Protokoll der Sitzung vom 18.12.2015

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer gefühlten dritten Lesung kommen wir nun zur Beschlussfassung über den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung eines Staatsvertrags und der Errichtung der hsh portfoliomanangementanstalt des öffentlichen Rechts.

Leider, und ich glaube, das ist hier durch den Vortrag des Kollegen Koch schon deutlich geworden, ist es nicht gelungen, FDP, CDU oder Piratenfrakti

on von einer Zustimmung zu dieser Vorlage zu überzeugen.

(Volker Dornquast [CDU]: Wenn ihr ver- nünftig gearbeitet hättet!)

- Ach, Herr Dornquast, über Ihre Arbeit vor allem als Staatssekretär im Innenministerium wollen wir lieber schweigen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Haltung von FDP und PIRATEN, die Bank sofort abzuwickeln, ist allerdings aus meiner Sicht zumindest in ihrer grundlegenden Positionierung nachvollziehbar, jedoch nicht in ihrem Ergebnis. Die teuren Folgen einer solchen Entscheidung sind im Beratungsverfahren schon beschrieben worden, auch wenn die Grundlagen für diese Einschätzung einem besonderen Vertrauensschutz unterliegen. Das ist nun einmal leider so. Die aus gutem Grund an dieser Stelle vorhandene eingeschränkte Transparenz dient den Fraktionen von FDP und PIRATEN zu einem Ausstieg aus der Sache. Eigentlich könnten jedoch zumindest Herr Schmidt und Herr Dr. Garg zustimmen, da sie Einsicht in die Unterlagen hatten und in der Sache und auch bei der Entscheidung Einsicht zeigen könnten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Deshalb ja!)

In der Ausschussberatung ist nochmals erörtert worden, warum eine Beschlussfassung noch im Dezember sinnvoll ist. Höhere Rechtssicherheit und die Vermeidung des Erfordernisses des Erwerbs einer Banklizenz sowie einer Eigenkapitalunterlegung der AöR sind als Begründung schon bereits vor vier Wochen hier genannt worden. Über die goldene Brücke, die wir als Koalitionsfraktionen der CDU für eine Zustimmung bauen wollten, wollten Sie ja leider nicht gehen, Herr Koch. Es ist gestern im Ausschuss noch einmal vorgetragen worden: Wir hätten natürlich in einem begleitenden Beschluss festhalten können, dass wir die Landesregierung bitten, mit dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg in Verhandlungen zur Reduzierung der Kreditermächtigung für beide Anstalten einzutreten, sobald absehbar ist, welcher Kapitalbedarf erforderlich ist.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Das jetzt in die ausverhandelten und von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossenen Staatsverträge nachträglich hineinverhandeln zu wollen, ist und das wissen Sie doch selbst - vom Verfahren her absurd. Die Finanzministerin hat ihre Position in

(Tobias Koch)

der Tat weiterentwickelt. Dies so beiseitezuwischen, ist tatsächlich nur die Suche nach einem Ausweg. Sie suchen schlicht und einfach nach einem Weg, um partout nicht zustimmen zu müssen.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Natürlich möchten Sie, und das kann ich sogar verstehen, vor Ihren Hamburger CDU-Kolleginnen und -Kollegen nicht das Gesicht verlieren. Sie entscheiden sich aber heute besseren Wissens gegen unseren Vorschlag und ziehen ihren Antrag nicht zurück. Während die PIRATEN und die FDP sich immerhin geradlinig verhalten, suchen Sie krampfhaft nach einem Ausweg aus einer Position, die im Prinzip eigentlich die Ihre ist, wenn ich Ihrer Darstellung richtig folgen konnte. Ihr Zitat aus dem vertraulichen Umdruck in Bezug auf die Folgen für den Landeshaushalt stand heute sogar in den „Lübecker Nachrichten“. Insbesondere als streng vertraulich gekennzeichnete Unterlagen werden ja anscheinend gleich weitergegeben. Von daher ist so etwas schon öffentlich und kein Staatsgeheimnis mehr. Herr Koch, so übernimmt man tatsächlich nicht Verantwortung, sondern schleicht sich auf eine peinliche Weise aus einer solchen heraus.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dabei wäre ein Signal der Geschlossenheit und des Verantwortungsbewusstseins wichtig. Es wäre ein Signal nicht nur an die EU-Kommission und an die EZB, es wäre auch ein Signal an die Geschäftspartner und an die Kunden der Bank. Es wäre sogar ein Signal an einen potenziellen Käufer der Bank. Es wäre vor allem auch ein Signal an die Beschäftigten der Bank, vor allen Dingen natürlich an die am Standort Kiel, dass ihre Interessen, dass ihre Belange in diesem Verfahren nicht im Parteiengezänk untergehen,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

