Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man mag - wie heute zum Beispiel auch wieder - den haushaltspolitischen Schlagabtausch alle Jahre wieder als übliches Ritual zwischen Regierung und Opposition schnell vergessen, insbesondere dann, wenn der Haushalt am Ende mit Mehrheit der regierungstragenden Fraktionen beschlossen wurde. Die Haushaltskönner unter Ihnen - der Kollege Winter sitzt noch da und hört eifrig zu - sollten aber zumindest beherzigen, was sowohl der Stabilitätsrat als auch der Landesrechnungshof zu Ihrem Haushaltsentwurf 2016 sagen.

Und ja, Frau Ministerin Heinold, der Stabilitätsrat formuliert in seiner Stellungnahme - ich zitiere -:

„Dem vorgelegten Sanierungsbericht zufolge wird 2015 und 2016 die Obergrenze der Nettokreditaufnahme dennoch deutlich unterschritten.“

Diesen Satz als Lob für exzellente Haushaltspolitik zu interpretieren bleibt das Privileg von Lars Winter und der Finanzministerin. Von zumindest Letzterer weiß ich ganz genau, dass sie auch den Satz davor gelesen hat, Frau Heinold, welcher den Abschnitt „Bewertung des aktualisierten Sanierungsprogramms“ einleitet mit den Worten - ich zitiere wieder -:

„Schleswig-Holstein verfolgt mit dieser Planung einen im Ergebnis weniger ambitionierten Konsolidierungskurs als im September 2014 angekündigt: Im laufenden und im kommenden Jahr verschlechtert sich die Haushaltssituation im Vergleich zum letztjährigen Bericht.“

Der Landesrechnungshof leitet seine Stellungnahme mit dem Satz ein - ich zitiere -:

„Nach derzeit geltendem Recht“

- darüber reden wir in dieser Debatte immer noch

„wäre der Haushaltsentwurf 2016 verfassungswidrig.“

Er fährt fort, dass die von der Landesregierung noch im September dieses Jahres als ausreichend bezeichneten Sicherheitsabstände vollkommen verbraucht sind. Wörtlich sagt er weiter:

„Mit der Nachschiebeliste bewahrheitet sich, dass die Risikovorsorge völlig unzureichend war. Die Landesregierung plant 2016 ein strukturelles Defizit von rund 680 Millionen €. Damit durchstößt sie die bisher geltende Obergrenze deutlich um 230 Millionen €.“

Deswegen sage ich Ihnen zum Schluss: Wie recht Torsten Albig doch hatte, als er in seiner legendären nichtssagenden Regierungserklärung von September ausführte, es mache sehr wohl einen Unterschied, wer regiere, er oder die anderen. Die anderen haben gezeigt, wie seriöse Haushaltspolitik geht und wie seit drei Jahren unseriöse Haushaltspolitik zulasten der Zukunft unseres Landes geht. Deswegen werden wir Ihrem Haushaltsentwurf mit Sicherheit nicht zustimmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Für die Piratenfraktion hat der Herr Fraktionsvorsitzende Torge Schmidt das Wort.

(Dr. Heiner Garg)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne meine Rede mit einigen Zitaten. Sigmar Gabriel:

„Das Digitale ist politisch!“

Angela Merkel:

„Wohlstand hängt von Digitalisierung ab.“

Cem Özdemir:

„Die Digitalisierung hat das Potenzial, der entscheidende Katalysator zu sein, um Ökonomie und Ökologie zu versöhnen.“

Christian Lindner:

„Digitalkompetenz ist die zentrale Schlüsselqualifikation der Zukunft.“

Beim SSW habe ich nichts gefunden.

Was führende Kräfte Ihrer Bundesparteien bereits seit Längerem erkannt und auch im Fokus haben, bleibt in Schleswig-Holstein ein Nischenthema. Da ist es doch gut, dass hier eine Nischenpartei im Parlament sitzt. Und deshalb haben wir uns vor allem mit dem beschäftigt, von dem wir auch etwas verstehen: mit der digitalen Zukunft SchleswigHolsteins.

(Beifall PIRATEN)

Und weil wir ja das Land zwischen den Meeren sind, haben wir dem Ganzen einen maritimen Namen gegeben: „Digitaler Kompass“. Ich weiß von leiser werdenden Gesprächen auf den Fluren und an den Tischen hier im Landeshaus, dass Sie das sehr genau beäugt haben. Wir PIRATEN wollen die digitale Revolution zum Wohl des Menschen gestalten und nutzen. Was wir genau gestalten möchten und fordern, darauf werde ich später noch eingehen. Kommen wir erst einmal zum vorgelegten Haushaltsentwurf der Landesregierung und zu den beiden Listen, die diese kurz vor knapp nachgeschoben hat.

Zum Haushalt ist vor allem anderen festzuhalten, dass er nach derzeit geltendem Recht verfassungswidrig wäre.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wenn meine Großmutter Räder hätte, wäre sie ein Omni- bus! Was ist das für eine Argumentation?)

Die Landesregierung überschreitet mit einem strukturellen Defizit von 680 Millionen € die bisher geltende Obergrenze um 230 Millionen €. Um den Haushaltsentwurf wenigstens noch vorläufig zu ret

ten, will die Landesregierung von der Landes- zur Bundesmethode wechseln. Denn dieser Wechsel gibt ihr erneut Handlungsspielraum auf der Ausgabenseite. Die angeführte Motivation, dass dieser Wechsel deshalb erfolgt, weil er - ich zitiere „einen Gleichlauf der Einschätzungen zur konjunkturellen Lage von Bund und Land“ bewirkt, ist schlichtweg gelogen, gegenüber dem Parlament und der Bevölkerung.

