unterschlagen Sie komplett die seit Anfang des Jahres 2013 durch die justizinternen Arbeitsgruppen herausgearbeiteten Ursachen und Lösungsansätze für die in Kiel entstandenen Probleme. Das ist umso erstaunlicher, als das Justizministerium über die Projektgruppen und ihre Lösungsvorschläge sowohl im August 2013 als auch im April 2014 den Innenund Rechtsausschuss umfassend unterrichtet hat. Hauptergebnis dieser Berichte war, dass die tatsächlichen, im Vergleich zu den anderen drei Landgerichten schlechteren Erledigungszahlen im Kern nichts damit zu tun haben, dass grundsätzlich am Landgericht Kiel zu wenige Richterinnen und Richter tätig sind. Zwei Projektgruppen, besetzt mit Strafrichterinnen und Strafrichtern aller Landgerichte, unterstützt durch eine professionelle Organisationsberaterin, arbeiteten ab 2013 heraus, dass trotz grundsätzlich vergleichbarer Personalausstattung das Landgericht Kiel bei der Bearbeitung und Erledigung von Strafsachen im Vergleich zu den anderen Landgerichten seit mehreren Jahren massiv in Rückstand geraten war. Als maßgebliche Ursachen wurden folgende Umstände herausgearbeitet.
Erstens. Es fehlt oder fehlte bei den Kieler Wirtschaftsstrafkammern an einem effektiven Verfahrensmanagement. Vor allem fehlte es an einer ausreichenden Spezialisierung von Richterpersonal bei Wirtschaftsstrafsachen - ganz im Gegensatz zum Landgericht Lübeck.
Zweitens. Die Fluktuation von Richterinnen und Richtern in den bestehenden Wirtschaftsstrafkammern war zu hoch, was zu Effizienzverlusten wegen ständiger Einarbeitungsbedarfe bei dem Richterpersonal führte.
Drittens. Die Zusammenarbeit von Gerichten und Staatsanwaltschaft ließ in Kiel deutlich zu wünschen übrig. Es fehlte schlicht an ausreichender Kommunikation. Dies verhinderte vor allem bei Großverfahren mit sehr vielen einzelnen Anklagepunkten die unbedingt erforderliche Konzentration des Prozessstoffes.
Als Sofortmaßnahme zum Abbau der Rückstände schlug die Arbeitsgruppe die Einrichtung einer weiteren Wirtschaftsstrafkammer vor. Das ist dann geschehen. Diese und weitere Maßnahmen führten in den beiden letzten Jahren dazu, dass sich die Erledigungszahlen deutlich verbessert haben.
Die Beseitigung struktureller Mängel bei der Organisation eines Gerichts geht nicht von heute auf morgen. Vor allem das Gebot der richterlichen Unabhängigkeit ist bei allen gegensteuernden Maßnahmen strikt zu beachten. Das scheint am Landgericht Kiel gelungen zu sein. Der schlichte Ruf nach mehr Richterstellen wird der Komplexität des Problems auf jeden Fall nicht gerecht. Vor allem geht es nicht an, dass hausgemachte Organisationsdefizite eines einzelnen Gerichtsstandortes im Land dadurch honoriert werden, dass gezielt für dieses Gericht auf Dauer mehr Richterpersonal eingestellt werden soll. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An sich wollte ich meine Rede zu Protokoll geben. Das Problem besteht nur darin, dass mir beim Lesen des Antrags nichts einfiel, was ich schriftlich hätte zu Papier bringen können.
