Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will gern etwas klarstellen. Wir haben in diesem Antrag eine Feinheit nicht klar dargestellt. Es geht um die Großkonzerne, es geht nicht um die Windmüller, die - aus meiner Vergangenheit ersichtlich die Unterstützung von meiner Seite haben.
- Ich werde jetzt einfach einmal anfangen. Wir können ja gleich noch weiter darüber diskutieren. Ich möchte jetzt gern zum Antrag zurückzukommen.
Jeder Mensch in Schleswig-Holstein braucht Strom. Stromversorgung ist für DIE LINKE deshalb ein wichtiger Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Den Transport elektrischer Energie von den Kraftwerken zur Steckdose stellt ein bundesweites Stromnetz sicher. Da die großen Energiemengen, die täglich erzeugt und verbraucht werden, nur in geringem Maße speicherbar sind, müssen die Netze jederzeit funktionieren, um Strom an Unternehmen, Privathaushalte und öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen zu liefern.
Alleinige Besitzer der Übertragungsnetze sind die vier Energiekonzerne. Sie haben Deutschland in vier Netzgebiete aufgeteilt, in denen sie die alleinige Hoheit über die großen Stromleitungen haben. Gleichzeitig beherrschen sie etwa 80 % der Stromerzeugung in Deutschland. Diese marktbeherrschende Stellung nutzen sie, um den Zugang neuer Anbieter zu behindern und die Einspeisung erneuerbarer Energien auszubremsen.
Die Zeche zahlen die Stromkunden mit deutlich überhöhten Energiepreisen. In der Bundesrepublik ist Strom für Privathaushalte 50 % teurer als im europäischen Durchschnitt. Die Netze werden nur minimal instand gehalten, damit die Kosten der privaten Betreiber nicht zu sehr ansteigen.
Die Fraktion DIE LINKE fordert die Vergesellschaftung der Stromnetze. Es bedarf einer direkten gesellschaftlichen Kontrolle der Netze, um Missbrauch zu verhindern und eine zukunftsgerechte Ausrichtung der Energieversorgung sicherzustellen.
Dieses Ziel ist nur durch Überführung in die öffentliche Hand zu erreichen. Eine einfache Trennung von Stromerzeugung und Leitungsnetz an verschiedene private Betreiber, wie SSW und SPD sie fordern, ist uns daher zu wenig. Auch hier wäre ein privater Netzbetreiber nur auf Profit aus. Es wäre nichts gewonnen.
Jetzt kommt eine Retourkutsche: Zum Glück müssten wir in diesem Punkt zumindest die Grünen an unserer Seite haben. Auf Antrag von Detlef Matthiessen beschlossen diese im Jahre 2006 in Köln unter anderem folgenden Satz: „Die zunehmende strategische Bedeutung der Stromnetze ist ein wich
Die Stromerzeugung von Großkraftwerken in öffentlicher Hand ist daher für uns ein sehr wesentlicher Ausgangspunkt, um die jetzige Art und Weise, wie man mit erneuerbaren Energien umgeht, zu verändern. Wer verantwortungsvolle Umweltpolitik durchsetzen will, sollte wissen, dass dies mit E.ON, EnBW, Vattenfall oder RWE als Verhandlungspartner nicht möglich ist.
Gerade auch die Grünen sollten am Beispiel des Atomkonsenses nun langsam merken, dass Vereinbarungen mit den Stromkonzernen das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. Kaum wittern die Konzerne mehr Profit, setzen sie Laufzeitverlängerungen für alte AKW durch.
Auch in Hamburg zeigt sich gerade die Ohnmacht der Politik. Unter einer grünen Senatorin baut Vattenfall dort ein Mega-Kohlekraftwerk und zerstört mit dem Bau einer Wärmetrasse den Baumbestand in einem Hamburger Naherholungsgebiet.
