Protokoll der Sitzung vom 16.10.2015

Könnten Sie mir einmal ein Signal geben: Wollen Sie die Anträge beide überweisen oder über beide in der Sache abstimmen?

(Zurufe: In der Sache abstimmen! - Abstim- men und fertig!)

- Danke schön. Dann schlage ich abweichend von der Geschäftsordnung vor, den vorliegenden Änderungsantrag zu einem selbstständigen Antrag zu erklären. - Widerspruch sehe ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich lasse zunächst über den Antrag der CDU-Fraktion, Drucksache 18/3406, abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten von FDP, CDU und PIRATEN. Wer lehnt diesen Antrag ab? - Das sind die Abgeordneten von SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Schließlich lasse ich über den Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/3472, abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten von FDP, CDU, PIRATEN, SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag von Ihnen einstimmig so beschlossen worden.

Meine Damen und Herren, wir haben weitere Gäste auf der Tribüne: Begrüßen Sie mit mir Mitglieder der IG Metall-Senioren aus Rendsburg sowie Gäste von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus den Kreisen Pinneberg und Segeberg. - Herzlich willkommen Ihnen allen hier im Kieler Landeshaus!

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Keine Zentralisierung der Erlaubnis- und Genehmigungsbehörde für Großraumund Schwerverkehre

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 18/3408 (neu)

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Oliver Kumbartzky von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hintergrund des vorliegenden Antrages ist der Entwurf aus dem Wirtschaftsministerium zur Änderung der Landesverordnung über die zuständigen Behörden und Stellen nach dem Straßenverkehrsrecht. Die Verordnungsänderung, zu der die kommunalen Landesverbände ja bereits Stellung nehmen durften, beinhaltet in Artikel 2, dass zukünftig nicht mehr die Kreise und kreisfreien Städte, sondern eben der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein, LBV-SH, als zentrale Erlaubnisund Genehmigungsbehörde für Großraum- und Schwertransporte zuständig sein soll.

Das sollte offenbar ohne Beteiligung des Parlaments geschehen. Das ist ja auch legitim, denn es handelt sich um eine Verordnung. Da ist es normal, dass die Regierung so entscheiden kann. Aber ich denke, dass es bei einem so wichtigen und zentralen Thema trotzdem gut ist, wenn das Parlament beteiligt ist. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt, um hier im Hohen Hause über diese Verordnung zu diskutieren.

Mittlerweile haben ja auch erste Kreise Resolutionen zu diesem Thema verfasst und beschlossen. So hat beispielsweise der Dithmarscher Kreistag vor einigen Wochen einstimmig - ich wiederhole: einstimmig! - beschlossen, die Landesregierung aufzufordern, von der geplanten Zentralisierung beim LBV Abstand zu nehmen und stattdessen den Kreisen und kreisfreien Städten durch ein Optionsmodell die Beibehaltung der Zuständigkeit als Erlaubnis- und Genehmigungsbehörde zu ermöglichen.

Die FDP-Fraktion wie auch die CDU-Fraktion haben sich nun der Beschlusslage dieser Resolution angeschlossen und einen entsprechenden Antrag verfasst.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Um es zu verdeutlichen: Wir sagen mit unserem Antrag nicht einfach nur: „Nein, wir wollen das nicht!“, sondern wir machen Ihnen ein konstruktives Angebot. Wir wollen mit Ihnen in den viel gewünschten Dialog eintreten. Ich hoffe, Sie nehmen dieses Angebot an. Wir beantragen nämlich, die Verordnung in Hinblick auf ein Optionsmodell zu modifizieren, das es denjenigen Kreisen, die wollen, ermöglicht, weiterhin als genehmigende Stelle tätig zu sein.

Soweit im Genehmigungsverfahren ein unstrittiger Aufwand beim Landesbetrieb entsteht, ist es sicher

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

lich auch möglich, ergänzende Gebührentatbestände zu schaffen, die diesem Aufwand Rechnung tragen. Das Ganze geht auch hervor aus der Bemerkung des Landesrechnungshofs. Ich glaube, wenn man dieses Optionsmodell mit erweiterten Gebührentatbeständen macht, dann wird man den Bemerkungen des Rechnungshofs wirklich gerecht.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ein paar Gründe nennen, die gegen eine Zentralisierung sprechen, und zwar würde eine Zentralisierung den Verlust von Dienstleistungsqualität und Bürgernähe bedeuten. Gerade die persönliche Betreuung der mittelstandsfreundlichen und kundenorientierten Kreisverwaltungen und die Synergien, die sich durch die räumliche Nähe zur Zulassungsstelle ergeben, sind den Logistikunternehmen wichtig.

(Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

- Ich weiß nicht, was da jetzt für Diskussionsbedarf besteht. Gut, wir klären das gleich noch einmal. Wie gesagt, wir reden über ein freiwilliges Optionsmodell. Gerade die Logistikbranche ist wirklich sehr auf Bürgernähe, Kundenorientierung angewiesen. Wir reden über immense Zahlen. Ich weiß nicht, ob jedem bewusst ist, wie viele Schwerlasttransporte pro Jahr genehmigt werden. Allein im Kreis Dithmarschen waren es 2013 6.741 und im Jahr 2014 genau 9.241 Genehmigungen. Bis zum 30 Juni 2015 waren es in Dithmarschen schon 5.949 Genehmigungen. Da sieht man die große Zahl. Natürlich reden wir da auch über das Thema der Finanzen. Viele Kreise generieren dadurch Überschüsse, gerade die Haushaltskonsolidierungskreise.

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Gerade der Haushaltskonsolidierungskreis Dithmarschen oder der Haushaltskonsolidierungskreis Schleswig-Flensburg sind auf diese Überschüsse angewiesen, Herr Tietze. Ich sage es noch einmal:

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei von neun!)

- Ja, zwei von neun. Wir reden ja auch über ein freiwilliges Modell. Ich bin auf Ihre Rede gleich gespannt. Ich weiß nicht, in welche Richtung Sie tendieren. Ich sage doch: Man kann es über eine Freiwilligkeit lösen, dass zum Beispiel diese beiden Kreise die Genehmigung bei sich behalten und die anderen Kreise das zentral abgeben können - gar kein Problem.

(Beifall FDP und CDU)

Ich will Ihnen noch einen Tipp geben. In Niedersachsen ist das Ganze auch diskutiert worden. Das war 2011. Da hat man sich damals bewusst für die Beibehaltung der dezentralen Regelung entschieden. Auch in Niedersachsen war das Thema der Gebühren für die Einschaltung von Landesbehörden ein Thema. Wir alle sollten in der weiteren Diskussion die offensichtlich positiven Erfahrungen berücksichtigen, die Niedersachsen mit einer Beibehaltung der dezentralen Zuständigkeit bei Einführung eines zusätzlichen Gebührentatbestandes für den Aufwand von Landesbehörden gemacht hat.

Ich beantrage, den Antrag in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen, und hoffe, dass wir dort zusammen mit der Landesregierung im Sinne des Speditionsgewerbes und im Sinne der Kreise eine einvernehmliche Lösung finden. Wie gesagt, das Angebot zum Dialog liegt vor. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss und auf die Beratung jetzt. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Johannes Callsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herrn! Man kann der Landesregierung an dieser Stelle zumindest nicht vorwerfen, dass sie das umsetzt, was sie in diesem Hohen Hause bereits mit ihrem Bericht zur „Gesamtstrategie für mehr Fairness und Sicherheit im Straßenverkehr“ im Jahre 2014 auf Anraten des Landesrechnungshofs präsentiert hat. Allerdings fehlen in diesem Bericht ganz wesentliche Informationen, nämlich insbesondere darüber, welche Auswirkungen diese Aufgabenzentralisierung auf die Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein haben wird.

Es ist in der Tat so: Die Wahrheit ist, dass die Zentralisierung die Kreise und kreisfreien Städte sehr viel Geld kosten wird, allein Dithmarschen 750.000 € wegen der vielen WindkraftanlagenTransporte, die an der Westküste anfallen. Im Kreis Schleswig-Flensburg sind es 180.000 € Gebührenerträge, die wegfallen würden - und das in einem Kreis, der sich in der Haushaltskonsolidierung befindet. Nun hat in der Tat die CDU-Fraktion im Kreistag nicht die Mehrheit - wir sind stärkste Fraktion -, aber es zeugt auch von der Vernunft der dortigen Koalitionsfraktionen - SPD, GRÜNE und

(Oliver Kumbartzky)

SSW -, dass sie sich im Kreistag ebenso einstimmig der Resolution des Kreistags angeschlossen haben.

(Beifall CDU und FDP)

Es kann doch nicht sein, dass die Straßenverkehrsbehörden in den Kreisen auch zukünftig in das Verfahren eingebunden sind, aber nicht mehr den für den notwendigen Personalaufwand erforderlichen Ertrag durch Gebühren erhalten.

