Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

Selbst im Bereich der Übertragungsnetze ist Bewegung entstanden; die vier großen Energieerzeuger haben endlich - auch angesichts der drohenden EUSanktionen - ihren Fundamentalwiderstand aufgegeben. E.ON wird voraussichtlich schon Ende des Monats sein knapp 11.000 km langes Netz für rund 1 Milliarde € verkauft haben. Vattenfall hat angesichts dieses zu erwartenden Preises seinen schon fast abgeschlossenen Verkauf zunächst auf Eis gelegt, wird aber sicher folgen. Die größten Transportnetzbesitzer RWE und EnBW haben dagegen erklärt, an ihren Netzen festhalten zu wollen. Daher ist die Forderung einer vollständigen Trennung von Stromerzeugung und Übertragungsnetz weiter notwendig und braucht Unterstützung auf allen Ebenen.

Mit der vollständigen Trennung von Stromerzeugung und Übertragungsnetz werden wir einen wichtigen, aber nicht abschließenden Schritt für mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt erreicht haben. Sinkende Verbraucherpreise danach sind allerdings kein Automatismus. Ein landesweit zersplittertes Stromnetz kann auch Gefahren für die Ziele Transparenz und diskriminierungsfreier Zugang für die Verbraucherinnen und Verbraucher nach sich ziehen.

Angesichts des parallel laufenden Verfahrens zur Konzessionsvergabe überall in Schleswig-Holstein sehen wir es daher als nächstes Ziel an, landesweite oder landesübergreifende Netzgesellschaften in mehrheitlich öffentlicher Trägerschaft zu schaffen. Nach Auffassung meiner Fraktion ist es eine vorrangige Aufgabe der Daseinsvorsorge, sicher, wirtschaftlich und diskriminierungsfrei die Stromversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger zu garantieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Dies kann nur geschehen, wenn sich öffentliche Träger mehr als bisher engagieren und Strom auf Basis erneuerbarer Energien erzeugen, die Leitungen zukunftsfähig ausbauen und den Bürgerinnen und Bürgern diesen Strom kostengünstig anbieten. Hierfür werden wir uns heute und in den nächsten Sitzungen parlamentarisch einsetzen; der vorliegende Antrag ist ein erster Schritt in diese Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Oliver Kumbartzky das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegt ein Antrag des SSW, der Grünen und der SPD, der nahezu wortgleich einem Antrag ist, der bereits im Jahr 2006 von SSW, FDP und den Grünen eingebracht und seitdem mehrfach behandelt wurde; das wurde schon gesagt. Ich stelle aber fest, dass es anscheinend ein Umschwenken in der SPD-Fraktion gab. In der letzten Wahlperiode wurde der Antrag noch abgelehnt, heute stellt man ihn sogar spontan zusammen mit dem SSW.

(Olaf Schulze [SPD]: Sie haben nicht richtig zugehört! Sie hätten die Protokolle von da- mals lesen sollen!)

Das erinnert mich an den zweiten Korintherbrief, Kapitel fünf, Vers 17, den man auch auf vielen Neujahrsempfängen zu hören bekam; ich denke, viele kennen ihn, ich möchte ihn trotzdem zitieren:

“Das Alte ist vergangen; siehe, alles ist neu geworden.”

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut! - Bei- fall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie schreiben in dem Antrag, dass es eine Initiative auf Bundesebene geben soll. So weit, so gut. Schauen wir doch einmal in den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP auf Bundesebene. Schwarz-Gelb in Berlin wird das dritte Binnenmarktpaket Strom und Gas zügig umsetzen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine flächendeckende Modernisierung der Energienetze zu intelligenten Netzen sollen weiterentwickelt werden. Die deutschen Übertragungsnetze sollen in einer unabhängigen und kapitalmarktfähigen Netzgesellschaft zusammengeführt und die Grenzkuppelstellen weiter ausgebaut werden. Sie

(Olaf Schulze)

sehen, meine Damen und Herren, die wettbewerblichen Strukturen auf den Energiemärkten werden weiter verbessert, und das ist gut so.

Eine Markttransparenzstelle soll eingerichtet und deren Befugnisse sollen so erweitert werden, dass sie über alle Informationen verfügt, um zeitnah eine transparente Preisbildung im Stromgroßhandel zu sichern. Mit ihr soll die Aufsicht über den Stromgroßhandel schlagkräftiger werden. Klar ist für uns: Die Marktteilnehmer brauchen mehr Transparenz und Vertrauen. Die neue Stelle kann dafür sorgen.