Politik sollte sich nicht hinter Eigentumsvorbehalten verstecken, sondern handeln. Nur mit einer Stromversorgung in öffentlicher Hand wird die Umwelt zu retten sein. Ich möchte nicht, dass meine Kinder in einer zerstörten Umwelt leben müssen, weil Konzerne Profite einfahren wollen. Auch soziale Strompreise sind nur mit einer demokratisch kontrollierten Stromversorgung möglich. Wenn zum Beispiel alte Menschen wegen ihrer geringen Rente ihre Stromrechnung nicht bezahlen können und im Dunkeln sitzen, kann das nicht in unserem Sinne sein. Bisher ist das bittere Realität in diesem Land.
Wer der Meinung ist, dass sich Politik nicht auf die Rolle eines Papiertigers beschränken sollte, muss unserem Änderungsantrag zustimmen.
Für die Landesregierung erteile ich das Wort dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn de Jager.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte es mir auch wegen der fortgeschrittenen Zeit und der Tatsache, dass wir zeitlich hinten lie
gen, verkneifen, noch einmal die Geschichte dieses Antrages zu wiederholen, der in der Tat verschiedene Irrungen und Wirrungen durchlaufen hat. Wir kennen ihn im Wortlaut jetzt nicht zum ersten Mal. Insofern könnte ich mir auch den Spaß machen, festzustellen, wer den Antrag schon einmal unterstützt hat und wer nicht. Ich will gleichwohl darauf verzichten und darauf hinweisen, dass der Antrag schon bei seiner ersten Einbringung eigentlich zwecklos war, weil das, was dort gefordert wurde, wenn auch in leicht geänderter Form, durch die EU schon lange in Gang gesetzt worden ist.
Wir alle wissen, dass die Rechtslage so ist, dass auf der Basis des Lissabon-Vertrages gar nicht mehr der Bundestag die entscheidende Gesetzgebung machen könnte, sondern dies inzwischen EU-Recht ist. Sie wissen, dass die EU mit ihrem Dritten Energiepaket drei Entflechtungsvarianten festgelegt hat, darunter auch die eigentumsrechtliche Entflechtung. Diese EU-Vorgaben müssen bereits bis März 2011 umgesetzt werden.
Das ist übrigens das, was jetzt auch proaktiv geschieht. Die Tatsache, dass der E.ON-Konzern sein Hochspannungsnetz verkauft, ist haargenau dieser Tatsache geschuldet und greift diesen Bestimmungen vor. Insofern geschieht das, was Sie einfordern, schon in weiten Teilen. Das ist auch das, was die EU mit ihrer Rechtsetzung bewirken wollte.
Herr Minister, entschuldigen Sie, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthiessen?
Herr Minister, sind Sie so freundlich, uns mitzuteilen, für welche Netzebene die EU-Vorschriften gelten?
- Das wollte ich gerade machen. Ich wollte nämlich berichten, dass der E.ON-Konzern wahrscheinlich rückwirkend zum 1. Januar 2010 sein Höchstspannungsnetz an den niederländischen Betreiber TenneT verkaufen will. Ich könnte jetzt die Seitenbemerkung machen, dass damit übrigens einigen ihrer Forderungen nach dem öffentlichen Besitz dieser Netze durchaus entsprochen wird, weil TenneT nämlich überwiegend in der Eigentümerschaft des niederländischen Staates ist. Insofern haben Sie das
Ich kann auch darauf verweisen, dass Teile des Netzes in Deutschland Vattenfall gehören. Vattenfall gehört dem schwedischen Staat. Insofern ist die Realität vielleicht ein bisschen dichter an dem, was Sie wollen, als wir es zum Beispiel wollen.
Ich hoffe übrigens, dass wir mit der Veräußerung des Höchstspannungsnetzes an TenneT, ohne dass es zu einer zwingenden eigentumsrechtlichen Entflechtung kommen muss, hinsichtlich des Leitungsbaus im Zusammenhang mit Offshore ein Stück vorankommen. Ich glaube, dass dies durch TenneT auch tatsächlich gewährleistet werden kann. Wir sind verabredet, sobald der Deal tatsächlich abgeschlossen worden ist, dies mit TenneT zu besprechen.
Insofern ist das, was an Entflechtung auf EU-Ebene vorgesehen ist, inzwischen schon bei den Konzernen tatsächlich im Gange.