Aber nachdem ich jetzt hier einige doch inhaltsschwere Beiträge gehört habe, kann ich dazu auch noch etwas sagen, weil ich wirklich finde, dass ein solcher Antrag nicht ins Plenum des SchleswigHolsteinischen Landtags gehört - bei allem Ernst. Frau Kollegin Ostmeier, dieser Antrag kontrastiert in unglaublichem Maße zu Ihren früheren Bemühungen, eine sich autonom verwaltende Justiz im Land zu etablieren,
weil die Zuweisung von Richterinnen und Richtern an bestimmte Gerichte mit Sicherheit nicht Aufgabe des Schleswig-Holsteinischen Landtags ist; diese Form der Einmischung ist uns von Verfassungs wegen verwehrt. Wir können die Ministerin nur bitten oder über Haushaltsanträge der Justiz insgesamt mehr Personal für die einzelnen Gerichtszweige zur Verfügung stellen. Aber was dann damit passiert, entscheiden im Zweifel sowohl das Justizministerium als auch - was die Zuordnung zu Straf- oder Zivilkammern angeht - die jeweiligen Präsidien der
jeweiligen Gerichte. Dort haben wir keine Möglichkeit, durch Parlamentsbeschluss einzugreifen. Das würde das Gebot des gesetzlichen Richters gemäß Artikel 103 unserer Verfassung schlicht und ergreifend aushebeln.
Ich habe gar keine Frage, ich möchte nur ein Statement dazu abgeben. Ich werde mich unterstehen, Ihnen dazu Fragen zu stellen, die Ihnen noch mehr Gelegenheit geben, Ihr profundes Wissen hier auszubreiten.
Ich lasse mich aber auch nicht davon abhalten. Ich kritisiere das auch gar nicht. Sie haben auch recht, in der Justiz gibt es viele Meinungen. Ich nehme für mich weiterhin in Anspruch, dass ich Anträge stelle, wenn ich glaube, dass ich diesen Impuls setzen möchte. Ich möchte nicht abwarten, was das Ministerium vielleicht gedenkt zu tun, und ich glaube nicht, dass dieser Antrag verfassungswidrig ist, auch wenn Sie ihn gern als solchen darstellen wollen.
- Sehen Sie, Frau Ostmeier, das Entscheidende ist: Wir sind hier nicht in der Kirche, wo es um Glauben geht, sondern wir sind schlicht und ergreifend bei der Frage,
wie bestimmte Rechtsnormen unseres Staates auszulegen sind. Das Parlament ist mit Sicherheit nicht von Verfassungs wegen berufen, die konkrete Zuweisung von einzelnen Richterinnen und Richtern an bestimmte Gerichte vorzunehmen. Das ist das, was Sie hier gerade vorschlagen. Ich empfehle Ihnen etwas, das meine ich jetzt ernst: Ich bin der Auffassung, dass Sie jeden Antrag stellen können, den Sie stellen wollen. Das ist der Sinn der Veranstaltung. Aber Sie müssen sich auch die entsprechende Antwort auf die Anträge gefallen lassen. Auch das ist der Sinn der Veranstaltung.
Was Sie hier vorschlagen, ist sozusagen eine fliegende Hilfsstrafkammer. Ich empfehle Ihnen dringend, sich einmal die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Hilfsstrafkammern zu Gemüte zu führen.
- Ja, aber nach einer bestimmten Dauer der Hilfsstrafkammer darf sie nicht mehr judizieren, dann werden die Entscheidungen aufgehoben, weil noch einmal - der Artikel 103 des Grundgesetzes den gesetzlichen Richter vorschreibt und die Hilfsstrafkammern im Zweifel nur Notlösungen sind, die eigentlich den gesetzlichen Richter schlicht und ergreifend aushebeln.
Aber darauf will ich gar nicht weiter eingehen. Wenn wir im Parlament dazu übergehen, für jedes einzelne Amtsgericht zu definieren, was dort an Richterstellen vorhanden sein soll, für jedes Landgericht zu definieren, was dort an Richterstellen vorhanden sein soll, wo wir auch noch unterschiedliche Auffassungen haben, warum das so ist, dann gnade diesem Parlament in seinen Plenartagungen Gott, denn, wie gesagt, dann kommen wir kaum zu anderen Dingen.