Wir sind uns doch einig: Wettbewerb auf dem Regelenergiemarkt muss gefördert und ein einziges nach einheitlichen Regeln funktionierendes Marktgebiet muss angestrebt werden.

Gut, ganz einig sind wir da nicht. Ich schaue kurz auf den Antrag der LINKEN. Dort wird gefordert, dass sämtliche Kraftwerke verstaatlich werden sollen. Ich nehme an, auch Kernkraftwerke. Jetzt ist Herr Jezewski gerade nicht da, aber ich wäre gern noch einmal auf seinen Redebeitrag von gestern eingegangen und hätte gern gefragt, ob er das meinte, wofür er sich damals in Brokdorf eingesetzt hat.

Ich sagte bereits zu Anfang: Alles ist neu geworden. Wir haben im Bund eine neue Regierung, und diese hat sich auf genau die Dinge verständigt, die SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD nun einfordern. Insofern ist der Antrag im Prinzip überflüssig.

(Beifall bei FDP und CDU)

Doch der Antrag ist auch aus einem anderen Grund überflüssig. Nach längeren Verhandlungen ist im Juni 2009 das Dritte Energiepaket zur Liberalisierung des Strom- und Erdgasmarktes in der EU verabschiedet worden. Unter anderem geht es in diesem Paket um Entflechtungsvorgaben für Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreiber. Sie sehen, auch auf EU-Ebene gelten neue Rahmenbedingungen.

Für die FDP-Landtagsfraktion ist klar: Wir brauchen eine weitere Stärkung des Wettbewerbs. Das ist im Interesse der privaten ebenso wie der industriellen Verbraucher. Das Dritte EU-Binnenmarktpaket ist zügig umzusetzen. Denn wir brauchen auch mehr Wettbewerb in Europa. Europaweit muss es einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen geben.

Durch die diversen neuen Rahmenbedingungen und Beschlüsse geht der vor uns liegende Antrag leider ins Leere. Schließlich ist auch aufseiten der Netzbetreiber einiges in Bewegung. Die Übertragungsnet

ze werden verkauft beziehungsweise stehen vor dem Verkauf.

Bemerkenswert ist übrigens, dass die Passage mit den Anschlusskosten von Windparks im OffshoreBereich in dem Update des Antrages gestrichen wurde. Immerhin haben Sie, was diesen Part Ihres Antrages betrifft, noch rechtzeitig gemerkt, dass es auch für diesen Bereich etwas Neues gibt; Stichwort: Gesetz zur Beschleunigung von Planverfahren für Infrastrukturvorhaben vom Dezember 2006.

Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen: Der Investitionsstau im Ausbau der nationalen Energienetze muss aufgelöst werden. Durch eine Netzausbaustrategie müssen bessere Voraussetzungen zur Einspeisung des Stromes aus erneuerbaren Energien geschaffen werden. Ich bin davon überzeugt, dass die Landes- und die Bundesregierung eine weitere Beschleunigung der Planungsverfahren im Leitungsbau angehen werden. Der Strom muss auch in Zukunft zuverlässig und gleichmäßig zum Verbraucher kommen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Jetzt sind die Netzbetreiber an der Reihe. Sie müssen ihre Pläne rasch umsetzen. Die regierungstragenden Fraktionen von CDU und FDP werden ihren Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Matthiessen für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Strommarkt wurde in Deutschland im Jahr 1998 in Umsetzung der EU-Richtlinie Elektrizitätsbinnenmarkt liberalisiert. Die Richtlinie forderte das Unbundling, auf Deutsch eine Entflechtung von Netz, Erzeugung und Vertrieb. Worum geht es dabei? - Der Dresdener Energiewissenschaftler Christian von Hirschhausen - nicht zu verwechseln mit Eckart von Hirschhausen, „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“; hier handelt es sich um einen Energiewissenschaftler - formulierte das Problem so: Vertikal integrierte Infrastrukturunternehmen hätten ein dauerndes Motiv, die Schwesterunternehmen aus dem eigenen Konzern beim Infrastrukturzugang zu bevorzugen und Drittunternehmen zu diskriminieren. Oder wie Dr. Jan Tönnies aus Kiel erklärte: Das Eigentum am Strom

(Oliver Kumbartzky)

netz in der Hand der Konzerne, die gleichzeitig Stromerzeuger seien, setze einen beständigen Reiz zur Eigenbegünstigung.