Ich möchte nur einmal darauf hinweisen, dass in der Tat die eigentumsrechtliche Entflechtung, die Sie beantragen, ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen ist. Es ist richtig, dass das, was Lars Harms gesagt hat, nämlich die rechtliche Verpflichtung zu verkaufen, etwas anderes ist als Verstaatlichung. Aber allein die gesetzliche Verpflichtung zu verkaufen ist ein Eingriff ins Eigentumsrecht. Ich denke, dass wir mit solchen Eingriffen ausgesprochen sparsam umgehen sollten, wenn es auch andere Mittel gibt, das Ziel zu erreichen.
Damit komme ich zu einer zweiten Frage, weil der Kollege Matthiessen es ja so dargestellt hat, als ob die Grünen irgendwie gar nicht für Verstaatlichung wären. Wenn ich den zweiten Punkt Ihrer Auflistung sehe, sind Sie dort ordnungspolitisch nicht so richtig weit davon entfernt. Wenn Sie wollen, dass es eine landesweite Netzgesellschaft in überwiegend öffentlicher Trägerschaft gibt, dann wollen Sie in Teilen des Netzbereiches wieder einen Zustand herbeiführen, wo der Staat Netze betreibt. Da bin ich grundsätzlich anderer Auffassung. Es ist nicht Aufgabe des Staates, Netze zu betreiben. Das ist der Grund, weshalb die Liberalisierung 2002 die Voraussetzungen dafür geschaffen hat. Das ist übrigens auch der Grund dafür, warum wir auch 2005 mit der Regulierung der Netze und der Netzentgelte den Weg eingeschlagen haben, den ich für marktwirtschaftlicher und wirtschaftlich richtiger halte als eine Renaissance staatlicher Eigentumsrechte an Netzen, die nicht eine staatliche Aufgabe sind.
Ich glaube übrigens, dass diese Forderung nach einer landesweiten Netzgesellschaft in überwiegend öffentlicher Eigentümerschaft auch kontraproduktiv ist. Denn das, was gegenwärtig in Schleswig-Holstein zwischen der E.ON Hanse, den Kommunen und auch den Stadtwerken verhandelt wird, ist die Gründung einer solchen Netzgesellschaft.
Nein, ich habe keine Zeit mehr. Ich habe nur noch zwei Sekunden. Allein die Frage abzulehnen verbraucht diese zwei Sekunden.
Ich sage Ihnen: Die Priorität der Landesregierung ist, dass wir vielleicht zu einer landesweiten Netzgesellschaft kommen. Aber mir wäre es lieber, dass sie sich privatwirtschaftlich organisiert, als dass sie staatlich verordnet wird.
In diesem Sinne meine ich, dass Sie mit Ihrem Antrag die falschen Signale setzen. Erstens ist dieser Antrag aus meiner Sicht nicht notwendig, weil die Deregulierungsbestimmungen schon da sind, und zweitens halte ich ihn in der weiteren Zielsetzung für kontraproduktiv.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Minister, um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen: Wir sind für die Verstaatlichung von natürlichen Monopolen. Das ist volkswirtschaftlich außerordentlich sinnvoll. Wir nennen das nur elegant Überführung in die öffentliche Hand. Ich habe in meiner Rede gesagt: Wer Ownership Unbundling sagt, wer also den Zwang, Eigentum abzugeben, nennt, der nimmt das böse Wort Enteignung in den Mund. Wer sagt, er wolle öffentliches Eigentum bilden, der nimmt das Wort Verstaatlichung in den Mund. Das heißt aber nicht, dass eine tumbe öffentliche Netzverwaltungsgesellschaft mit einem Oberregierungsrat und so weiter das erledigen muss. Wir können das
Wichtig ist, dass dort, wo wir Strukturen haben, die der Marktwirtschaft nicht zugänglich sind, weil sie natürliche Monopole sind, auch öffentliches Eigentum gebildet wird, weil nur das Sinn macht. Marktwirtschaft soll dort stattfinden, wo wir auch Wettbewerbsmärkte organisieren können. Das können wir nun einmal im Bereich des Stromnetzes nicht. Keiner kommt auf die Idee, eine Parallelleitung zu bauen, bloß weil er HDW mit Strom beliefern will. Das macht volkswirtschaftlich wenig Sinn.