Ich empfehle auch wirklich, sich einmal die Ursachen anzuschauen. Einiges ist dazu gesagt worden. Ich verteidige in Wirtschaftsstrafsachen. Wir haben in Kiel ein Großverfahren, bei dem sich selbst die Gutwilligen mittlerweile fragen müssen - sowohl aufseiten der Staatsanwaltschaft wie aufseiten des Gerichts -, ob einmal jemand den § 154 Strafprozessordnung im Kopf hat, weil es keinen Sinn bei 22.000 potenziell Geschädigten macht, alle 22.000 hören zu wollen. Dass man bei so einem Vorgang 200 Verhandlungstage „verbraucht“, ist auch kein Ausweis der Qualität von staatsanwaltschaftlichen Berichten.
Es kommt hinzu, dass an anderen Stellen bedauerlicherweise gespart worden ist, was die Hauptverhandlungen bei solchen Verfahren in die Länge zieht, unabhängig von der Komplexität der Materie. Wir haben beim Landeskriminalamt und bei den Staatsanwaltschaften schlicht und ergreifend in der Vergangenheit gespart, mit der Folge, dass die Ermittlungsintensität, also die Vorbereitung der Hauptverhandlung, nicht mehr so ist wie in den ver
gangenen Jahren und sehr viel in der Hauptverhandlung nachgeholt werden muss, was vorher hätte erledigt werden können.
Auch hier geht mein Appell an die Staatsanwaltschaft, gelegentlich über § 154 StPO nachzudenken. Denn wenn die weiteren Taten nicht mehr ins Gewicht fallen, weil sie vom Strafmaß kaum noch etwas ausmachen, macht es keinen Sinn, mehrere Hauptverhandlungstage damit zu verbringen, weitere Aufklärung zu betreiben, die sich im Ergebnis nicht niederschlägt. Ein effektives Prozessmanagement bei Staatsanwaltschaft und Gericht würde auch die Strafverteidiger entlasten, die in der Hauptverhandlung durch Beweisanträge sehr viel nachholen müssen, was vorher nicht erledigt worden ist.
Bei aller Kritik, die man an der Personalausstattung der Justiz üben kann - es gibt Bereiche, in denen tatsächlich nachgerüstet werden muss; das gilt für den Bereich der Staatsanwaltschaft, das gilt aber auch für die polizeiliche Ermittlung. Wir brauchen auch im LKA Leute, die dort länger bleiben und nicht alle zwei Jahre wechseln, die in die Materie eingearbeitet sind und entscheiden können, was wichtig ist und was nicht wichtig ist.
Ihre persönliche Sorge zu befriedigen, aber der Justiz insgesamt keinen Gefallen zu tun. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn schwere Straftaten serienweise verjähren, weil die Justiz nicht hinterherkommt in der Bearbeitung, ist das in einem Rechtsstaat nicht akzeptabel. Die Bürger wollen, dass Straftaten verfolgt werden. Vor allem ist mir wichtig: Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, die Großen lasse man laufen,
wenn man in der Presse liest, dass Anklagen wegen Wirtschaftskriminalität zum Beispiel von Sparkassenchefs oder eines Telekommunikationsunternehmens zu verjähren drohen, weil die Justiz nicht hinterherkommt.
Falsch ist es andererseits auch zu behaupten - wie es leider auch der Richterbund in seiner aktuellen Pressemitteilung tut -, das Internet sei ein rechtsfreier Raum - die Aufklärungsquote und Verurteilungsstatistik widerlegen das komplett -, oder die Justiz sei am Rande ihrer Möglichkeiten. Das halte ich für unnötigen Alarmismus.
Richtig ist natürlich, dass eine personelle Verstärkung der Justiz wünschenswert wäre. Die Zahlen zeigen, dass wir in einigen Bereichen durchaus eine Unterdeckung haben.
Frau Kollegin Ostmeier, dennoch kann Ihr konkreter Vorschlag von mir ebenso wenig befürwortet werden wie von den Richterverbänden selbst. Wenn Sie die Pressemitteilung lesen, werden Sie das feststellen. Der Vorschlag ist, zusätzliche Richterstellen zu schaffen, um am Landgericht Kiel vorübergehend eine zusätzliche Strafkammer einzurichten.