denn mit dem Beschluss des Gesetzentwurfs ziehen wir eben nicht den oft zitiereten Schlussstrich, sondern beginnen ein weiteres und wahrscheinlich das letzte Kapitel in der Geschichte der HSH Nordbank. Die weitere Tätigkeit der Bank - der Wertpapierverkauf, der Ankauf durch die AöR und die Vorbereitung der Privatisierung - werden uns ab Januar vor allem in den Ausschüssen weiterhin intensiv beschäftigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alles andere zu diesem Thema wurde tatsächlich bereits gesagt. Ich

bitte um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Finanzausschusses. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt die Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Frau Eka von Kalben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein paar Tage vor Weihnachten und kurz vor unserer Weihnachtspause fällen wir hier heute eine sehr schwierige Entscheidung, nicht nur für unsere jetzige Generation, sondern auch für zukünftige Generationen.

Diese Entscheidung machen wir uns alle nicht leicht. Wir alle haben damit gerungen und ringen vielleicht immer noch, ob in meiner eigenen Fraktion, in der Koalition oder in der Opposition.

Ich bedanke mich bei allen, die am intensiven Beratungsprozess der letzten Wochen und auch an den meist fairen Debatten untereinander dazu teilgenommen haben. Es ist unausweichlich, dass die Verluste, die aus sehr vielen Entscheidungen zur HSH Nordbank hervorgehen, auch im Landeshaushalt ankommen, und zwar unabhängig davon, ob wir heute die Hand für den Regierungsentwurf heben, ob wir die Hand für einen Änderungsantrag heben oder ob wir die Hand für ein Nein heben. Es ist unausweichlich: Die Verluste werden ankommen, egal welche Entscheidung wir alle hier fällen.

Uneins sind wir uns über die Gewichtung der Risiken. Unsere Entscheidung wird nach unserer Einschätzung nicht zu mehr Verlusten führen. Es wird versucht, zu retten, was noch irgendwie zu retten ist. Das ist eine Entscheidung mit unglaublich vielen unbekannten, unzähligen Abhängigkeiten und Unsicherheiten. Gewissheit haben wir alle nicht, egal welcher Vorschlag vorliegt. Aber alle in diesem Haus sind ernsthaft bemüht, die Risiken für den Landeshaushalt zu minimieren.

Ich gehe davon aus, dass auch diejenigen, die in den vergangenen Jahren die Weichen gestellt haben, sich die jeweiligen Entscheidungen nicht leichtgemacht haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Na ja!)

Wir wissen auch, dass wir diese weitreichenden Schritte heute nicht einleiten müssten, wenn sich

(Thomas Rother)

deren Hoffnungen bestätigt hätten. Es geht eben nicht darum, wer Schuld hat und wer rückwirkend Verantwortung trägt, sondern heute sitzen hier 69 Abgeordnete, und wir tragen jetzt die Verantwortung für die heutige Entscheidung. Das ist es, worauf es ankommt. Egal, ob Sie mit einem Nein stimmen oder für einen Änderungsantrag oder für den Antrag, den die Regierung hier vorgelegt hat, den Staatsvertrag: Wir alle übernehmen heute Verantwortung, und darauf kommt es an.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, wir sind davon überzeugt: Bei allem Unbehagen gibt es eine gute Nachricht. Denn dieses Mal ziehen wir absehbar einen Schlussstrich, aber einen unglaublich teuren Schlussstrich. Wir wollen zumindest die Möglichkeit schaffen, den operativen Teil der Bank zu verkaufen. Es ist zumindest den Versuch wert, die Verluste durch den Verkaufserlös zu reduzieren.

Wir gehen davon aus, dass die Auswirkungen weniger gravierend sind, wenn wir dem Staatsvertrag zustimmen, als wenn wir uns dagegen wenden und uns damit auch gegen die Einigung zwischen den Ländern und der EU stellen.