Die Unbundlingvorschriften dienen also der Sicherung von Wettbewerb. Dabei ist in den EU-Richtlinien, die jetzt umgesetzt werden sollen, die Rede von Legal Unbundling und Ownership Unbundling. Wer die eigentumsrechtliche Entflechtung in der Stromwirtschaft fordert, nimmt in einem zweiten Schritt das Wort Enteignung in den Mund. Wer eine Überführung in öffentliches Eigentum fordert, nimmt in einem dritten Schritt das Wort Verstaatlichung in den Mund. Doch stellen Menschen solche Forderungen auf, die völlig unverdächtig sind, zu den letzten Altkommunisten zu zählen. Schauen Sie mich oder Lars Harms an.

(Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Völlig unverdächtig auch Olaf Schulze von der SPD, zumal der in der letzten Legislaturperiode einen fast identischen Antrag zusammen mit Anette Langner, Regina Pörsch, Bernd Schröder und den CDU-Kollegen ablehnte. Also alles gute Marktwirtschaftler.

Daher komme ich noch einmal zu dem Antrag der Linken.

DIE LINKE macht es so: Lars Harms steht am Herd und brät ein gutes Steak. Dann kommt DIE LINKE und gibt roten Pfeffer drauf. Dann wird das Ganze noch einmal durchradikalisiert.

(Beifall des Abgeordneten Heinz-Werner Je- zewski [DIE LINKE])

Dann fordern sie nicht nur das Unbundling, also die Enteignung und die Überführung in die öffentliche Hand des Leitungsnetzes, sondern auch der Stromerzeugung. Als Marktwirtschaftler sind wir deswegen dafür, das Stromnetz zu enteignen oder in öffentliches Eigentum zu überführen, weil es von seiner Struktur her mit einem Marktversagen einhergeht.

Ich kann keine zweite Autobahn bauen, um Autos fahren zu lassen. Ich brauche deswegen nicht Mercedes oder Ford zu enteignen, sondern mir reicht die Autobahn in öffentlichem Besitz.

(Beifall und Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Letztlich, Ranka Prante, läuft Ihr Antrag darauf hinaus, dass Sie den Bauern auf Fehmarn die Windmühlen wegnehmen wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß nicht, ob das Ihre tatsächliche Absicht ist. Ich finde, ein bisschen mehr Sorgfalt in der Antragstellung bei der LINKEN sollten wir in Zukunft verlangen können.

Mit dem Bereich der Netzstrukturen ist es noch lange nicht getan. Ich komme wieder auf die Altkommunisten zurück. Es wurde auch gefordert, die Erzeugungsoligopole zu zerschlagen, die immer noch 80 % der Stromerzeugung in Deutschland in der Hand haben. Das haben der Hessische Wirtschaftsminister und sein Ministerpräsident, Herr Koch, gefordert. Das ist sicherlich eine Sache, die noch ansteht. Mit einem bloßen Agieren auf der Netzseite ist es, glaube ich, nicht getan, die Liberalisierung wirklich konsequent umzusetzen und für Wettbewerb zum Wohle der Kunden zu sorgen.

An Herrn Kumbartzky noch ein Wort. Die Verbesserung einer Aufsichtsbehörde, von der Sie sagen, das sei die große Lösung, ist natürlich immer noch schlechter, als wenn wir Strukturen haben, die von der Struktur her gar nicht beaufsichtigt werden müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir brauchen eine KMU-Struktur auch in der Stromwirtschaft, und wir wollen die regionalen Netze, die lokalen Netze in Bürgerhand. Das heißt, das Angebot, das die Schleswag zurzeit macht, wo sie behauptet, Cecilienkoog mit einem Stromnetz zu versorgen sei so viel teurer als Eckernförde, diese Behauptung sollen die erst einmal belegen. Das ist eine Auffassung, die wir nicht teilen. Wir fordern lokale Netze in Bürgerhand, sodass die Kommunen wieder die Gestaltungsmacht in der kommunalen Energiepolitik zurückerlangen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich das Wort der Frau Kollegin Ranka Prante.