Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Die Zustimmung zum Staatsvertrag zwischen den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein zur Verständigung mit der EU-Kommission ist der Anfang vom Ende der HSH Nordbank im Eigentum der Länder. Es geht darum, mit wie wenig Schaden wir aus der Bank aussteigen können, nicht um ein Weiterso mit vagen Hoffnungen, wie es vielleicht bei der Entscheidung zur 10 -Milliarden-Garantie 2009 der Fall war. Entweder führt die Abspaltung der faulen Kredite dazu, dass sich die operative Bank privatisiert erholt, oder sie wird abgewickelt.

Mit der Einigung in Brüssel entgehen wir einer sofortigen Abwicklung. Dadurch schützen wir unser Landesvermögen so gut wie möglich. Jedenfalls stützen alle Zahlen, die wir in den Beratungen in den letzten Wochen dazu bekommen haben, diese Aussage.

Eine sofortige Abwicklung hätte zudem eine Krise des Sparkassensektors auslösen können.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Auch diese Wahrheit gehört auf den Tisch, Herr Kollege. Die Sparkassen sind durch die Gewährträgerhaftung mit 18 % beteiligt. Das können wir in dieser Debatte nicht ausblenden. Es geht auch darum, eine Kettenreaktion, die Folgen für den Sparkassensektor und viele Sparkassenkunden bei uns im Land und darüber hinaus haben könnte, auszuschließen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SSW)

Die gefundene Lösung ist aus mehreren Gründen aller Voraussicht nach vermögenschonender als ei

ne sofortige Abwicklung. Das sind - die Finanzministerin hat es gesagt - die beiden realistischen Alternativen, über die wir hier reden.

Das liegt zum einen daran, dass die starke Absenkung der Gewährträgerhaftung von 12,2 Milliarden € im Oktober 2015, als die Entscheidung in Brüssel gefallen ist, auf rund 2,5 Milliarden € ab Januar 2016 eine erhebliche Reduktion ist, die wir in dieser Debatte berücksichtigen müssen. Wir kriegen von der Bank weiter Garantiegebühren, auch wenn die in Zukunft in verringerter Höhe gezahlt werden. Und mit der Verkaufsoption besteht die Möglichkeit, dass die Verluste durch den Erlös weiter verringert werden.

CDU und FDP haben eigene Anträge vorgelegt.

Die CDU akzeptiert das mit der EU-Kommission vereinbarte Modell inzwischen grundsätzlich. Das ist ein Fortschritt, das erkennen wir an. Wir glauben allerdings, dass die Änderungsvorschläge, die Sie hier heute beantragen und die mit an den Ausschuss zur Beratung überwiesen werden, aus unserer Sicht nicht zielführend sind. Die EU würde eine Einschränkung des Kreditrahmens höchstwahrscheinlich als Abkehr von der Einigung verstehen. Herr Günther, ich finde, dass Sie in Ihrer Rede schuldig geblieben sind, wie Sie mit diesem Argument umgehen. Ob man Staatsverträge formal ändern kann oder nicht, ist das eine, aber wie Sie einschätzen, was der nächste Schritt sein soll, wie Ihr Antrag praktisch umgesetzt werden soll, ist mir schleierhaft. Wir können uns nicht vorstellen, dass es zu Nachverhandlungen mit der EU-Kommission kommen wird.

(Zuruf Tobias Koch [CDU])

Im Gegenteil, was passieren könnte, ist, dass wir Signale an den Markt und die Ratingagenturen aussenden, die schwer kontrollierbar wären. Diese Debatte zu führen, ist mühselig, denn Staatsverträge sind kein Wünschdirwas, auch wenn wir als Grüne und als Regierungskoalition insgesamt sicherlich nicht darüber begeistert sind, dass wir von Finanzmärkten, von Ratingagenturen abhängig sind. Das widert gerade uns Grüne stark an. Aber wir können das in dieser Debatte nicht ausblenden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir können nur Ja oder Nein sagen. Das ist unbefriedigend und bitter, aber das ist die Wahrheit. Sie wollen verhindern, dass das Land mehr Altlasten übernimmt als angekündigt. Das teilen auch wir; niemand will, dass die Länder mehr ankaufen als

(Thomas Rother)

die vereinbarten Portfolien mit dem Ursprungswert von 6,2 Milliarden €.

Mit dem Vorschlag, den die Finanzministerin heute Morgen in ihrer Rede gemacht hat, nach der Wertermittlung und dem Ankauf der Portfolien die Kreditermächtigung abzusenken, liegt ein guter Kompromiss, eine Handreichung auf dem Tisch, ein Kompromissangebot, das anders als Ihr Antrag vereinbart werden könnte. Das ist ein Weg, der formal geht und ein Zugehen auf Ihre Fraktion bedeutet. Ich bitte Sie, in den nächsten Stunden und im Rahmen der Ausschussberatung ernsthaft darüber nachzudenken.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Günther und Herr Koch, wenn Sie es ernst meinen, sollten Sie darüber noch einmal nachdenken. Ich nehme es sehr ernst, dass Sie gesagt haben, dass Sie sich nicht aus der Verantwortung verabschieden, sondern sehr wohl weiter Teil von konstruktiven Lösungen sein wollen - mit der Verantwortung, die auch Mitglieder Ihrer Fraktion und Partei bei diesem Thema getragen haben.

