und dann auch noch hineinzuschreiben, eine Reduzierung der noch zu produzierenden Restmengen aus Kernenergie lehnt der Landtag ab. Ich muss wirklich sagen, ein bisschen mehr hätte Ihnen da einfallen können.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Oliver Kumbartzky das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Thema Kernenergie begleitet die Politik schon viele Jahre und ist heute aktueller denn je. Das gebe ich gern zu. Ich könnte den Grünen fast schon dankbar sein für ihren Schaufensterantrag, ermöglicht er doch, die Positionen der schwarz-gelben Koalition noch einmal schön sachlich darzustellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich betone dabei ausdrücklich, dass wir zu einer sachlichen Debatte kommen sollten ohne Polarisierung und rein ideologisches Denken.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Diskussion über Energieformen in Deutschland war bisher eine Diskussion gegeneinander. Die politischen Vertreter für regenerative Energien waren gleichzeitig die Gegner der Kernenergie. Wer sich der Kernenergie gegenüber aufgeschlossener zeigte, galt automatisch schon als Gegner von erneuerbaren Energien. Ideologie macht Energie teurer und hilft der Umwelt nicht. Deswegen benötigen wir einen neuen Anfang, und zwar ohne Vorurteile, sondern mit dem Vorrang für Vernunft in der Energiepolitik.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Fangen Sie doch mal damit an!)

- Genau damit fangen wir jetzt an. Denn diese klare und eindeutige Botschaft setzen auch die schwarzgelben Koalitionsverträge aus Schleswig-Holstein und Berlin.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Na, dann mal los!)

Meine Damen und Herren, ich sagte schon, wir brauchen endlich eine ideologiefreie Energiepolitik. Einige wollen heute noch beweisen, dass sie vor 30 Jahren zu Recht auf die Barrikaden gegangen sind.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für alte Kämpfe haben wir aber keine Zeit mehr.

(Beifall bei FDP und CDU)

Es geht nicht um Selbstbestätigung, sondern um pragmatische Sachpolitik.

(Zuruf von der SPD: Sagen Sie mal etwas zum Sachthema!)

Die Energieversorgung von morgen braucht keine alten Kamellen, sondern sie braucht neue Antworten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings sollten diese Antworten dann auch von denen kommen, die dafür zuständig sind. Da ist die Faktenlage ziemlich eindeutig. Schleswig-Holstein hat hinsichtlich des Atomgesetzes keine Regelungskompetenz. Der Bund ist in dieser Frage Hüter von Gesetz und Recht, und selbstverständlich orientiert sich die Landesregierung daran.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Wie die alte auch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bisher leistet die Kernenergie in Deutschland und in Schleswig-Holstein einen bedeutenden Beitrag im Energiemix. Die Kernkraftwerke in Deutschland leisten fast die Hälfte der Grundlast - das ist Fakt -, welche per

(Olaf Schulze)

manent zur Leistungsdeckung benötigt wird. Sie geben Menschen Arbeit, bescheren den Standortkommunen nicht unerhebliche Steuereinnahmen und finden eine breite Akzeptanz in der örtlichen Bevölkerung.

(Zuruf von der SPD)

Unabhängig davon kann man sich natürlich die Frage stellen, ob es sinnvoll sein kann, die im Atomgesetz zwischen Bund und Energieversorgungsunternehmen vereinbarten und noch bestehenden Reststrommengen der einzelnen Kernkraftwerke von älteren auf jüngere Meiler zu übertragen, natürlich in einem Konsens zwischen Bund, Ländern und Betreibern und den jeweiligen Standortgemeinden.

CDU und FDP haben sich diese Frage in den Koalitionsverhandlungen gestellt und im Koalitionsvertrag Folgendes vereinbart - ich zitiere -: „CDU und FDP sind sich ungeachtet dessen darin einig, dass sie auf die Übertragung von Reststrommengen von älteren auf jüngere Kernkraftwerke hinwirken wollen.“

Mathematisch folgt daraus dann ziemlich klar, dass dies automatisch eine Verlängerung der Laufzeit derjenigen Kraftwerke zur Folge hätte, die die zusätzlichen Strommengen produzieren dürfen. Insofern können wir dem Antrag der Grünen nicht zustimmen.

(Zuruf von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Reduzierung der zu produzierenden Reststrommengen aus Kernenergie lehnt die FDP-Fraktion ab. Klar ist für uns, dass die Kernenergie im Energiemix auch noch in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle einnehmen wird.