Diese Verhandlungen sind nicht nur hier oder nur mit Hamburg geführt worden, sondern sie sind auch mit dem Bund und mit der EU geführt worden. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei Monika Heinold, Philipp Nimmermann und allen zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzministeriums bedanken, die in den letzten Wochen jederzeit ansprechbar waren und alle Fragen beantwortet haben - im Beteiligungsausschuss, in den Fraktionen und in persönlichen Gesprächen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Ringen um die Entscheidung ist kein Dissens zur Regierung. Wir wissen, dass Monika Heinold und Philipp Nimmermann voll und ganz im Interesse des Landes handeln. Für uns ist klar: In besseren Händen hätte die Entscheidung über die Bank nach unserer Meinung nicht liegen können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Diese Ministerin hat so gehandelt, dass der größtmögliche Schaden vom Land abgewendet werden kann. Ich weiß auch aus vielen persönlichen Gesprächen, wie schwierig diese Entscheidung war und wie schwierig es auch ist, danach Dinge zu verteidigen, die zum Teil vertraulich zu behandeln

sind. Alle diejenigen, die Mitglied im Beteiligungsausschuss sind, werden es ebenfalls wissen: Das ist eine schwierige Situation. Auch dafür ein ganz großes Lob.

Da können Sie, Herr Koch, hier noch so einen großen Popanz über goldene oder meinetwegen auch hölzerne Brücken oder sonst etwas, was gebaut oder nicht gebaut wurde, aufbauen. Was mir heute wirklich nicht gefallen hat, auch nach dem, was wir gestern im Finanzausschuss besprochen haben, ist, dass Sie erneut die Worte der Ministerin umdrehen, verdrehen und die Angebote verdrehen. Das ist in einer solchen Debatte einfach schade. Wir haben hier am Mittwoch die Inhalte ganz klar ausgetauscht, wir haben dies auch im Finanzausschuss getan. Sie wollen nun einen anderen Weg gehen, der unserer Meinung nach nicht machbar ist. Wir haben gesagt, wir können etwas beschließen, worauf wir die Regierung festlegen. Und im nächsten Jahr, wenn uns das Gutachten vorliegt, wenn wir mehr über den Finanzrahmen wissen, könnten wir darüber reden, den Finanzrahmen zu reduzieren. Das wollten Sie nicht. Das ist Ihre politische Entscheidung. Dann hier aber einen solchen Popanz daraus zu machen angesichts einer solch schwierigen Entscheidung, das finde ich sehr schade.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch Folgendes erwähnen: Besonders hart ist die Situation auch für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank. Besonders die Beschäftigten in Kiel machen sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze hier vor Ort. Wir bleiben mit ihnen im Gespräch, aber wir können heute nichts versprechen.

Ich möchte die individuellen Bedenken und Sorgen auch meiner Fraktion nicht verschweigen und gleichzeitig deutlich machen, dass wir diese Entscheidung gemeinsam tragen. Viele von uns hatten schlaflose Nächte. Wir sind davon überzeugt, dass die Einigung mit der EU und die Aufsplittung der Bank die bestmögliche Variante ist. Doch das bedeutet, dass auch wir heute unsere Hand heben werden, um die Verluste für das Land sichtbar zu machen.

Seit vielen Jahren haben alle versucht, ob Regierung oder Opposition, die drückende Zinslast im Haushalt zu senken, um Beinfreiheit für politische Gestaltung zu bekommen. Wir alle wissen um die Unterfinanzierung, auch wenn Sie die Schwerpunkte anders setzen: Infrastruktur, im sozialen Bereich, in der inneren Sicherheit, im Bereich der Bildung,

(Eka von Kalben)

beim Klimaschutz. Es ist bitter, in diesen Bereichen seit Jahren sagen zu müssen, warum wir nicht deutlich mehr dafür ausgeben können, um die Scherben einer Bank auf Irrwegen zu finanzieren.

Wir befinden uns in einem Spannungsfeld zwischen staatlicher Verantwortung und dem dynamischen Finanzsektor. Einige der Informationen, die für die Entscheidungsfindung besonders wichtig sind, wurden vertraulich behandelt. Das passt nicht zusammen mit unseren Vorstellungen von Transparenz und demokratischer Kontrolle. Aber wir sehen auch, dass Politik in die Zwickmühle gerät, wenn sie sich auf Finanzmärkten tummelt.

Diese Bank im Landeseigentum hätte es niemals geben dürfen, sie hätte niemals so groß werden dürfen. Aber es ist auch klar: Von hinten her sieht sich vieles klarer. Wir müssen heute nach vorne entscheiden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])