Liebe Kollegen der FDP, mit Ihnen verhält es sich ein bisschen anders. Wir teilen ja eine gemeinsame Geschichte. Unsere beiden Fraktionen haben sich 2009 sehr skeptisch gegenüber der Regierung Carstensen und dem 10-Milliarden-Garantie-Konstrukt positioniert, das damals beschlossen wurde. Heute wissen wir - nicht um rechthaberisch zu sein -, heute kann man feststellen, dass die Entscheidung von damals eigentlich nur eine Vertagung in die Zukunft, auf heute gewesen ist.

Auch wir Grüne - das will ich ganz deutlich sagen tragen natürlich Verantwortung aus den rot-grünen Regierungsjahren bis 2005. Damals fand die Fusion der Landesbanken statt. Vermutlich war auch das schon ein Fehler, ja.

Die FDP muss sich hingegen den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Garantieabsenkung von 10 Milliarden auf 7 Milliarden €, die zu diesem Beihilfeverfahren geführt hat, in ihrer Regierungszeit zwischen 2009 und 2012 nicht verhindert hat.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch gar nicht beschlossen worden von uns! Wir konnten dagegen nichts tun!)

Und wenn Sie sagen, dass das Quatsch ist, dann erinnere ich Sie an viele Debatten in den letzten zwei Jahren, Herr Kollege, in denen Sie uns vorgeworfen haben, dass wir nicht in das laufende Geschäft der Bank eingreifen, beispielsweise bei Vergütung oder

anderen Sachen. Ich könnte genug Zitate von Ihnen finden, in denen Sie uns das zum Vorwurf machen.

Mir geht es darum, hier keine Schuldzuweisungen zu betreiben, sondern zu sagen, dass CDU, FDP, GRÜNE und SPD, wir alle, unseren Teil zu der negativen Entwicklung der Bank beigetragen haben.

(Christopher Vogt [FDP]: Ja, aber in sehr, sehr unterschiedlichen Ausprägungen!)

- Ja, manche stärker, manche weniger stark. Aber es kann sich hier keiner in die Büsche schlagen und so tun, als wenn er damit nichts zu tun gehabt hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Konsequenz aus dem, was Sie möchten, liebe FDP-Fraktion, ist die Ablehnung des Staatsvertrags. So werden Sie sich wahrscheinlich am Freitag verhalten - zumindest habe ich das bisher so verstanden, auch die Beiträge von Herrn Garg in den letzten Tagen. Das überzeugt uns aus einem Grund nicht, nämlich weil wir nicht wissen, was die Konsequenz daraus sein könnte. Die Konsequenz daraus ist viel unklarer, als diesen Weg der Einigung mit der EU-Kommission zu gehen. Denn damit haben wir zumindest ein geordnetes Verfahren. Wir wissen auch da nicht, wie hoch am Schluss das Risiko sein wird, aber wir wissen, dass wir in ein geordnetes Verfahren einsteigen. Das ist sehr, sehr viel wert.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Beate Raudies [SPD])

Wir haben in der ersten Lesung sehr lange und sehr viel über die Marktpreisermittlung für das Portfolio geredet. Grundlage dafür ist die Annahme - die ich sehr gut verstehen kann und bei der ich zunächst auch gedacht habe, na ja, das klingt ja schlüssig -, dass es einen Preis oder einen Wert gibt, der allesentscheidend ist. Das ist so ein bisschen die CDU-Position in der ersten Lesung gewesen. Es wurde argumentiert, dass man bestimmte Entscheidungen erst danach treffen könne. Die Beratungen im Ausschuss - und Sie sind ja inzwischen auch von dieser Forderung wieder abgerückt - haben gezeigt, dass es so nicht ist, sondern dass die Wertermittlung von unserer Entscheidung getrennt zu betrachten ist. Sie ist nicht unwichtig, natürlich spielt das mit rein, das ist gar keine Frage, aber für die Entscheidung, die wir hier alle am Freitag treffen müssen, ist sie nicht entscheidend. Das liegt daran, dass der Wert des Portfolios steigt, wenn der Verkaufspreis steigt, das dann aber auf der anderen Seite mit der Garantie verrechnet wird. Deshalb ist das für die Frage, wie wir uns hier am Freitag ver

(Rasmus Andresen)

halten, keine entscheidende Frage mehr. Ich bin auch froh darüber, dass die CDU an dieser Position nicht mehr grundsätzlich festhält beziehungsweise sie nicht zur Bedingung für ihr Abstimmungsverhalten macht.