(Beifall PIRATEN)

Der Wechsel erfolgt auch nicht deshalb, weil „auf diese Weise Konsistenz im haushaltspolitischen Überwachungsregime der Bundesrepublik Deutschland“ geschaffen wird. Nein, der Wechsel von der Bundes- zur Landesmethode erfolgt schlicht und einfach deshalb, um noch mehr Schulden aufnehmen zu können.

(Beifall PIRATEN)

Traurige Wahrheit ist, dass selbst dieser Wechsel Sie nicht retten wird. Zwar hieß es noch vor wenigen Wochen, am 1. September 2015, in einer Pressemitteilung der Regierung:

„Der Abstand zur Verfassungsgrenze ist in der Finanzplanung mit ausreichenden Sicherheitspuffern gewährleistet. Nicht nur bei der Methode, die auf Bundesebene angewandt wird …, sondern auch bei der wesentlich strikteren Landesmethode sind ausreichende Sicherheitsabstände vorgesehen.“

Heute jedoch haben wir es schwarz auf weiß: Die so bezeichneten ausreichenden Sicherheitspuffer haben sich in Luft aufgelöst. Selbst unter Anwendung der Bundesmethode besteht jetzt nur noch ein Abstand von 39 Millionen € zur zulässigen Obergrenze. Auch mit der Festschreibung der Bundesmethode droht diese Landesregierung also zu scheitern. Die Konsolidierungshilfe in Höhe von 80 Millionen € ist in großer Gefahr. Denn höhere Ausgaben sind ja schon heute absehbar: für Flüchtlinge, UKSH, HSH Nordbank, im Bildungsbereich und für Investitionen.

Was die Flüchtlinge anbelangt, vermag hier und heute niemand zu sagen, wie sich die Zahlen weiterentwickeln. Die veranschlagten Ausgaben haben nur vorläufigen Charakter. Dass die von Ihnen vorgesehenen Mittel nicht ausreichen werden, kann man allerdings schon heute mit Sicherheit sagen. Derzeit veranschlagt sind 800 Millionen €. Damit sollen nächstes Jahr 27.200 neue Flüchtlinge versorgt werden, während das Innenministerium für 2015 bereits mit über 50.000 Flüchtlingen in Kom

munen und Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes rechnet.

(Angelika Beer [PIRATEN]: Genau! Da stimmt etwas nicht!)

Erklären Sie mir, Frau Finanzministerin, wie das zusammenpasst! Sprechen Sie sich nicht mit dem Kollegen Studt ab, der momentan übrigens wirklich gute Arbeit leistet?

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Chapeau an dieser Stelle, Herr Innenminister. Wir erkennen Ihre persönliche Leistung an. Anstatt nach Gutsherrenart das Land aus der Staatskanzlei zu verwalten und zu labern, fahren Sie hinaus, um sich vor Ort ein Bild der tatsächlichen Lage zu machen und im Rahmen Ihrer Möglichkeiten zu helfen. Blöd ist nur, dass die von Ihnen veranschlagten Zahlen offensichtlich keine Berücksichtigung finden und die restliche Regierung stattdessen die Zahlen und Berechnungen des Bundes zugrunde legt.

Ihr Haushalt wird nur aufgehen, wenn der Bund seine Zusage einhält, die Verfahren zu beschleunigen. Wenn er das nicht schafft, wird Ihr Haushalt platzen. Ich habe kein Vertrauen, dass es der Bund bei steigender Antragsflut und den Altlasten schafft, diese Zusage einzuhalten.

Machen wir uns nichts vor: Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2016 ist heute bereits Makulatur. Jedem, der in diesem Jahr miterlebt hat, wie die Flüchtlingszahlen wöchentlich nach oben korrigiert wurden, muss klar sein, dass die im Haushalt verwendeten Zahlen auf den untersten Grenzwerten basieren. Frau Heinold, reden Sie endlich Klartext, statt den Bürgerinnen und Bürgern ein X für ein U vormachen zu wollen.

Wir begrüßen, dass Sie den Dialog mit den Gemeinden und Kommunen gesucht haben, und akzeptieren die gefundene Lösung, auch wenn wir uns ein bisschen mehr vorgestellt hätten. Die Regierung hat sich zwar für einen Moment haushalterisch mit den Kommunen geeinigt, doch wird dieser Moment nicht lange andauern. Das Thema ist noch lange nicht vom Tisch. Spätestens für das Frühjahr, wenn die ersten Flüchtlinge anerkannt wurden, hat die Landesregierung keinen Plan. Wohin sollen die Flüchtlinge dann? Die Gemeinden auf dem Land haben zwar mitunter notwendige Kapazitäten und den Zusammenhalt, um Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren. Doch fehlt es ihnen an der Infrastruktur. Die Infrastruktur ist in den Städten. Woher

nimmt die Landesregierung kurzfristig den Wohnraum oder die notwendigen Lehrkräfte für den Deutschunterricht und die Aus- und Weiterbildung?

Selbst Innenminister Studt ist der Ansicht, dass 670 € pro Flüchtling pro Monat unrealistisch sind. Solange die Bundesregierung die Verfahren für Flüchtlinge nicht massiv beschleunigt, sind auch Verfahrensdauern von fünf Monaten reine Utopie.

Schenken Sie den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land finanzpolitisch reinen Wein ein!

(Beifall PIRATEN)