Nun kann ich ja verstehen, dass die Landesregierung für die ihrerseits beim Landesbetrieb entstehenden Personalkosten, die auch heute nicht vergütet werden, nach Möglichkeiten sucht, wie dieses Defizit auszugleichen ist. Dafür aber schlichtweg das System umzudrehen und die Kreise und kreisfreien Städte auf den Kosten sitzen zu lassen, das ist nun wirklich etwas zu kurz gesprungen. Damit machen Sie es sich als Landesregierung zu einfach.

Das Ganze wird dann von der Landesregierung mit dem einen oder anderen möglichen, rein theoretischen Effizienzgewinn bei der Abwicklung begründet. Auch das halte ich für einigermaßen abenteuerlich.

Deshalb trägt die Forderung des Landesrechnungshofs, auf dessen Grundlage Sie Ihre Reform offenbar planen, nicht durch. Meine Damen und Herren, der LBV hat immer argumentiert, dass, sofern Personal auf absehbare Zeit beim LBV reduziert wird, dann auch Aufgaben abgegeben werden müssen. Nun plant die Landesregierung genau das Gegenteil. Sie plant mit ihrer Änderung der Landesverordnung, neue Aufgaben auf den LBV zu übertragen.

Das Ganze soll dann in Summe, also mit dem Personalabbau in den Kreisen und kreisfreien Städten und einem geringeren Personalaufwuchs beim LBV selbst, effizienter und vor allem schneller in der Bearbeitung sein. Meine Damen und Herren, wer findet den Fehler?

Für den Kreis Schleswig-Flensburg kann ich sagen, dass es dort die Unternehmen, die Logistiker aus dem Kreis und aus Dänemark sind, die ausgesprochen zufrieden mit der Serviceleistung sind, mit der Dienstleistungsqualität der Kreisbehörden. Das wird mit Sicherheit auch für die anderen Kreise gelten. Das System ist eingespielt. Warum soll man daran rumwurschteln?

(Beifall CDU und FDP)

Nein, eine Zentralisierung, so wie sie hier geplant ist, würde bedeuten, dass wir Dienstleistungsqualität in den Kreisen verlieren, dass wir die persönli

che Betreuung der mittelständischen Unternehmen verlieren. Das befürchten die Logistiker. Deswegen ist es richtig, dass wir uns im Wirtschaftsausschuss noch einmal intensiv damit befassen und über eine Lösung diskutieren, die die Servicequalität für das Gewerbe sicherstellt und auf der anderen Seite auch der Finanzsituation der Kreise gerecht wird. Wir haben dazu einen Vorschlag gemacht. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Danke schön. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Kai Vogel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht zum ersten und sicherlich auch nicht zum letzten Mal sprechen wir über das Thema Entbürokratisierung. Der Weg zu weniger Bürokratie ist allerdings nicht einfach, eventuell auch nicht vernünftig, manchmal dreht man einzelne Schleifen. Das Ziel dabei muss immer klar sein: Verwaltung und Verwaltungshandeln müssen darauf ausgerichtet sein, möglichst schnell, effektiv und transparent Entscheidungen treffen zu können. Dies dient nicht nur der Ersparnis von Kosten, sondern hilft der Wirtschaft und den Bürgerinnen und Bürgern. Das gilt ebenso für die Genehmigung, in diesem Fall von Großraum- und Schwerlastverkehr.

Der Schwerlastverkehr ist auf unseren Straßen mittlerweile ein alltägliches Phänomen. Wir reden dabei über viele tausend Schwerlasttransporte im Jahr auf Schleswig-Holsteins Straßen. Wenn man sich abends ab 23 Uhr auf der A 23 oder A 7 bewegt, ist man immer erstaunt, was da an Massen von Schwerlasttransporten unterwegs ist. Dies bedeutet nicht zuletzt auch entsprechenden Mehraufwand für die Genehmigungsbehörden des Landes und der Kreise auf der einen und Speditionen und Auftraggebern auf der anderen Seite.

Der Landesrechnungshof hat schon 2011 festgestellt, dass das derzeitige Verfahren unter Beteiligung aller regional zuständigen Verkehrsbehörden und Straßenbaulastträger sehr aufwendig ist, und daraufhin eine Zentralisierung der Behörden beim LBV vorgeschlagen. Der Landtag hat diesen Vorschlag aufgegriffen und 2012 der Landesregierung den Auftrag erteilt, die Möglichkeit der Umsetzung zu prüfen. Mehrfach wurde im Landtag dazu berichtet, dass aus Sicht des Ministeriums eine Zentralisierung sinnvoll und durchführbar ist.