Das Risiko, dass die Länder zu viel bezahlen müssten und die Portfolien danach weiter an Wert verlieren werden, ist aus unserer Sicht auch eher gering. Das liegt zum einen daran, dass es sich sowieso um Schrottwerte handelt, zum anderen geht es darum, dass der Preis im Stressszenario von externen Gutachtern ermittelt wird, und weiter liegt es daran, dass die EU-Kommission trotz dieser schon guten Verfahren danach möglicherweise noch einen Abschlag vornehmen wird. Auch eine verschlechterte Wirtschaftslage, die dann immer zum Szenario mit dazugehört, würde sich in einem Abwicklungsszenario genauso abbilden und zu Buche schlagen, sich also negativ für das Land auswirken.

Wir Grüne machen uns diese Entscheidung nicht leicht. Ich möchte das sagen, und meine Kollegin von Kalben wird am Freitag in der Debatte dazu noch ein bisschen mehr sagen. Das liegt zum einen - wie bei vielen anderen Kollegen natürlich auch daran, dass die Reichweite der Entscheidung und auch die grundsätzlichen Erwägungen, die man zu diesem Thema haben kann, sehr, sehr weitreichend sind. Sie können uns glauben, dass das für keinen, egal ob man in einer Regierung oder in der Opposition ist, hier eine einfache Entscheidung ist. Die Entscheidung geht auch an die Grenzen dessen, was wir beurteilen können. Denn je tiefer man - das haben bei uns auch Kollegen festgestellt - in die Materie eindringt, desto komplizierter wird es. Hinzu kommt auch der Aspekt, dass ein Teil der Unterlagen nicht einmal dem ganzen Parlament vorliegt.

Wir sehen allerdings, dass wir uns in einem demokratischen Dilemma befinden, weil wir keine Lösung sehen, die besser funktioniert, und auch keine Lösung, die uns vor dem Hintergrund dessen, was ich gerade zu den Anträgen der Opposition gesagt habe, so schlüssig erscheint, dass wir uns am Freitag in der Abstimmung hier anders verhalten können.

Ich hoffe, dass wir die nächsten beiden Tage und die Beratung im Finanzausschuss noch dazu nutzen, die letzten Fragen zu klären und vielleicht - Richtung Union - auch dazu, über das Angebot der Finanzministerin noch einmal nachzudenken.

Ich möchte mich aber hier schon einmal bei der Finanzministerin, beim Staatssekretär und bei dem ganzen Haus sowie bei allen, die mit dieser Ent

scheidung in den letzten Monaten zu tun gehabt haben und die das Parlament, so gut es ging, informiert haben, bedanken. Alles, was es an grundsätzlichen demokratischen Problemen gibt, ist nichts, was an dem Finanzministerium oder an der Landesregierung liegt, sondern ist der Sache und dem Konstrukt geschuldet. Dafür möchte ich mich bedanken. Ich hoffe, dass wir eine gute Entscheidung treffen werden und damit den Anfang vom Ende der HSH Nordbank in Landeseigentum einleiten. Danke schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Plön. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat deren Fraktionsvorsitzender, der Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich tatsächlich bei der Finanzministerin Monika Heinold bedanken, nicht für den Wortbeitrag heute, sondern für die Tatsache, dass wir in den letzten Jahren eigentlich immer, wenn es um die Frage der HSH Nordbank ging, sehr vertrauensvoll und sehr intensiv unsere Positionen haben austauschen können, ohne dass wechselseitig der Anspruch entstanden ist, man müsse recht haben. Denn das Dilemma, in dem wir uns gerade befinden, ist, dass niemand von uns heute sagen kann, wer im Endeffekt recht haben wird. Ich komme darauf noch einmal zurück.

Vielleicht muss man am Anfang dieser Debatte darauf hinweisen, dass wir uns bei einer sehr gefährlichen Operation am offenen Herzen befinden, denn es geht im Ergebnis um 20 Milliarden €, die die HSH Nordbank zwischen dem Jahr 2005 und dem Jahr 2015 zulasten des Steuerzahlers in SchleswigHolstein und Hamburg versenkt hat. Es geht um 20 Milliarden €, umgerechnet etwa 1 Milliarde € pro Jahr für jedes Land: Was hätten wir als Landtag, was hätten wir - egal welche Regierung, egal welche Opposition - mit diesem Geld anfangen können in Anbetracht der Tatsache, dass wir Haus

(Rasmus Andresen)

haltsnotlageland sind und eine vielfältige Anzahl von Aufgaben zu bewältigen haben!

Um das einmal deutlich zu machen: Die Einigung mit der EU-Kommission ist in Wahrheit keine Einigung, sie wird nur so verkauft, sondern es ist das Abwicklungsdiktat der EU-Kommission an das Land Schleswig-Holstein, nachdem sich herausgestellt hat, dass die Behauptung der HSH Nordbank, ihr Geschäftsmodell sei tragfähig, nicht stimmt. Es ist eine Abwicklungsbeihilfe - Abwicklungsbeihilfe! -, und in den Eckpunkten, die noch von der Kommission Mitte nächsten Jahres bestätigt werden müssen - wir wissen ja noch gar nicht genau, wie das aussieht -, sind bestimmte Dinge festgehalten.

Erstens: Die HSH Nordbank hat keine Zukunft, deshalb muss sie abgewickelt werden. Das ist keine Sanierungsbeihilfe - aus Sicht der Kommission.